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KTM: MotoGP-WM 2020 mit vier Mechanikern pro Fahrer?

Von Günther Wiesinger
Brad Binder auf der Red Bull-KTM des Factory Teams

Brad Binder auf der Red Bull-KTM des Factory Teams

Wenn es 2020 noch Rennen gibt, dann nur mit starken Einschränkungen. «Wir können notfalls mit einen Sprinter und vier Mechanikern anreisen», sagte Pit Beirer (KTM). Sein ‚worst case’ heißt neun Rennen.

Die ganze Welt rätselt, wann die Regierungen und Behörden die drakonischen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus wieder lockern werden und wie schlimm es dann um die Weltwirtschaft bestellt sein wird. Gleichzeitig sind die Sportfans in allen erdenklicher Disziplinen gespannt, wann wieder Großveranstaltungen mit Zuschauern erlaubt sein werden – und in einer Übergangsphase zumindest Wettbewerbe, die wir vor dem TV-Bildschirm beobachten können.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor bei KTM, ist für 58 Werksfahrer der Marken KTM, Husqvarna und GasGas verantwortlich und für nicht weniger als 460 Teammitglieder an den Standorten Munderfing, in Belgien, den Niederlanden, Italien, Spanien und in den USA. Nicht zuletzt deshalb zählt der ehemalige 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister zu den zuversichtlichen Rennmanagern, die fest mit einer Weiterführung der Motorsportsaison rechnen. Zehn Grand Prix könnten in der MotoGP-Szene und in der Cross-WM 2020 noch stattfinden, hält Beirer fest.

KTM hat bisher 307 Weltmeistertitel gewonnen und am 8. März in Katar den 100. Sieg im Road Racing-GP-Sport gefeiert – durch Albert Arenas.

Aber Beirer weiß natürlich, dass in vielen wichtigen Motorsport-Nationen noch dramatische Zustände herrschen, allein in den USA sind gestern 1700 Menschen gestorben. Bei der Gesamtanzahl der Toten haben die Vereinigten Staaten mit 18.747 Toten dicht zu Italien aufgeschlossen. Aber der Höhepunkt ist in den USA noch lange nicht erreicht. Es wird mit insgesamt 61.000 Toten gerechnet. Trotzdem will Donald Trump die «stay at home»-Order am 1. Mai aufheben.

«Ich bin absolut kein Mensch, der diese Probleme wegreden kann und will. Allerdings bin ich nicht bereit, zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahr alles aufzugeben. Ich werde meine Rennabteilung jetzt in der ersten April-Hälfte nicht für das ganze Jahr in Kurzarbeit schicken und dann nichts mehr tun. Sondern wir bereiten uns vor auf eine Rennserie mit zehn Rennen in der Saison 2020. Das ist meine Motivation und meine Botschaft im Moment.»

Und wie sieht Pits «Worst-Case»-Szenario aus?

«Neun Rennen», kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Ein leichtes Schmunzeln kann er sich dabei freilich nicht verkneifen.

Pit Beirer meint, ein Neustart in der Motocross-WM (da haben 2020 am 1. und 8. März in England und in den Niederlanden schon zwei WM-Events stattgefunden) könnte einfacher vonstatten gehen, weil man dort mit weniger Marschgepäck anreisen könnte als im GP-Sport.

«Deshalb könnten wir in der Cross-WM elf Grand Prix fahren und im ‘worst case» zehn», hält der KTM-Stratege an seiner optimistischen Sicht der Dinge fest. «Der Motocross-Neustart wird jedoch in einem sehr ähnlichen Zeitfenster wie MotoGP ablaufen. Du brauchst zwar nicht ganz so viele Menschen wie bei einem MotoGP-Rennen, aber du brauchst trotzdem ein paar hundert Leute, die aus allen möglichen Nationen zusammentreffen. Deshalb sehe ich beim Zeitpunkt für den MXGP-Re-Start keinen so großen Unterschied. Die Motocross-Szene kann ein bisschen spontaner reagieren. Man kann eventuell in kürzerer Zeit ein Rennen organisieren, sobald man weiß, unter welchen Bedingungen ein Event stattfinden kann. Aber die Cross-WM kann erst wieder beginnen, wenn in vielen anderen Sportarten ebenfalls wieder Wettbewerbe durchgeführt werden können. Ein Fußball-Geisterspiel kannst du sicher leichter organisieren als einen Motorsport-Event, weil ich beim Fußball nur die Spieler, Betreuer und einige Funktionäre brauche. In einer technischen Sportart brauchst du eine Menge Techniker, die im Hintergrund mitarbeiten.»

Bisher befanden sich bei den MotoGP-Events mindestens 2000 Personen im Paddock. Bei den Rennen in Italien und Spanien noch viel mehr. Jetzt wird ausgerechnet, ob man die Anzahl für drei Klassen auf 1000 Personen reduzieren könnte.

«Wir brauchen ja auch einiges an Personal für die Durchführung des Events, von den Streckenposten über das medizinische Personal bis zu den Funktionären, die für die Sicherheit verantwortlich sind, dazu die Personen, die die TV-Übertragung gewährleisten. Bei dieser Anzahl von 1000 Personen haben wir schon alle Gäste weggerechnet, alle Marketing-Leute und so weiter», erklärte Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta am Montag gegenüber SPEEDWEEK.com. «Unsere wichtigste Pflicht und Aufgabe ist es momentan, das Minimum an Leuten auszurechnen, die wir für die Austragung eines Grand Prix in Zukunft brauchen. Wir wollen dringend wissen, wie wir im Fahrerlager Sicherheit und Gesundheit für alle Beteiligen herstellen können, wenn die Krise vorbei ist. Das ist unser wichtigstes Anliegen. Wir dürfen keinen einzigen Menschen neu infizieren.»

Die Dorna diskutiert alle Szenarien durch. Natürlich werden Serien wie der MotoE-Weltcup und der Red Bull Rookies-Cup als erste über die Klinge springen müssen, aber die Moto3 und Moto2 will die Dorna nur im allerschlimmsten Notfall für 2020 aufgegeben.

Es wird aber schon erforscht, wie viele Personen in der MotoGP-Klasse pro Team oder Fahrer in der Box sein müssen. Ob dann die Abstandsregeln (je nach Land 1 bis 2 Meter) eingehalten werden können, ist die nächste Frage.

Intact-GP-Teamprinzipal Jürgen Lingg hat zum Beispiel ausgerechnet, dass er notfalls nur acht Personen inklusive der zwei Moto2-Fahrer Tom Lüthi und Marcel Schrötter zu den Grand Prix schicken könnte. Bisher waren es insgesamt 15.

Wie stark könnte das Red Bull KTM-Factory-Team mit Pol Espargaró und Brad Binder den Personalaufwand reduzieren? In der Factory-Box kümmerten sich bisher ca. 25 Techniker um die zwei Werksfahrer. Dazu kommen Entwicklungs-Ingenieure (auch von WP Suspension), Teammanagement, Marketing, Kommunikation und Logistik.

«Unsere Hardcore-Mannschaft, die zu den MotoGP-Rennen gefahren ist ohne Moto3, das waren bisher ca. 35 Leute», rechnet Beirer vor. «Aber ganz ehrlich: Wenn Carmelo Ezpeleta irgendwann sagt, wir dürfen auf dem Spielberg einen Grand Prix fahren, wir dürfen aber nur mit einem Sprinter und vier Mechanikern pro MotoGP-Fahrer kommen, dann werden Pol und Brad mit je vier Mechanikern und je einem Sprinter am Spielberg stehen.»

«Es ist müßig, der Dorna jetzt Angebote zu machen, mit welcher Mindestanzahl von Technikern wir einen Grand Prix für machbar halten», ergänzte Beirer. «Diese Diskussion wird von der anderen Seite irgendwann kommen. Es wird dann eine Möglichkeit entstehen zu fahren, wenn wir das mit einer gewissen Anzahl Personen im Paddock bewältigen und abwickeln können. Dann werden wir diese Diskussion natürlich führen.»

«Ich habe in der vergangenen Woche zwei längere Konferenzschaltungen mit allen anderen MotoGP-Herstellern gehabt. Wir treffen uns jetzt über Skype-Liveschaltungen, ohne Konferenzraum. Das funktioniert ausgezeichnet, es geht um grundsätzliche Probleme. Da reden wir im Detail über eine Mindestanzahl von Mechanikern und ob man einen Mundschutz tragen muss. Die Aerodynamik-Diskussion ist sehr abgeflacht... Aber sobald man wieder an Rennen denken kann, wird die Dorna als WM-Promoter mit den jeweiligen Regierungen und Behörden reden, dann werden wir wissen, an welche Regeln wir uns halten müssen.»

«Sobald das kleinste Fenster aufgeht, dass wir irgendwo fahren dürfen, dann werden wir vor Ort sein. Egal, welche Auflagen wir dort erfüllen müssen», verspricht der erfolgreiche KTM-Rennmanager.

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