Jürgen Lingg: «Man muss die Talente früher fördern»

Von Günther Wiesinger
Liqui-Moly-Teamchef Jürgen Lingg hat noch kein Eigenbau-Talent für den GP-Sport gefunden. «Man muss die Talente schon in der MiniGP mit 11 oder 12 Jahren unterstützen. Sie müssen nach Spanien und alles hintenanstellen.»

Das Liqui-Moly-IntactGP-Team hat in den letzten Jahren viele Anstrengungen zur Förderung deutscher Nachwuchstalente unternommen, aber noch nie wurde ein deutscher Eigenbau-Fahrer entdeckt, der gut genug war, um später ins Moto2-WM-Team transferiert werden zu können. Denn Lukas Tulovic debütierte mit 17 Jahren im Kiefer-Moto2-Team in der WM und bestritt dort 2019 bereits eine komplette GP-Saison.

An Kandidaten und guten Absichten mangelte es es beim Liqui-Moly-Junior-Team nicht. Doch Matthias Meggle, Dirk Geiger, Phillip Tonn und alle anderen schafften den Durchbruch in den verschiedenen Nachwuchs-Meisterschaften nie.

Die Mannschaft aus Memmingen hat sich nicht zuletzt deshalb zu einem Joint-Venture mit dem Husqvarna-Moto3-Team von Peter Öttl entschlossen, denn von dort könnten Talente wie Sasaki und Veijer eines Tages in das Moto2-GP-Team integriert werden – wie es bei den Top-Teams wie von Aki Ajo, Hiroshi Aoyama und Jorge Martinez der Fall ist.

Gleichzeitig werden die Bemühungen im Junior-Team weitergeführt. Der erst 17-jährige Australier Senna Agius, Moto2-EM-Zweiter 2022, wird Nachfolger von Tulovic im Liqui-Moly-Moto2-EM-Team. Der 16-jährige Jakob Rosenthaler aus Oberösterreich soll sich im zweiten Jahr in der Moto3-Junioren-WM (Junior-GP) kräftig steigern. Auch in den beiden JuniorGP-Klassen wird die von Dirk Reissmann betreute Liqui-Moly-Husqvarna Junior-Mannschaft für Husqvarna-Bikes werben, in der Moto2 wird jedoch mit Kalex gefahren – wie im WM-Team mit Lukas Tulovic und Darryn Binder.

Im European Talent Cup hat das Allgäuer Team bisher keinen Fahrer verpflichtet. «Daran arbeiten wir noch», sagt Teamchef Jürgen Lingg.

Jakob Rosenthaler fährt 2023 auch noch einmal ein Jahr Red Bull Rookies-Cup und trifft dort auf Landsmann Leo Rammerstorfer.

«Wir sind auf einem guten Weg, dass Leo für uns im ETC fahren wird», verriet Jürgen Lingg auf Anfrage von SPEEDWEEK.com. «Wir sind jetzt quasi ein österreichisches Team», schmunzelte er. «Ein rot-weiß-rotes Satellitenteam.»

Über die Frage, warum sich in den letzten zehn Jahren (seit den Einstiegen von Florian Alt und Philipp Öttl in der Moto3) kein neuer deutscher GP-Fahrer dauerhaft in der Weltmeisterschaft etabliert hat, wurde schon viel diskutiert und gerätselt. Denn auch Kiefer Racing und PrüstelGP oder Freudenberg fanden keinen neuen GP-Sieger vom Schlage Bradl, Cortese oder Folger.

«Ja, leider ist es so», bedauert Jürgen Lingg. «Ich denke, man muss weiter unten anfangen bei der Nachwuchsförderung. Das Hauptproblem ist auch, dass wir zu wenige Fahrer haben. Je größer das Reservoir an Talenten ist, umso eher ist mal einer dabei, der es packen könnte. Im Grunde müsste man nichts anderes machen als die Spanier, aber einfach in jüngeren Jahren mit der Förderung anfangen. Ich bezweifle, dass die Spanier grundsätzlich mehr Talent zum Motorradfahren haben als die Nordeuropäer. Aber die Spanier haben viel mehr Fahrer in ihren Nachwuchsprogrammen. Konkurrenz belebt das Geschäft! Die Spanier haben natürlich auch viel bessere Voraussetzungen als die norddeutschen Talente. Das muss man ganz klar sagen. Die gehen auch mit einer klaren Einstellung rein und sagen: 'Ich will Profi-Rennfahrer werden!' Es gibt entsprechend gute Vorbilder in Spanien. Bei uns wird zuerst ein guter Schulabschluss verlangt für den Fall, dass es mit der Motorsport-Karriere nicht klappt. Auf dem heutigen Niveau der Nachwuchsserien musst du wirklich hart und viel trainieren. Da kann es passieren, dass die Schule zu kurz kommt.»

Die Lehre aus der Vergangenheit für Jürgen Lingg: «Man muss mit den Talenten schon in der MiniGP anfangen und schauen, dass sie dort gute Voraussetzungen haben. So kann ihnen entweder über den ATC, NTC oder ETC ein guter Einstieg gelingen.»

Immerhin hat der ehemalige deutsche 250-ccm-GP-Pilot Dirk Heidolf jetzt ein sehr vielversprechendes Talent unter seinen Fittichen. Unter 33 Piloten aus 17 Nationen sicherte sich der 12-jährige Fynn Kratochwil auf der Kartbahn des Circuit Ricardo Tormo am Donnerstag vor dem GP-Finale 2022 auf den identisch aufgebauten Ohvale-Bikes Platz 2 in der MiniGP-Weltmeisterschaft! Er unterlag dem Italiener Gabriel Fabio Vuono nur um 0,070 Sekunden.

«Wenn du in frühen Jahren in den Nachwuchsserien Erfolg haben willst, musst du dich viel in Spanien aufhalten», ist Jürgen Lingg bewusst. «Du musst viel und hart trainieren und alles andere hintenanstellen. Du musst die richtigen Prioritäten setzen. Der Schweizer Noah Dettwiler hat das getan und 2022 einen Schritt nach vorn gemacht. In Nordeuropa haben die Fahrer klare Trainingsnachteile, die wetter- und konkurrenzbedingt sind. Deshalb muss man unseren Nordeuropäern einfach mehr Zeit geben. Man muss mehr Geduld haben.»

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