KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

WM-Leader Tony Arbolino: «Ich habe keine Zweifel»

Von Nora Lantschner
Tony Arbolino (Kalex) spricht im Interview offen und ausführlich über das Mindset eines Rennfahrers und Moto2-Titelanwärters und erklärt, welche Rolle sein Elf Marc VDS Racing Team dabei spielt.

«Ich habe schon gemerkt, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse der Fans größer sind», schickte Tony Arbolino beim Treffen mit SPEEDWEEK.com voraus.

Immerhin führt der 22-jährige Italiener, Moto3-Vizeweltmeister von 2020 und mittlerweile achtfacher GP-Sieger (dreimal in der Moto3, fünfmal in der Moto2), die WM-Tabelle dank sechs Podestplätzen aus acht Rennen – und Siegen in Las Termas und Le Mans – acht Punkte vor Ajo-Supertalent Pedro Acosta an.

Tony, wie erlebst du diesen Moment als WM-Leader?

Meine Situation war nie besser als jetzt, an dem Punkt, an dem wir jetzt stehen – in den jüngsten zwölf Rennen war ich neun Mal auf dem Podest. Ich habe keinerlei Zweifel, wenn ich am Donnerstag ins Fahrerlager komme. Ich bin immer sehr entspannt. Wenn ich es mit einem Wort sagen müsste, wäre es Ruhe – oder Gelassenheit. Und das passt gut so.

Von außen gewinnt man manchmal aber auch den Eindruck, dass du es unbedingt willst und deshalb auch immer noch mehr tun möchtest…

Es hängt von der Situation ab. Wenn ich das erreichen kann, was ich will, kann es sein, dass ich auch so bin. Mein Standard, in meinem normalen Leben, ist aber sehr entspannt. Ich verspüre keinen Druck, keinerlei Probleme, keinen Zweifel… Denn Zweifel können dich manchmal nervös machen. Ich habe aber keine Zweifel. Ich spüre, dass ich im Flow bin – in der bestmöglichen Position, in der ich sein kann.

Was hat sich verändert, um in diese Position zu kommen? Im Vorjahr hattest du mit den ersten Moto2-Siegen bereits einen Schritt gemacht, aber die Beständigkeit war noch nicht so vorhanden. Jetzt ist der Fortschritt ganz offensichtlich größer.

Das Gefühl zum Motorrad hat sich ein bisschen verändert und ich muss sagen, dass mir das sehr geholfen hat, um in diese Position zu kommen, in der ich mich jetzt befinde. Die Mannschaft ist Teil dieser Arbeit, sie unterstützen mich in jedem einzelnen Moment des Tages und des Wochenendes. Ich weiß, dass in jedem Moment eine Mannschaft hinter mir steht, die mir hilft und mich in jedem Bereich unterstützt.

Dieses gute Feeling mit dem Team zu haben, ist sehr wichtig. Wir haben ein sehr schönes Verhältnis, wir lachen den ganzen Tag. Wenn es ein Problem gibt, gehen wir es mit Gelassenheit an. Wenn wir uns den Kopf zehn Minuten länger zerbrechen müssen, tun wir das auch. Es ist diese Form der Professionalität, aber immer in Verbindung mit dem Spaß. Wir versuchen alles zusammenzufügen, um ein schönes Paket zu schnüren.

Das spüre ich jetzt und das war aus meiner Sicht der Grund für die Veränderung – diese Gelassenheit im Team, der Wille und die Überzeugung, gut dabei sein zu können, hat uns in diese Position gebracht.

Wann hast du für dich diese Überzeugung erlangt? Obwohl du im Vorjahr ein starkes Saisonfinale mit zwei Siegen aus vier Rennen hingelegt hattest, wurdest du im Winter nicht unbedingt zum engsten Favoritenkreis gezählt. Die Rede war eher von Acosta, Ogura und Lopez.

In meinem Kopf habe ich immer die Einstellung, dass keiner besser ist als ich – im Winter und auch schon in den letzten Rennen des Vorjahres war das immer die Mentalität.

Diese Einstellung muss ein Rennfahrer auf diesem Level wahrscheinlich auch haben.

Genau. Und das hat mich an den Punkt gebracht, viele gute Rennen hintereinander zu zeigen. Ich muss aber auch sagen, dass ich es bevorzuge, wenn die Leute es erst so sehen – und dann ihre Meinung ändern müssen. (Er grinst.)

Du fühlst dich wohl in der Rolle des Underdogs, der überrascht?

Ja, mir gefällt es zu überraschen und den Leuten zu zeigen, was ich leisten kann. Ich mag es nicht, öffentlich zu sagen: «Morgen werde ich gewinnen.» Ich zeige lieber, dass ich es auch tue.

In Mugello zum Beispiel gelang nach einem mühsamen Wochenende noch der Sprung auf das Podest, Platz 7 in Assen war dann immerhin noch Schadensbegrenzung.

Das hat auch mit der Arbeit des Teams zu tun. Unser Motorrad ist generell ein Motorrad, das im Rennen gut funktioniert – auf vielen unterschiedlichen Strecken und nicht auf einer bestimmten Piste. Deshalb haben wir so ziemlich immer ein gutes Motorrad – manchmal ist es nicht perfekt, aber oft ist es sehr gut. Und das ist sehr gut, um ein gutes Ergebnis zu holen.

Manchmal fehlt mir etwas das Vertrauen, um die eine schnelle Runde zu fahren. Das fehlt mir ein wenig, aber ich glaube, dass es noch kommen wird. Jedes Rennen ist anders, wir gehen es Rennen für Rennen an und das ist auch gut so.

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