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Mahindra: Gehschule für Bagnaia, Martin, «Bez» & Co.

Von Günther Wiesinger
Beim Indien-GP vor zwei Wochen kamen Erinnerungen an das indische Moto3-Werksteam Mahindra auf. Unglaublich: Die Top-4 der aktuellen MotoGP-WM starteten auf Mahindra!

Der indische Mischkonzern mit 190.000 Beschäftigten ist 2011 mit Maschinen von Engines Engineering in die 125-ccm-Zweitakt-WM eingestiegen. Diese Bude hatte vorher schon für Loncin und Malaguti 125-ccm-Rennmaschinen gebaut, die nie konkurrenfähig waren, eher schwachbrüstig und langsam. Später wurde diese italienische Firma mit 50 Mitarbeitern von Mahindra trotzdem aufgekauft.

Mahindra beteiligte sich auch mit 51 Prozent am Scooter-Hersteller Peugeot Motocycles und ließ dann bei Suter Racing in der Schweiz für 2013 eine 250-ccm-Moto3-Einzylinder-Viertakt-Maschine bauen, nachdem sich das Motorrad von Engines Engineering 2012 als heftiger Flop erwiesen hatte. Marcel Schrötter kann dazu genug erzählen, er lief im Juli frustriert davon. Manchmal lief das Motoröl schon beim Aufwärmen des Triebwerks im Paddock aus.

Mahindra Racing betrieb bis Ende 2015 ein eigenes Werksteam, übertrug es aber dann für drei Jahre Jorge Martinez. Suter baute dann auch die Maschinen für 2016, am 31. März 2016 endete der Entwicklungsauftrag. Mufaddal Choonia, schwergewichtiger CEO von Mahindra Racing, installierte in Italien dann lieber seine eigene Rennabteilung. Die Moto3 betrachtete er nur als Einstiegsübung. Er träumte von der Moto2-WM und sogar von einem MotoGP-Werksteam.

Mahindra und Peugeot feierten 2016 mit den baugleichen MGP3O-Maschinen drei GP-Siege – zwei mit Pecco Bagnaia, einen mit John McPhee. Pecco Bagnaia gewann in Assen und Sepang auf der Mahindra, John McPhee im Regen von Brünn auf der Peugeot.

MotoGP-Weltmeistrer Bagnaia mühte sich in der Moto3 schon 2015 mit der Mahindra ab, beendete die WM mit 76 Punkten auf Platz 14. Ein Jahr später gelang ihm auf Grund seines überragenden Fahrkönnens der Durchbruch, als er in Assen als krasser Aussenseiter und trotz klaren PS-Mangels gewann. Dank zwei Siegen und vier weiterer Podestplätze sicherte sich der aufstrebende Italiener den vierten WM-Rang. 

Der aktuelle MotoGP-WM-Zweite Jorge Martin, nur drei Punkte hinter Leader Bagnaia, blickt ebenfalls auf beachtliche Erfolge mit Mahindra zurück. Ein Beweis für sein aussergewöhnliches Talent. Der «Martinator» trast 2015 und 2016 im Mahindra-Werksteam von Aspar Martinez an, und schaffte damals die WM-Ränge 17 und 16 mit 45 und 72 Punkten. Immerhin gelang ihm in Brünn 2016 der zweite Platz; das war ein deutlicher Hinweis für eine glorreiche Zukunft als Rennfahrer. Aber erst bei Gresini-Honda ging es für Jorge Martin richtig steil bergauf: Nach dem vierten WM-Rang 2017 gewann er die WM im Jahr 2018.

Auch der MotoGP-WM-Vierte Brad Binder steuerte im Team von Fiorenzo Caponera eine Mahindra. Dieser Rennstall begann die Saison 2013 auf einer Suter-Honda und wechselte dann zu Mahindra, weil auch dieses Bike anfangs bei Suter Industries in Turbenthal/Schweiz gebaut wurde. Marco Bezzecchi setzte 2017 eine müde Mahindra ein, kam aber in der WM über den 23. WM-Rang mit 20 Punkten nicht hinaus. 2018 erhielt er bei PrüstelGP eine KTM, feierte seine ersten zwei GP-Siege, kämpfte um den Titel – und wurde mit 214 Punkten WM-Dritter.

Moto3: Mahindra-Kundenteams liefen davon

Aber besonders die Kundenteams waren mit Mahindra nach der Übersiedlung der Rennabteilung nach Italien unzufrieden, sie liefen in Scharen davon. Denn der neue Technical Director Davide Borghesi produzierte in seinem neuen «Kompetenzzentrum» in Besozzo/Italien einen Flop nach dem andern. Zum Beispiel entpuppte sich beim Mugello-GP 2017 die neue Airbox als Reinfall.

Das neue Getriebe wurde 2016 bei Nova in England in Auftrag gegeben – und dann als eigene Errungenschaft angepriesen. So schlagkräftig wie in der Suter-Ära wurde Mahindra unter Borghesi-Regie nie mehr.

Für 2017 konnten Mahindra und Peugeot mit der MGP3O-Maschine nur dank des guten Willens und der Zustimmung von Honda und KTM in der Moto3-WM bleiben, denn es gab nur die zwei Werksteams und ein Kundenteam, insgesamt also sechs Fahrer, es sollten aber laut Reglement zehn bis zwölf sein.

Mufaddal Choonia posaunte noch im Februar 2017 aus, man werde in diesem Jahr mehr Siege feiern als im Vorjahr. Dieser Plan ging freilich knapp daneben.

Während Mahindra 2016 noch 211 Punkte eingesammelt hatte, waren es 2017 insgesamt nur noch 43. Bei den ersten acht Rennen kam 2017 keines der sechs Motorräder in die Top-Ten. Die bedauernswerten Fahrer von Mahindra und Peugeot lagen in der WM-Tabelle auf den Rängen 22 (Kornfeil), 23 (Bezzecchi), 26 (Arenas), 28 (Dalla Porta) und 29 (Pagliani); der Finne Pulkkinen (Peugeot MC Saxoprint-Team) hatte gar nicht gepunktet.

Nach dem Rückzug von Mahindra blieben in der Moto3-WM nur Honda und KTM übrig. 2020 kehrte die KTM-Zweitmarke Husqvarna (schon 2014 und 2015 dabei) mit dem Max Racing Team zurück.

Der überforderte Technical Direktor Davide Borghesi hatte bei der Weiterentwicklung offenbar den Rückwärtsgang eingelegt. Sein angebliches Kompetenz-Zentrum in Besozzo erwies sich als gehöriger Reinfall. «Bei Mahindra hat sich seit 2014 am Motorrad nicht viel geändert», jammerte ein Leidtragender in der Saison 2017.

Borghesi rühmte sich gern seiner Vergangenheit als Techniker beim erfolgreichen Aprilia-Werk. «Dort hatte er aber mit dem GP-Sport nichts zu tun. Wir haben ihn in eine Ecke von Reparto Corse verbannt und ihm das Supermoto-Zeug überlassen», erzählte Ex-Aprilia-Rennmanager Carlo Pernat.

Das deutsche Peugeot MC Saxoprint-Team (daraus entstand PrüstelGP) musste sich nach 2017 nach neuem Material umsehen und für den Wechsel zu KTM tief in die Tasche greifen, denn bis dahin lieferte Peugeot die Bikes für beide Fahrer kostenlos. Dadurch sparte die Firma PrüstelGP rund 350.000 Euro pro Jahr.

Auch das Pull & Bear-Aspar-Team von Jorge «Aspar» Martinez wechselte nach dieser jämmerlichen Saison für 2018 mit dem Moto3-Team zu KTM – und gewann mit Albert Arenas die WM 2020 und mit Izan Guevera auf einer GASGAS der Pierer-Gruppe die WM 2022.

CIP-Mahindra-Teamchef Alain Bronec bekam das Material für 2017 kostenlos und dazu noch den talentierten Marco Bezzecchi als Fahrer mitgeliefert. Er schaffte aber nur den 23. WM-Rang. Der französische Teamchef besorgte sich für 2018 KTM-Bikes. Und Bezzecchi gewann 2018 bei PrüstelGP auf KTM drei Grand Prix – und kämpfte gegen Jorge Martin um den WM-Titel.

Die Mahindra Group, die damals 19 Milliarden US-Dollar im Jahr umsetzte, ist dank Ahnungs- und Planlosigkeit und einer Reihe von Fehlentscheidungen im GP-Sport letztlich grandios gescheitert.

Immerhin: Mahindra bleibt der erste indische Zweirad-Hersteller, der einen Grand Prix-Sieg errungen hat. Auch wenn die Motorräder Indien nie gesehen haben. Mahindra hat insgesamt 13 Moto3-Podestplätze und zwei GP-Siege errungen und in Misano 2016 den 100. GP-Start zelebriert.

Mahindra kümmert sich inzwischen um Wettbewerbe bei Elektro-Rennen.

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