Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Die beeindruckenden Zahlen der Kalex-Dominanz

Von Günther Wiesinger
Mit dem Wechsel von Lukas Tulovic in die MotoE-Klasse fehlt 2024 zwar ein deutscher GP-Stammfahrer, mit Kalex engineering ist in der Moto2-WM aber ein Hersteller aus Deutschland seit zehn Jahren das Maß der Dinge.

Kalex engineering aus Bobingen gewann seit 2013 elf Konstrukteurs-Titel hintereinander, mit Pedro Acosta stellte Kalex den mittlerweile zwölften Weltmeister seit Stefan Bradl 2011. In den Moto2-Saisons 2016, 2020 und 2021 blieb Kalex sogar ungeschlagen.

In den vergangenen zwei Jahren verhinderten die Boscoscuro-Piloten die totale Dominanz: Alonso López war 2022 in Misano und Australien siegreich, Fermín Aldeguer gewann 2023 nach der Sommerpause fünf Mal, darunter die letzten vier Rennen in Serie.

Den Titel machten sich aber die Kalex-Piloten Tony Arbolino (Elf Marc VDS) und Pedro Acosta (Red Bull KTM Ajo) aus – mit der klar besseren zweiten Saisonhälfte und somit dem besseren Ende für den Spanier. Die elfte Konstrukteurs-Krone in Serie war für den deutschen Hersteller mit 15 Saisonsiegen (7x Acosta, 3x Arbolino, 2x Dixon, 1x Lowes, 1x Vietti, 1x Chantra) nur eine Frage der Zeit.

Kalex erlebte 2016 die erste Moto2-Saison ohne GP-Niederlage, bekam 2017 mit dem KTM-Werk aber einen mächtigen neuen Gegner. Beim GP von Deutschland 2017 geriet Kalex engineering erstmals knapp an den Rand einer Niederlage: Red Bull KTM-Pilot Miguel Oliveira wurde von Franco Morbidelli nur um 0,066 sec besiegt. Seit dem Texas-GP im April 2015 war Kalex damals in der Moto2-WM ungeschlagen.

Die Siegesserie schien dann in Misano 2017 nach 46 Kalex-Siegen in Serie gerissen zu sein. Denn Dominique Aegerter gewann an der Adria im Regen auf der Suter MMX2 vor Tom Lüthi (Kalex). Aber Aegerter wurde später wegen eines unerlaubten Ölzusatzes disqualifiziert, Lüthi auf Kalex zum Misano-Sieger erklärt.

Kalex gewann dann auch in Aragón und Motegi, ehe Miguel Oliveira in Phillip Island 2017 den ersten von drei Grand Prix hintereinander für KTM gewann und so die seit April 2015 andauernde Siegesserie von Kalex unterbrach.

2018 dominierte Kalex, wieder wurde die Mehrheit der Rennen gewonnen. Kalex siegte bei elf von 18 WM-Rennen, KTM gewann mit Oliveira und Binder je dreimal, Speed-up mit Fabio Quartararo einmal. Die WM spitzte sich auf ein Duell Bagnaia/Kalex gegen Oliveira/KTM zu. Der Italiener wurde Weltmeister – mit 9 Punkten Vorsprung auf den Portugiesen.

2019 triumphierte Kalex mit Weltmeister Alex Márquez (5 Siege), Baldassarri (3), Augusto Férnandez (3), Marini (2) und Lüthi (1) 14 Mal. KTM räumte fünf Siege mit Brad Binder ab – Spielberg, Aragón, Phillip Island, Sepang und Valencia.

Insgesamt hat KTM 14 Moto2-GP-Siege errungen. Trotzdem zogen sich die Oberösterreicher nach der Saison 2020 als Chassis-Hersteller wieder aus der Moto2-Klasse zurück.

Insgesamt 176 Moto2-GP-Siege wurden von den Kalex-Piloten seit 2010 bereits eingefahren. Während mit KTM von 2017 bis 2019 starke Konkurrenz heranwuchs, stellte Suter Industries schon 2017 mit zwei Teams und vier Piloten (Aegerter und Mackenzie bei Kiefer, Schrötter und Cortese bei Intact) keine große Bedrohung mehr dar.

Suter ging 2018 mit Forward unter und zog sich nachher ganz aus der WM zurück. Auch das Tech3-Team zog sein Eigenbau-Motorrad zurück, wechselte 2019 zu KTM und 2020 in die Moto3-Klasse. Der japanische Hersteller NTS zog nach 2021 den Stecker, absolvierte 2023 aber immerhin einen Wildcard-Auftritt mit Héctor Garzó in Valencia. Forward Racing brachte 2019 zumindest den Namen der Edelmarke MV Agusta wieder in die Motorrad-WM, die Erfolge bleiben jedoch aus. Seit dieser Saison tritt Forward als eigenes Fabrikat an.

Viele namhafte deutsche Motorradhersteller (DKW, Maico, Kreidler, MZ, Zündapp, Kramer, Simson, Münch und so weiter) sind längst untergegangen, doch Kalex eilt in der Moto2-WM seit Jahren von Sieg zu Sieg. 22 von 27 WM-Stammpiloten vertrauten in der Saison 2016 auf das deutsche Fabrikat. 2018 sah es nicht viel anders aus: 19 von 30 Fixstarter saßen auf Kalex-Maschinen. 2019 waren 17 von 30 Fixstartern auf Kalex unterwegs, 2021 waren es 22 von 30, 2022 sogar 24 von 28, 2023 waren es 26 von 30 Stammfahrern.

2024 beliefert Boscoscuro neben der hauseigenen Speed-up-Mannschaft auch das neue Moto2-Team von MT Helmets-MSi mit Sergio Garcia und Ai Ogura. Kalex stellt mit 24 von 30 Bikes im Feld aber weiter die klare Mehrheit.

Regelmäßige Titelgewinne und Jubiläumssiege

Der deutsche Motorradhersteller Kalex engineering aus Bobingen beteiligt sich seit 2010 an der Moto2-Weltmeisterschaft. Das Unternehmen von Alex Baumgärtel (sein Vorname trägt vier Buchstaben zum Firmennamen bei) und Partner Klaus Hirsekorn (er steuert das K von Kalex bei) hat erstmals 2011 mit Stefan Bradl im Viessmann-Kiefer-Team die Fahrer-WM gewonnen, danach 2013 mit Pol Espargaró, 2014 mit Tito Rabat, 2015 und 2016 mit Johann Zarco, 2017 mit Morbidelli, 2018 mit Bagnaia und 2019 mit Alex Márquez. 2020 sicherte sich Enea Bastianini den Titel, 2021 gewann Remy Gardner die Meisterschaft. 2022 holte sich Augusto Fernández den Titel und 2023 sein neuer GASGAS-Tech3-Teamkollege Pedro Acosta.

Am 18. Oktober 2015 feierte Kalex auf Phillip Island ein denkwürdiges Jubiläum: 50. Moto2-GP-Sieg dank Alex Rins. In Assen 2016 gab es bereits den 60. GP-Triumph zu bejubeln – dank Nakagami.

Beim Valencia-Finale im November 2016 jubelte Kalex über den 70. Moto2-Triumph, es war der 34. hintereinander.

In Brünn wurde am 6. August 2017 bereits der 80. GP-Erfolg errungen. Den 90. Kalex-Moto2-Sieg stellte 2018 Pecco Bagnaia in Le Mans sicher. 2019 in Katar feierte Kalex bereits den 100. Moto2-GP-Sieg.

Nach dem Japan-GP 2017 blickte Kalex auf 49 Moto2-WM-Laufsiege hintereinander, das hat noch kein Fabrikat seit 1949 geschafft.

Die Gegner verzweifeln: Kalex gewann die Marken-WM 2021 mit 450 Punkten haushoch überlegen vor Speed-up (199), MV Agusta (19) und NTS (11).  Auch 2022 wurde die Dominanz des deutschen Herstellers deutlich, indem Kalex mit 477,5 Punkten vor Boscoscuro (200,5) und MV Agusta (4) siegte. 2023 gewann Kalex mit 462,5 Punkten erneut klar vor Boscoscuro (286) und Forward (4).

Unglaublich: Von den Top-15-Fahrern in der finalen Moto2-WM-Tabelle 2016 saßen nicht weniger als 14 Piloten auf Kalex-Maschinen. Als bester Nicht-Kalex-Fahrer klassierte sich damals Simone Corsi auf Speed-up als WM-Zehnter.

Auch 2019 setzte sich die Vorherrschaft fort: Luca Marini sorgte in Motegi für den 110. Sieg. In der Marken-WM hängte Kalex (442 Punkte) die Konkurrenz von KTM (281) und Speed up (259) einmal mehr ab. Beim GP von Frankreich gewann Kalex zum 150. Mal, dabei saßen die Top-15 alle auf Kalex-Motorrädern.

Deutlicher lassen sich die Vorzüge und die drückende Überlegenheit deutscher Ingenieurskunst nicht zur Schau stellen.

Schon die Moto2-WM-Saison 2014 war überaus erfolgreich für Kalex. Erstmals fuhren damals die Top-3-Piloten der WM-Gesamtwertung auf dem deutschen Fabrikat. Es wurden 14 Saisonsiege errungen in 18 Rennen, einer mehr als 2013, als 17 Wettbewerbe stattfanden. Nur vier Moto2-GP-Siege 2014 gingen an die Kalex-Rivalen Suter (Lüthi 2x, Aegerter 1x) sowie Speed-up (West 1x).

Die Dominanz in der Saison 2015 fiel noch deutlicher aus: Kalex gewann 17 von 18 Rennen, nur der Triumph von Sam Lowes auf Speed up in Texas fiel buchstäblich aus dem Rahmen und vereitelte die totale Vorherrschaft.

Aber: Von 54 möglichen Podestplätzen 2015 hat Kalex 49 errungen! Nur Sam Lowes (ein Sieg, einmal Zweiter, dreimal Dritter) betätigte sich fünfmal als Kalex-Störenfried.

Die Bilanz in der Saison 2016 sah ähnlich aus: Von den 54 Podestplätzen hat Kalex nicht weniger als 51 sichergestellt! Corsi besorgte zwei für Speed-up, Julián Simón einen. 2017 pfuschte nur Oliveira (KTM) ins Kalex-Handwerk – von 27 möglichen Podestplätze eroberte Kalex bisher 23, KTM mit Oliveira vier.

Nicht nur Moto2

Auch in der Moto3-WM hat Kalex Erfolge vorzuweisen: Der 2016 in Montmeló tödlich verunglückte Luis Salom gewann 2012 zwei WM-Rennen auf der Kalex-KTM, Jonas Folger eines. Aus der Moto3-WM zog sich Kalex Ende 2014 zwangsweise zurück, weil KTM keine Motoren mehr lieferte, sondern alle Fahrer mit den hauseigenen Gitterrohrstahlrahmen ausrüstete und keine anderen Chassis mehr homologierte.

Die MotoGP-Bemühungen von Kalex wurden im Sommer 2014 vorerst ad acta gelegt. Die Moto2-Teams von Marc VDS und Sito Pons hatten überlegt, für 2015 Yamaha-M1-Motoren in Kalex-Chassis zu stecken. Immerhin baute Kalex dann bis 2019 die Alu-Schwingen für die MotoGP-KTM RC16.

Nachdem das Repsol Honda Team bereits 2022 die Kalex-Schwingen getestet hatte, bahnte sich für 2023 eine kleine Sensation an. Denn Marc Márquez und Joan Mir setzten für ihre RC213V zumindest zeitweise auf ein Kalex-Chassis, das ihnen aus der Honda-Miesere helfen sollte. Auch in der Superbike-WM ist Kalex mit Hinterradschwingen vertreten.

Für die drei Moto3-GP-Siege von Kalex im Jahr 2012 sorgten Luis Salom auf Kalex-KTM in Indianapolis und Aragón sowie Jonas Folger auf Kalex-KTM in Brünn.

Bisher 176 Moto2-GP-Siege von Kalex:

2023: 15
2022: 18
2021: 18
2020: 15
2019: 14
2018: 11
2017: 15
2016: 18
2015: 17
2014: 14
2013: 13
2012: 4
2011: 4

Die elf Moto2-Marken-WM-Titel von Kalex

2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013

Die zwölf Fahrer-Weltmeister auf Kalex

2023: Pedro Acosta
2022: Augusto Fernández
2021: Remy Gardner
2020: Enea Bastianini
2019: Alex Márquez
2018: Pecco Bagnaia
2017: Franco Morbidelli
2016: Johann Zarco
2015: Johann Zarco
2014: Tito Rabat
2013: Pol Espargaró
2011: Stefan Bradl

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