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US-Piloten in der WM: Joe Roberts mit Glanzmoment

Von Günther Wiesinger
Dank Moto2-Hoffnungsträger Joe Roberts stellten die USA in der vergangenen Saison zwar erstmals seit Ben Spies wieder einen GP-Sieger. Insgesamt ist die Situation der einstiegen 500-ccm-Supermacht aber trist.

Joe Roberts nutzte nach dem Massencrash im ersten Teil des Moto2-Rennens von Portimão die Gunst der Stunde und feierte beim Portugal-GP 2022 seinen ersten GP-Sieg. Es war der erste Triumph eines US-Amerikaners in der zweithöchsten Klasse der Motorrad-WM seit John Kocinski 1990 auf Phillip Island.

«Es war ein langer Weg für mich», erzählte Roberts nach seinem Erfolg. «Dieser Sieg bedeutet mir so viel und ganz besonders meinen amerikanischen Fans zu Hause. Wir haben lange darauf hingearbeitet und endlich haben wir es geschafft. Es ist sehr schön, die US-Flagge auf dem Podium ganz oben zu sehen.»

In Mugello gelang Joe Roberts (mit Kenny Roberts übrigens nicht verwandt) als Zweiter ein weiterer Podestplatz, über weite Strecken der Saison 2022 blieb er aber hinter den Erwartungen zurück.

Seit Brünn 2017 mischt der inzwischen 25-jährige Kalifornier in der Moto2-Klasse mit. In Brünn stand er 2020 als Dritter auch erstmals auf dem Podium. Total stehen bisher drei Pole-Positions und drei Podestplätze zu Buche. Roberts beendete die WM 2020 im American Racing Team an siebter Stelle und wechselte für 2021 ins Italtrans Team, das 2020 Weltmeister Enea Bastianini hervorbrachte. Dort landete er 2021 und 2022 in der Endabrechnung auf den WM-Rängen 13 und 9.

US-Durststrecke in der Königsklasse

In der MotoGP-WM spielen die Amerikaner schon länger keine Rolle mehr. In den Jahren 2016 und 2017 kam es zum ersten Mal seit 1975 vor, dass kein US-Fahrer in irgendeiner GP-Klasse als Stammfahrer dabei war.

Kleine Ausnahme: Nicky Hayden sprang 2016 in Aragón für Jack Miller (Marc VDS Honda) und auf Phillip Island für Dani Pedrosa (Repsol-Honda) ein.

Der bisher letzte amerikanische MotoGP-Sieg liegt inzwischen mehr als zehn Jahre zurück. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in der ewigen Bestenliste der GP-Sieger-Nationen längst durch Jack Millers Triumphe (Moto3 und MotoGP) von den Australiern übertroffen worden.

In der seit 2002 bestehenden MotoGP-Ära der Viertakter mit 990 ccm (bis Ende 2006) und 800 ccm (bis Ende 2011) sowie der neuen 1000-ccm-Bikes hat Amerika nur zwei GP-Sieger präsentiert: Nicky Hayden siegte in Laguna Seca 2005 und 2006 in Assen und Laguna Seca, Ben Spies in Assen 2011.

Dabei haben die Amerikaner einst in der Königsklasse nach Belieben dominiert: Kenny Roberts gewann die 500er-WM 1978, 1979, und 1980, dann Freddie Spencer 1983 und 1985; Eddie Lawson gewann die Titel 1984, 1986, 1988 (dreimal auf Yamaha), ehe er 1989 auf Rothmans-Honda zum vierten Mal triumphierte.

Danach folgte die Ära mit Wayne Raineys Titelgewinnen 1990, 1991 und 1992, im Jahr 1993 gewann Kevin Schwantz auf Suzuki die 500-ccm-Weltmeisterschaft. Und im Jahr 2000 eroberte Kenny Roberts junior die 500er-WM auf Suzuki. Dazu feierte Spencer den 250er-Titelgewinn 1985.

Das heißt: Innerhalb der 16 Jahre von 1978 (Roberts) bis 1993 (Schwantz) räumten die Amerikaner elf von 16 Titel in der «premier class» ab.

Dazu kamen US-Stars wie Pat Hennen, Mike Baldwin, Doug Chandler und Randy Mamola, die nie Weltmeister wurden. Aber allein Mamola gewann 13 Halbliter-GP.

In den letzten Jahren gingen die Amerikaner in punkto MotoGP-WM-Titel leer aus. Zuletzt hielt Nicky Hayden der australisch-europäischen Phalanx stand – er gewann die MotoGP-WM 2006 auf der Repsol-Honda gegen Rossi. Nach dem Wechsel von Nicky Hayden in die Superbike-WM fuhr 2016 erstmals seit 40 Jahren kein Amerikaner in der Königsklasse mit.

2021 kam mit Superbike-WM-Pilot Garrett Gerloff bei der Dutch TT in Assen auf der Petronas-Yamaha anstelle des verletzten Franco Morbidelli zumindest einmal ein Amerikaner zum Einsatz.

Die Liste der US-Sieger in der Königsklasse: Lawson 31 Siege, Schwantz 25, Rainey 24, Roberts senior 22, Mamola 13, Roberts junior 8, Hayden 3, Hennen 3, Spies 1.

Während 2013 noch drei US-GP stattfanden, wurde für 2016 (nach Laguna Seca) auch Indianapolis vom Kalender gestrichen. Nur Austin/Texas blieb im Kalender.

Kein großer Andrang in den Nachwuchsklassen

In der seit 2012 existierenden Moto3-250-ccm-WM-Klasse ist überhaupt erst ein Amerikaner mitgefahren. Denn in Silverstone mischte der 19-jährige Amerikaner Brandon Paasch als Wildcard-Pilot mit einer KTM des Teams FPW Racing mit.

In der Moto2-WM ruhten die Hoffnungen 2014 auf US-Superbike-Champion Josh Herrin, der jedoch im Caterham-Team auf der Suter schwer enttäuschte und noch vor dem Saisonende entlassen wurde.

Vor Herrin gab es nur einen Amerikaner, der als Stammfahrer an der Moto2-WM teilnahm: Kenny Noyes mischte 2010 und 2011 mit und brachte es im ersten Jahr sogar zu einer Pole-Position in Le Mans.

Aber: Der 2015 beim CEV-Rennen in Aragón schwer gestürzte Noyes lebt seit seiner Kindheit in Spanien und gilt eher als Spanier.

Das beste Moto2-WM-Rennergebnis von Noyes war Platz 5 beim WM-Finale 2011 in Valencia. Noyes hat es immerhin auf 34 Starts in der Moto2-WM gebracht.

Die mittlere Hubraumklasse (250 ccm/Moto2) war nie ein übermächtiges Spielfeld für die US-Amerikaner. John Kocinski hat neun GP-Siege errungen, Freddie Spencer 7, Kenny Roberts senior 2 und Jim Filice 1. Joe Roberts steuerte nun auch einen GP-Sieg bei.

Bisher haben erst zwei amerikanische Fahrer den Mittelgewichts-WM-Titel gewonnen: Freddie Spencer auf Honda 1985, John Kocinski auf Yamaha 1990.

Einer der ganzen großen US-Helden will jetzt der Dorna helfen, amerikanischen Nachwuchs nach Europa zu bringen. Wayne Rainey ist seit 2015 Promoter der US-Serie «Moto America».

Seither galt Cameron Beaubier als Kandidat für einen GP-Vertrag, aber es klappte erst für die Moto2-Saison 2021, als Nachfolger von Joe Roberts bei American Racing.

Der fünffache US-Superbike-Champion versuchte sich in der Moto2-WM zwei Jahre lang, beim Heim-GP in Austin eroberte er im Vorjahr immerhin eine Pole-Position, Podestplatz gelang ihm aber keiner. In Le Mans war er als Vierter nahe dran, am Ende fehlten ihm aber 0,117 sec auf das Podium. Nach der Saison 2022 kehrte er dem MotoGP-Paddock erneut den Rücken zu, inzwischen ist er 30 Jahre alt.

Zur Erinnerung: Beaubier bestritt 2007 und 2008 den Red Bull Rookies-Cup und verdiente sich damals einen Werksvertrag im Red-Bull KTM-125-Team für 2009, ehe er mangels GP-Erfolgen in die US-Meisterschaft zurückkehrte.

Erhalten blieb dem American Racing Team Sean Dylan Kelly, er hatte 2016 bis 2018 den Red Bull Rookies Cup durchlaufen. 2023 bestreitet der 20-Jährige seine zweite volle Moto2-Saison. Im Vorjahr landete er mit 5,5 Punkten auf WM-Rang 29.

Sein neuer Teamkollege ist auch kein Amerikaner mehr, das American Racing Team verpflichtete den Schotten Rory Skinner.

«Es gibt keinen großen Andrang aus Amerika», hält Rookies-Cup-Manager Peter Clifford fest. «Die jungen Fahrer haben in den USA wenig Möglichkeiten. Es fehlt an Pocket-Bike-Racing, es gibt keine Kategorien wie PreGP. Es ist dasselbe Problem wie in vielen anderen Ländern. Mit JD Beach im Jahr 2008 und Jake Gagne 2010 hatten wir aber schon zwei amerikanische Gesamtsieger.» Aber für eine GP-Karriere hat es bei beiden Talenten nicht gereicht.

Immerhin: Mit Alexander Enriquez ist für 2023 wieder ein US-Amerikaner im Red Bull MotoGP Rookies Cup eingeschreiben.

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