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Sachsenring-GP: Was läuft da alles schief?

Von Günther Wiesinger
Die SRM GmbH als Sachsenring-GP-Promoter steht finanziell weiter auf wackligen Beinen. Es fehlen tragfähige Konzepte, es wird einfach weitergewurstelt.

Manchmal wird man den Eindruck nicht los, der Bürgermeister von Gersdorf pflege einen sparsamen Umgang mit der Wahrheit.

?In den ersten Jahren als Geschäftsführer der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH und somit als Veranstalter des Motorrad-GP von Deutschland sprach Wolfgang Streubel dauernd von einer «schwarzen Null», also von einem kostendeckenden Wirtschaften bei der Austragung des GP von Deutschland.

?Naja, ich bin Gott sei Dank kein Politiker. Ich weiß nicht, wie im Bund, in Ländern und Gemeinden bilanziert wird. Aber dass man nicht von einer «schwarzen Null» reden kann, wenn die Veranstalter-Gesellschaft nach zwei Jahren mit 1,2 Millionen Euro an Verbindlichkeiten dasteht, das begreift ein Blinder mit dem Stock.

?Dazu kommt: Die SRM wird auch mit dem Geld der Steuerzahler gespeist und am Leben erhalten.

?Und jetzt hat Wolfgang Streubel die Vorzüge der Imagewerbung «So geht sächsisch», die sein Unternehmen ins Zwielicht brachte, als genialen Schachzug und beispielhaftes Marketing-Vehikel für den Freistaat dargestellt.

?Er tat gegenüber dem MDR so, als sei der Slogan dauernd live im Fernsehen zu sehen gewesen.

?In Wirklichkeit war er geschickt versteckt, außerhalb des Schwenkbereichs der Live-TV-Kameras.

Wahr ist deshalb viel mehr: Der Slogan, der vom Freistaat mit einem jährlichen Gesamtbudget von 4 Millionen Euro verbreitet wurde, förderte nicht das Image von Sachsen, sondern war ein Musterbeispiel an Einfallslosigkeit. Trotzdem flossen aus diesem Kanal insgesamt rund 3,2 Mio. an die SRM GmbH.

Bei Werbebotschaften wie «Visit Malaysia» oder «Visit Andalucia» weiß jedes Kind, worum es geht.

Bei «Simply Saxony» stehen die meisten Menschen vor einem Rätsel, fürchte ich.?

Hoffen auf schönes Wetter?

Die SRM GmbH verliert also jetzt für 2017 Einnahmen von 351.500 Euro. Das sollte bei einem Gesamtvolumen von 10 Mio. zu verkraften sein.

?Aber das einzige Geschäftsmodell, das Streubel einfiel, um diesen herben Verlust auszugleichen: Er hofft auf schönes Wetter.

?Ich würde an seiner Stelle endlich die Ärmel hochkrempeln und der deutschen Motorradindustrie und anderen Firmen klar machen, welches Potenzial in dieser größten Motorsportveranstaltung Deutschlands mit mehr als 200.000 Besuchern an drei Tagen schlummert. Es wäre doch gelacht, wenn sich dann bis 2. Juli nicht genügend Geld auftreiben ließe, um den Grand Prix kostendeckend zu gestalten.

?Anderseits sind bei keinem Grand Prix auf der Welt so viele unterschiedliche Parteien beteiligt: der ADAC München, die SRM GmbH, der ADAC Sachsen als sportlicher Ausrichter, das Fahrsicherheitszentrum Sachsenring, die P.R.O. Sachsenring GmbH (Slogan: «Ihr professioneller Partner für Projektentwicklung, Organisation und Realisierung von Motorsportevents») und so weiter.

?Zu viele Köche verderben den Brei, das ist ein alter Hut.

Wenn bei diesen Zuschauerzahlen nicht kostendeckend gewirtschaftet werden kann, dann versagt die SRM oder der ADAC.

Natürlich war es aller Ehren wert, als die SRM GmbH im September 2011 im Nu als Promoter auf den Plan trat, als der ADAC Sachsen nach 14 GP-Jahren als Promoter das Handtuch warf.

?Aber es hat sich wiederholt gezeigt, dass die Politiker auf der Versager-Seite stehen, wenn sie sich als Geschäftsleute gebärden.

Streubel tritt gegenüber dem ADAC, der Dorna und dem Freistaat offenbar zu gutmütig auf, ihm fehlt die Schlitzohrigkeit, das selbstbewusste Auftreten, es fehlen zündende Ideen – auch nach fünf Jahren noch. ?Die Leidenschaft für den Motorsport, Sanftmut und Gutmütigkeit – das sind leider keine Mrkmale, die in der Privatwirtschaft zünden.

Jahrelang schwafelte Streubel von einer schwarzen Null, gleichzeitig wollte er Hotelbesitzer, Tankstellenbetreiber, Campingplatzbetreiber und andere GP-Trittbrettfahrer dazu bringen, einen Teil des Umsatzes an die SRM abzuführen.

Er wurde ausgelacht. Klar. Dieses Kapitel und viele andere hätte er vor dem Deal mit dem ADAC und der Dorna klären müssen.

Der Grand Prix in Hohenstein-Ernstthal bringt Umsätze zwischen 15 bis 20 Millionen in die strukturschwache Region. Also müsste die Politik legale Mittel und Wege finden, um dieses Ereignis zu unterstützen. Es klappt ja anderswo auch – in Brünn, in Jerez, in Aragón und vielleicht sogar in Wales.

?Die Dorna braucht einen deutschen WM-Lauf, der ADAC auch. Die japanischen Motorradfirmen, die in Deutschland einen riesigen Markt vorfinden, profitieren von ihm genau so wie Ducati, Aprilia und KTM. Warum hat die Gemeinde-eigene SRM dann das finanzielle Risiko ganz allein übernommen?

?Warum dürfen Grundstückseigentümer immer noch in ihren Gärten Tribünen aufbauen, Tickets verkaufen und fette Gewinne einstreichen? Warum werden die Tribünen immer noch jedes Jahr temporär neu errichtet, was mindestens 500.000 Euro pro Jahr verschlingt? Und das seit 1998!

?Am 2. Juli 2017 findet der 20. Grand Prix der Neuzeit auf dem Sachsenring statt. Die Errichtung der Tribünen wird dann 10 Millionen verschlungen haben.

?Jedem halbwegs aufgeweckten Schulanfänger leuchtet ein, dass dies betriebswirtschaftlicher Unfug ist.

?Es existieren in Deutschland gewiss Mittel und Wege, um den Sachsenring-GP langfristig zu sichern. Aber es wird ein professionelles Konzept benötigt; ein ewiges Weiterwursteln kann nicht zum Ziel führen.

?Dass Spitzensport möglich ist, zeigt sich bei anderen Gelegenheiten. Der DSV (Deutscher Ski Verband) bewirbt sich um die Biathlon-WM 2020 oder 2021 in Oberhof/Thüringen. Die Arena am Grenzadler müsste mit einem Aufwand von 27,1 Millionen Euro modernisiert werden. Das scheint kein Problem zu sein. Der DSV setzt Ministerpräsident Ramelow unter Druck. Der DSV weicht sonst nach Ruhpolding aus, dort fand die WM der schießwütigen Skilangläufer schon 2012 statt.

?Was tut der DMSB in Zusammenhang mit seinem prestigeträchtigsten Event? Er stellt sich tot.

?Die Sachsen priesen ihren Grand Prix im Vorjahr als alternativlos an. Dabei hätte man die Dorna ruhig zappeln lassen können. In Hockenheim, in der Eifel oder in der Lausitz hätte sich nämlich nie ein Promoter gefunden. Diese drei Pisten haben nicht einmal eine einwandfreie GP-Homologation.

?Die SRM hätte sich also ruhig auf einen Poker einlassen können. Sie hatte sowieso alle Trümpfe in der Hand.

?Aber den politischen Gesellschaftern fehlte der Mut für einen Bluff.

?Wenn vor Jahren schon mal bei «MotoMotion» ein Industrie-Pool für den Betrieb der «ProSuperbike IDM» existierte und wenn Franz Rau und Steve McLaughlin damals neben dem deutschen Grand Prix auch in Salzburg und Brünn als erfolgreiche GP-Veranstalter und Dorna-Partner auftreten konnten, dann muss es heute bei 200.000 Fans auch in Sachsen möglich sein.

?Sonst könnte der deutsche Motorrad-GP ein ähnliches Schicksal erleiden wie der deutsche Formel-1-WM-Lauf. Der ist ausgestorben.

Der Salzburgring galt mehr als 25 Jahre lang als beliebter und traditioneller GP-Schauplatz. Aber als Pisten wie Mugello, Jerez und Barcelona aus dem Boden schossen, als Phillip Island, Assen, Le Mans, Misano und Brünn modernisiert wurden, musste der Salzburgring über die Klinge springen – wie Imola, Spa-Francorchamps, Suzuka und Donington Park auch. Und es ging ja weiter – es entstanden die modernen Pisten in Valencia, Motegi und Aragón, zuletzt der Red Bull Ring in der Steiermark. Dazu kommen die ganzen Übersee-Rennstrecken von Doha über Austin bis Las Termas.

?Der ADAC und die SRM sollten sich trotz des neuen Fünf-Jahres-Vertrags nicht zu sicher fühlen. Der Kymi-Ring in Finnland, dazu Schauplätze in Indonesien und Buriram/Thailand sowie Spa-Francorhamps wollen einen MotoGP-Event haben – spätestens 2019.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.

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