Formel 1: Startplatzstrafe in Imola

Peter Öttl: «Die Funktionäre haben komplett versagt»

Von Günther Wiesinger
Nicht nachvollziehbare Entscheidungen der FIM-Stewards prägen das GP-Geschehen 2023 seit dem Auftakt in Portimão. Der umstrittene Titelgewinn von Jaume Masià in Katar bildet den unrühmlichen Höhepunkt des Versagens.

Peter Öttl ist seit 2016 der Besitzer eines Moto3-GP-Teams, das zuerst drei Jahre für seinen Sohn Phillip geführt wurde und nach 2018 (Phillip ging in die Moto2-WM zu Red Bull KTM Tech3 als Teamkollege von Marco) gemeinsam mit Biaggi neu als Max Racing Team betrieben wurde. 2019 noch mit KTM, Arón Canet wurde mit drei Saisonsiegen Vizeweltmeister, seither mit Husqvarna, ab 2020 mit jeweils zwei Fahrern.

Die Zweckgemeinschaft von Öttl und Biaggi, einer brachte den Teamplatz und die Connection zur Pierer-Gruppe mit, der andere Sponsoren wie Sterilgarda, hat seit dem Beginn des Joint Ventures 2019 in jedem der vier Jahre Moto3-Rennen gewonnen, 2019 Canet auf KTM, nachher 2020 mit Fenati in Misano, 2021 mit Fenati in Silverstone, 2022 mit dem WM-Vierten Ayumu Sasaki in Spielberg und mit McPhee (vor Sasaki in Sepang) auf Husqvarna. Nach 2022 kam es zur Trennung von Biaggi, Öttl vereinbarte ein Joint Venture mit dem Liqui Moly Moto2-Team und brachte die Husqvarna-Partnerschaft dort auch in die Moto2-Klasse. 2023 debütierte das neu aufgestellte Husqvarna Moto3 Factory Team mit Sasaki und Rookie Collin Veijer in der neuen Konstellation und feierte in Sepang neuerlich einen Doppelsieg – Veijer triumphierte vor Titelanwärter Sasaki.

«Es war immer mein Ziel, dass ich mit Sasaki und Husqvarna bis zum Finale in Valencia um den WM-Titel fahre», stellte Teambesitzer Peter Öttl im Interview mit SPEEDWEEK.com fest. «Das wollten wir in Katar erreichen. Die Art und Weise, wie uns dieses Vorhaben in Doha genommen wurde und wie die Titelentscheidung am Sonntag gefallen ist, stimmt mich traurig. Es ist traurig, das uns der Titelkampf auf diese Art genommen wurde.»

«Ich bin überzeugt, bei einem fairen Rennverlauf hätten wir in Valencia jetzt noch eine realistische Chance gehabt, um den WM-Titel zu fahren», ergänzte Peter Öttl. «Wenn so eine Entscheidung im letzten Rennen passiert, bei dem man wirklich um alles kämpfen und alles geben muss, ist das absolut akzeptabel. Aber die Art und Weise, wie es in Katar passiert ist, halte ich für inakzeptabel. Ja, das ist meine Meinung dazu.»

Öttl weiter: «Man muss eigentlich noch erwähnen, dass die Rennleitung oder die Stewards total versagt haben. Wenn man bedenkt, wie Sasaki 2022 in Argentinien für eine Kleinigkeit bestraft wurde, was ihm im Endeffekt dann eine Top-Platzierung in der WM gekostet hat, und wenn man sieht, was Masià in Katar gemacht hat, wo erst beim zweiten Vorfall eine Verwarnung ausgesprochen wurde, dann verliere ich das ganze Vertrauen in die Arbeit der Race Direction. Wie sein Teamkollege Adrián Fernández dann noch eingegriffen hat, das war alles andere als fair. Ich habe die Race Direction im Vorfeld zum Katar-GP mit mehreren E-Mails darauf hingewiesen, dass das Verhalten von Fernández absolut inakzeptabel ist und er im Endeffekt nur dazu da war, um Sasaki während der Trainings zu stören und ihm nachzufahren. Aber die Funktionäre haben trotz mehrerer Aufforderungen von meiner Seite vor dem Katar-GP nichts gemacht. Und dann haben sie in Lusail während des Rennens komplett versagt.»

Denn die Gemengelage war von vornherein brisant. Adrián Fernandez, der jüngere Bruder von Raúl, war nämlich 2021 noch in Öttls Husky-Moto3-Team engagiert. 2022 kam es dann in Aragón zu Handgreiflichkeiten, weil der Spanier (2022 bei Red Bull KTM Tech3 unter Vertrag) in den Moto3-Trainings dauernd hinter Sasaki herfuhr.

Zwei Mechaniker aus dem Max Racing Team spazierten deshalb am Samstag im Qualifying in Aragón Richtung Öttl-Box und hinderten Fernández mit einem Griff an die Vorderbremse am Wegfahren. Die beiden wurden für diesen Leichtsinn suspendiert.

Am Abend kam es zu einer Schlägerei zwischen Angehörigen des raubeinigen Fernández-Clans und einem Öttl-Mechaniker, der dann vom deutschen Teamchef ins Spital nach Alcaniz gebracht werden musste.

Der neue Weltmeister Masià räumte nach seinem Triumph am Sonntag ein, Adrián Fernández sei bei den Grands Prix in Sepang und Doha zur Beschattung von Sasaki abkommandiert worden. Der Japaner war dann durch zwei, drei umstrittenen «block passes» der Leopard-Fahrer eingeschüchtert und auf Platz 13 befördert worden.

Jetzt stellt sich die Frage: Hat Leopard Honda seinen Stammfahrer Tatsuki Suzuki im Herbst entlassen, um mit Adrián Fernández einen willfährigen Helfershelfer auf die Strecke schicken zu können, den eine abgrundtiefe Abneigung mit dem Öttl-Husky-Team und Sasaki verbindet?

Offiziell hatte Leopard den diesjährigen Argentinien-Sieger Suzuki freigestellt, weil sich der nächstjährige Liqui-Moly-Husky-Moto3-Pilot mit seinem neuen Team fotografieren ließ, was in den zwei kleinen Klassen eigentlich gang und gäbe ist.

Und FIM-Steward Freddie Spencer wird sich ein weiteres Mal den Vorwurf gefallen lassen müssen, er sei als ehemaliger Honda-Werksfahrer (in den USA sowie in der 250er- und 500er-WM) zu nachsichtig, wenn es um die Bestrafung eines Honda-Piloten geht.

Diese «mannschaftsdienliche» Fahrweise von Adrián Fernández ist bestenfalls im Radsport üblich, in dem Leopard ebenfalls engagiert ist, im Motorradsport hat sie nichts verloren, da gilt sie als unsauber.

«Die Moto3 ist keine Mannschaftssportart», erklärte Pierer-Mobility-Motorsport-Direktor Pit Beirer nach dem Sepang-GP im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Deshalb haben wir bei den Teams unserer drei Marken nie mit Anweisungen eingegriffen.»

So hatten Holgado (KTM), Deniz Öncü (KTM), Alonso (GASGAS) und Sasaki (Husqvarna) im November noch Titelchancen. 

Der fünffache GP-Sieger Peter Öttl (4 x 50 ccm, 1 x 125 ccm) weiß als Ex-Rennfahrer, wie man sich nach einem verlorenen Titelkampf fühlt. Er selbst war als Krauser-Werksfahrer in Brünn 1989 im 80-ccm-Titelkampf gegen Derbi-Werkspilot Manuel Herreros auf dem Weg zum WM-Gewinn, ehe er durch einen Sturz in der Schlussrunde drei Kurven vor der Ziellinie des Finallaufs aus seinen Träumen gerissen wurde.

Ergebnis Moto3-Rennen, Doha (19.11.):

1. Masià, Honda, 16 Rdn in 33:50,694 min
2. Alonso, GASGAS, + 0,068 sec
3. Deniz Öncü, KTM, + 0,163
4. Riccardo Rossi, Honda, + 0,285
5. Perez, KTM, + 1,553
6. Sasaki, Husqvarna, + 1,566
7. Bertelle, Honda, + 1,725
8. Toba, Honda, + 1,846
9. Holgado, KTM, + 1,943
10. Veijer, Husqvarna, + 2,019
11. Fenati, Honda, + 3,634
12. Muñoz, KTM, + 4,003
13. Kelso, CFMOTO, + 4,060
14. Furusato, Honda, + 4,166
15. Ortolá, KTM, + 4,228

Moto3-WM-Stand nach 19 von 20 Rennen:

1. Masià, 271 Punkte (Weltmeister). 2. Sasaki 243. 3. Alonso 225. 4. Holgado 212. 5. Öncü 212. 6. Ortolá 171. 7. Veijer 136. 8. Moreira 131. 9. Rueda 111. 10. Muñoz 106. 11. Toba 105. 12. Nepa 101. 13. R. Rossi 79. 14. Yamanaka 78. 15. Artigas 77. 16. Furusato 58. 17. Bertelle 57. 18. Kelso 52. 19. Suzuki 50. 20. Fenati 35. 21. Salvador 31. 22. Odgen 24. 23. Adrián Fernández 23. 24. Migno 17. 25. Perez 15. 26. Farioli 15. 27. Fellon 6. 28. Azman 5. 29. Carraro 5. 30. Whatley 4. 31. Aji 4.

Konstrukteurs-WM:

1. KTM, 378 Punkte (Weltmeister). 2. Honda 322. 3. Husqvarna 282. 4. GASGAS 250. 5. CFMOTO 104.

Team-WM:

1. Liqui Moly Husqvarna Intact GP, 379 Punkte. 2. Leopard Racing 344. 3. Red Bull KTM Ajo 323. 4. Gaviota GASGAS Aspar Team 303. 5. Angeluss MTA Team 272. 6. Red Bull KTM Tech3, 227. 7. SIC58 Squadra Corse 184. 8. MTHelmets-MSi 136. 9. CFMOTO Racing PrüstelGP 129. 10. BOE Motorsports 121. 11. Rivacold Snipers Team 97. 12. Honda Team Asia 62. 13. CIP Green Power 54. 14. Vision Track Racing Team 29.


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