Ezpeleta zur Moto3-Zukunft: 2028 mit neuen Prototypen
Mit über 300 000 Fans war der jüngst in Le Mans über die Showbühne gegangene Frankreich-GP ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Ereignis. Unumstrittenes Highlight: die Königsklasse der MotoGP. Die Dompteure der 300 PS starken Prototypen sind die größte Attraktion. Mehr Speed, mehr Lärm, mehr TV-Zeit: Marc Marquez, Pedro Acosta, Fabio Quartararo und Co. locken als Ambassadoren die Fans in Rekordmenge an die Rennstrecken.
Sie alle wurden nicht als MotoGP-Piloten geboren. Die Ausbildung fand für nahezu alle Fahrer über die sogenannte Road to MotoGP statt. Ambitionierte Kids können weltweit über verschiedene Einstiegsplattformen ihr Talent testen. Jüngstes Projekt neben dem Asian und Northern Talent Cup das soeben Nachwuchsformat der USA, der MotoAmerica Talent Cup.
Hinzukommen das europäische Talente-Format ETC sowie als höchste Stufen der Nachwuchsförderung der Red Bull Rookies Cup sowie die direkte Vorstufe der Moto3-Weltmeisterschaft, die Moto3-Junioren-WM. Wem es gelingt, sich hier in den Top 3 zu positionieren, dem winkt als realistische Option der Einstieg ins GP-Fahrerlager.
Das Spiel des Aufstiegs lässt sich fortführen, doch die Pyramide in Richtung MotoGP über die Moto2-WM wird immer steiler. Letztlich geht es darum, über eine möglichst breite Anlauframpe bestmögliche Förderung zu betreiben – aber auch einen Filter zu setzen. Mittelfristig gilt das Gerüst von maximal 22 MotoGP-Piloten als gesetzt.
Der Erfolg der MotoGP mit ihrem großen Unterbau beweist den hohen Ausbildungsstand der jungen Piloten. Doch der hat einen hohen Preis. Zu hoch, wie sich viele Beteiligte im GP-Fahrerlager einig sind. Alle Mannschaften in der kleinsten Hubraumkategorie operieren am Limit. Eine Moto3-Saison kostet ein Team nahezu das Gleiche wie ein Projekt in der Moto2-WM.
Hauptgrund: Wie in der MotoGP-Königsklasse kommen nur in der Moto3 reinrassige Prototypen zum Einsatz. Den Aufwand leisten sich seit Jahren nur Honda und KTM. Entsprechend gering ist die Unterstützung für die 13 Teams. Vollwertige Werksteams gibt es nicht, lediglich KTM-Ajo und Honda-Asia genießen den Status von Semi-Werksmannschaften. Alle anderen Strukturen kaufen nach regulärer Preisliste ein. Ist der Wagen gefüllt, kommen für ein rennfertiges Moto3-Bike weit über 100 000 Euro zustande.
Betrachtet man den hohen Wert der Ausbildung auf einem reinrassigen Motorrad, durchaus angemessen. Dennoch regt sich auch aus anderem Grund seit langem Widerstand gegen das bestehende System. Seit der Einführung der Moto2-WM mit Prototypen-Chassis und Einheitsmotor besteht eine deutliche Lücke zwischen den Moto3-Einzylindern und der Vorstufe zur MotoGP mit ihren 765 ccm großen Einheits-Dreizylindern der Marke Triumph. Die Umstellung fällt den Piloten schwerer. Die Klasse steht auf dem Prüfstand.
Die Aufgabenstellung an die Ausrichter der Motorrad-WM: Ohne die Exzellenz der Ausbildung der Fahrer zu gefährden, sollen die Moto3-Bikes erwachsener – und zugleich günstiger – werden. Im Rahmen der Herstellervereinigung MSMA wird hierzu bereits seit längerem diskutiert. Alle Parteien sind sich über den hohen Stellenwert der Nachwuchsförderung einig – doch zugleich kann und will keiner der heutigen Hersteller in die Offensive gehen. Der Löwenanteil aller Energien wird auf die Königsklasse gelenkt und die Entwicklung einer neuen technischen Formal würde zugleich einen immensen Entwicklungs- und damit Kostenaufwand bedeuten.
Auch vor dem Hintergrund, dass für die Saison 2027 alle Hersteller der MotoGP neue Renner mit nur noch 850 ccm entwickeln müssen, ist die Zukunft der Moto3 derzeit alles andere als oben auf den Agenden der GP-Manager angesiedelt.
Um sich ein genaueres Bild der Situation rund um die Moto3-WM zu machen, bat SPEEDWEEK.com um ein Gespräch mit Carlos Ezpeleta, der als sportlicher Direktor bei MotoGP-Rechteinhaber und Vermarkter Dorna Sports für alle Grand-Prix-Klassen zuständig ist. Der Sohn von CEO Carmelo Ezepeleta räumte zunächst ein: «Wir sind aktuell in einer Gesprächsphase. Wir reden mit allen Herstellern der MotoGP, um die Situation genauer zu verstehen – mit dem Ziel, ein Konzept zu erarbeiten, das genug Tragfähigkeit hat, um ab 2028 die jetzige Moto3 nach 15 Jahren zu ersetzen.»
Ezpeleta zur Ausgangslage: «Auch wenn die MotoGP im Fokus steht, wissen wir, wie wichtig es ist, einen funktionierenden Unterbau zu haben. Die Moto3 und Moto2 stellen einen riesigen Wert dar – sie bieten an den Wochenenden fantastische Rennen und bringen die Champions der Zukunft hervor. Wir sind stolz auf diese Pyramide und werden auch in Zukunft daran festhalten. Dorna geht es nicht nur darum, die MotoGP zu unterstützen, es geht um den gesamten Sport.»
«Wir dürfen aber auch nicht vergessen, wo die Moto3-Klasse herkommt. Die ursprüngliche Idee war es, mit bestehenden Motoren, z. B. aus 450er-Motocross-Bikes, eine günstige Basis zu schaffen, doch die Idee hat sich dann aufgrund des sehr intensiven Wettbewerbs zwischen den involvierten Herstellern zu einer reinrassigen Prototypenklasse mit entsprechenden Kosten entwickelt», ergänzt der Spanier.
Der sportliche Direktor sieht auch andere Faktoren: «Eine Rolle spielen auch Alter und Größe der Fahrer. Gedacht war die Klasse für 15-Jährige, doch wir haben ja das Einstiegslimit in der WM bereits auf 18 Jahre erhöht, die Jungs werden immer erwachsener, und auch darauf müssen wir reagieren.»
In der heutigen Moto3-Konstellation mit KTM und Honda im alleinigen Wettbewerb wird es nicht möglich sein, weitere Hersteller zu einem Einstieg zu bewegen, wie Ezpeleta bestätigt: «Honda und KTM haben die Latte sehr hoch gelegt, dazu kommt, dass wir ja festgeschrieben haben, dass jeder Hersteller mindestens über sechs Fahrer vertreten sein muss. Selbst wenn neue Hersteller kommen, müssen sich also bestehende Teams umorientieren – insgesamt ist das eine komplizierte Situation. Und wir müssen derzeit vor allem strategisch und langfristig denken.»
Was bedeutet, ab 2028 kommt es nicht zu einer Justierung, sondern zu einer kompletten Neuaufstellung des Formats.
Carlos Ezpeleta zur wichtigsten Vorgabe der zukünftigen Einstiegsklasse: «Fakt ist, diese Klasse wird auch in Zukunft die höheren Klassen bedienen und entsprechend müssen wir auch in der zukünftigen Moto3 den Charakter reinrassiger Rennmotorräder erhalten. Wir schließen nicht aus, dass bei den Antrieben mehr Seriennähe entstehen kann – derzeit ist noch sehr vieles offen – aber wir schließen den Einsatz von Serienmotorrädern aus.»
Wir fassen zusammen: Die jetzige Moto3-WM nähert sich ihrem Ende. Voraussichtlich Ende 2027 werden die kleinen 250er-Einzylinder-Prototypen ausrangiert. Gesucht wird ein Hersteller, oder im Sinne des Wettbewerbs besser mehrere, die in der Lage sind, ein waschechtes GP-Motorrad unterhalb der Moto2-Klasse zu positionieren und dabei die Kosten unter das aktuelle Moto3-Niveau zu drücken.
Viel Zeit bleibt nicht, denn 2025 ist weit und breit keine entsprechende technische Basis vorhanden. Soll die Hochklassigkeit der gesamten MotoGP auch langfristig sichergestellt werden, dann müssen sich die Hersteller der strategischen Bedeutung bewusstwerden – und investieren.