MotoGP-Löhne: Talent allein genügt nicht

Kolumne von Michael Scott
Die Einkommensunterschiede sind auch in der MotoGP gross. Die Fahrer, die es schaffen, schaffen es richtig. Doch das sind nur wenige, die meisten Fahrer kämpfen ums finanzielle Überleben.

Fragen, die bei Partys gestellt werden, Nummer 9: «Verdienen GP-Piloten auch Millionen, wie die Formel-1-Stars?» Meine Antwort ist seit Jahren dieselbe. Rennsport ist wie Rock-Musik. Die, die es schaffen, schaffen es richtig. Reichtum jenseits jeglicher Vorstellung – denken sie an die Rolling Stones. Oder an rolling Stoner... Trotz seines frühen Aufhörens im Alter von 27 Jahren (ein ziemlich anderer «27er-Club» als derjenige in der Popkultur).

Aber es gibt auch Horden von unglaublich talentierten Musikern, die am Hungertuch nagen. Oder Tellerwäscher sind. Talent allein genügt nicht.

Im Motorsport ist das noch viel mehr der Fall, weil an der Spitze viel weniger Platz ist. Trotz der erfolgreichen Vermarktung und der Vermögens-Verteilung, welche die IRTA in den 1990er-Jahren gestartet hat (momentan sind sie darauf bedacht, unabhängige Teams finanziell zu unterstützen), gibt es viel, viel mehr gute Fahrer, die darum kämpfen, am Ende des Jahres irgendwie durchzukommen, als solche, die Luxusanwesen in Andorra kaufen.

Oh Mann... Es ist aber nicht so schlimm, wie es früher war. Ich erinnere mich, als ich im Paddock in Österreich mit dem südafrikanischen Fahrer Mario Rademeyer gesprochen habe, der in den Achtzigern aus eigener Tasche an der 250ccm-WM teilnahm und sogar auf dem Podium landete. Er beschrieb mir seine Mühseligkeiten mit seinem ausgereiften Akzent: «Du weißt, wenn Brot grün wird, schmeisst du es weg. Wir haben es gegessen.» Der 250ccm-Weltmeister Christian Sarron sah ihn wohl einmal, wie er eines Abends die Mülltonnen durchsuchte. Aus Mitleid lud er ihn zum Essen ein.

Er war bestimmt nicht der einzige mittellose Rennfahrer. Noch früher mussten die Piloten in Nicht-Meisterschafts-Rennen kämpfen, die damals gutes Geld brachten – oft aber auf höchst gefährlichen öffentlichen Straßen ausgetragen wurden. Dafür gab es genug Spritgeld, um die Fahrt zum nächsten Grand Prix bezahlen zu können, obwohl es auch dann ein Wagnis war, weil man nie wusste, ob die Teilnahme garantiert wurde.

Aber das Rademeyer-Klagelied wurde in einer anderen Ära gesungen. Inzwischen spannt der Verband der neuen Teams, die IRTA, ihre jugendlichen Muskeln und ist darauf aus, den fetten Katzen die Taschen zu leeren, um ihren Mitgliedern zu helfen. Noch bedeutender war der Geldsegen von einer ganzen Armada von Tabak-Sponsoren, die ihr Geld aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für Werbung ausgeben konnten.

Das war der Beginn des edlen Paddock-Lebens, mit Köchen und noblen Mahlzeiten für die grossen Teams. Die Anderen bekamen modernde, grüne Krusten. Der Luxus schaffte es nur in die Elitegruppe. So ist es noch immer.

Schauen sie sich die Notlage von Scott Redding an. Gut genug, um GPs zu gewinnen (immer noch der jüngste Fahrer, dem das je gelang) und um den Moto2-Titel zu kämpfen. Aber leider nicht gut genug, um sich in der MotoGP zu halten. Er steht kurz vor dem Abschuss, nachdem er versucht hatte, sich auf einer zweitklassigen Honda durchzuschlagen, dann auf einer Ducati, zuletzt auf einer Aprilia. Nirgendwo war er gut genug, um so viel zu verdienen, dass er vorzeitig in Rente gehen kann. Ausser er findet einen Sponsor, der ihm einen Platz in einem Team kauft. Vielleicht in der Superbike-WM oder in der Moto2. Das ist das, was ihn erwartet. Schnell zu sein hat ihn nicht reich gemacht.

Es gibt noch viele mehr wie ihn, vom zehnten Platz bis zum letzten. In allen drei Klassen. Der Unterschied zwischen deren Talent und dem der Gewinner ist oft sehr klein, und manchmal (wie beispielsweise im Regen) besonders gering. Der Unterschied im Vermögen hingegen ist erstaunlich gross.

Ein weiteres Beispiel: Jorge Lorenzo. Zwölf Million Euro ihm Jahr. Xavier Simeon, minus mindestens eine Million Euro im Jahr. Das ist das, was sein MotoGP-Bike kostet. Vielleicht ist der Belgier kein gutes Beispiel. Er hat nur ein einziges Moto2-Rennen gewonnen und er war nie der hellste Stern am Himmel. Aber als einziger Belgier im Business hat er einen guten Hintergrund. Aber es gibt Gerüchte, dass Tom Lüthis Platz mit dem kontroversen Marc-VDS-Team gleich viel gekostet hat. Er ist ein ehemaliger 125ccm-Weltmeister und ein ernstzunehmendes Moto2-Talent mit einigen GP-Siegen.

Unabhängig vom Level ist es vor allem in den kleineren Klassen normal, dass man sich seinen Platz im GP-Sport kaufen muss. Moto2 und Moto3 sind voll mit Beispielen, obwohl die Anzahl der Nullen hinter den Kosten nicht so gross ist. Ausgerechnet diese Woche erreichte uns die Neuigkeit, dass der erste Fahrer aus Kasachstan in der Rennserie, der 19 Jahre alte Makar Yurchenko, von seinem französischen CIP/KTM-Team fallen gelassen wurde, weil er das Geld für den Platz im Team nicht bezahlen konnte. Dabei ist es wohl egal, dass er während der letzten vier Rennen dreimal in die Punkte gefahren ist.

Es wird noch schlimmer. Zu all diesem Unglück kommt hinzu, dass die Motorräder nicht das sind, was sie versprechen. Das ist der Grund, warum es so schwer ist, aus diesem Kreis auszubrechen und warum die Fahrer generell um Regen beten, um bessere Chancen zu haben.

Wir aus der Presse sind schuld daran, indem wir diesen Status Quo noch weiter verstärken. Wir schreiben nur über die grossen Stars. Aber man muss ehrlich sein und zugeben, dass das nicht nur an einer besseren Pressearbeit und mehr Pressemitteilungen liegt. Die Fans sind interessiert, weil die grossen Stars diejenigen sind, die siegen. Also ist es auch eure Schuld.

Aber denkt hin und wieder auch an die, die nicht gewinnen – obwohl sie oft selbst nicht viel dafür können.

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