Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Lin Jarvis: «Zuschauer willkommen – auf den Tribünen»

Von Günther Wiesinger
Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis erklärt, warum man zu Corona-Zeiten beim Kalender Kompromisse hinnehmen muss. Rennen ohne Fans bezeichnet er als «bizarr».

Der Brite Lin Jarvis, seit 1999 Managing Director von Yamaha Motor Racing, jener Firma, die das MotoGP-Werksteam der Japaner betreibt. Yamaha hat zuletzt 2015 mit Lorenzo die Fahrer-WM gewinnen und dazu im selben Jahr die Marken- und die Team-WM. Seither dominieren Honda und Ducati die Weltmeisterschaft.

Dank der drei Bestzeiten bei den Wintertests galt Maverick Viñales im März als klarer Anwärter für die MotoGP-WM 2020, zumal Marc Márquez an den Folgen seiner Schulter-OP litt und seine 2020-Werks-Honda beim letzten Kräftemessen (Katar-Test vom 22. bis 24. Februar) vor dem Saisonstart zumindest auf dem Losail Circuit alles andere als konkurrenzfähig war.

Doch vor dem Re-Start am 19. Juli in Jerez tappen die Teams im Dunkeln. Niemand kann beurteilen, wie sich bei der Sommerhitze in Andalusien die Kräfteverhältnisse darstellen werden und wer die lange Pause am besten genutzt und verkraftet hat.

Was vor drei Monaten noch unmöglich erschien, ist jetzt Tatsache: Die MotoGP-Saison umfasst vorläufig nur 13 statt 20 Rennen, alle finden in Europa statt, nicht weniger als sieben davon auf spanischem Boden.

«Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie war uns allen bewusst, dass wir Kompromisse eingehen müssen. Das ist sicher», hält Lin Jarvis im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. «Natürlich macht der Kalender jetzt auf den ersten Blick nicht den Eindruck einer ausbalancierten Meisterschaft. Ja, es ist ein Fakt, dass mehr als die Hälfte der Grand Prix in Spanien stattfinden werden. Das ist die Realität. Anderseits wird von allen Beteiligten verlangt, diese außergewöhnliche und sehr schwierige Situation bestmöglich zu managen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass wir auch zu normalen Zeiten vier Grand Prix in Spanien haben, dann steckt bei diesem Kalender eine gewisse Logik dahinter. Alle Teams kämpfen jetzt mit den Kosten, dazu kommen Sorgen mit der Logistik und dem Transport zu den Rennen. Deshalb macht es Sinn, auf gewissen Locations zwei Rennen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden auszutragen. So können wir auf die höchst mögliche Anzahl von WM-Läufen kommen. Außerdem haben wir von den spanischen Behörden die Erlaubnis für diese Events bekommen. Es ist keine ideale Lösung, aber meiner Meinung nach handelt es sich um einen ziemlich guten Kompromiss.»

Vorläufig sind die Teamgäste aus dem Fahrerlager verbannt, auch die Medien werden zumindest in Jerez nicht zugelassen, abgesehen von einzelnen TV-Crews und Fotografen. Und natürlich werden die Zuschauer bis auf weiteres keinen Zutritt bekommen.

Rechnet Lin Jarvis in diesem Punkt noch mit Änderungen im Laufe der Saison? Misano-Circuit-Manager Andrea Albani möchte bei seinen Grand Prix im September bereits wieder Tickets verkaufen. In Österreich wären im August maximal 1500 Zuschauer erlaubt.

«Ich kann nicht beurteilen, wie sich die Situation in den nächsten Monaten noch verändert», versichert der Yamaha-Rennmanager. «Ich kann nur sagen, wir sind nicht daran gewöhnt, in leeren Stadien Wettkämpfe auszutragen. Das ist nicht das Beste für die Fernsehbilder, und es ist nicht optimal für die Fahrer, was die Atmosphäre betrifft. Es wird wirklich bizarr und unheimlich sein, vor leeren Tribünen einen richtigen Grand Prix auszutragen. Aber es lässt sich nicht ändern. Von unserer Seite sage ich: Je früher die Zuschauer wieder zugelassen werden, desto besser. Die Teams sind solchen Plänen gegenüber positiv eingestellt.»

«Aber was ich nicht akzeptabel finden würde: Wenn man Zuschauer oder Besucher ins Fahrerlager lässt, von denen wir den Gesundheitszustand nicht überprüfen können. Das macht mir Kopfzerbrechen», räumt Jarvis ein. «Als Teilnehmer sind wir von Yamaha-Seite stark daran interessiert, die Weltmeisterschaft am Leben zu erhalten und sie ohne Gesundheitsrisiko fortsetzen zu können. Deshalb müssen wir das Risiko im Paddock so gering wie möglich halten. Wenn die Zuschauer draußen auf den Tribünen sitzen und in den Zuschauerbereichen bleiben, besteht für uns kein Risiko. In den Zuschauerbereichen sind sie jederzeit willkommen, sobald die Behörden das gestatten.»

Die Yamaha-MotoGP-Fahrerpaarungen bisher:

2002: Carlos Checa, Max Biaggi
2003: Carlos Checa, Marco Melandri
2004: Valentino Rossi, Carlos Checa
2005: Valentino Rossi, Colin Edwards
2006: Valentino Rossi, Colin Edwards
2007: Valentino Rossi, Colin Edwards
2008: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2009: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2010: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2011: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2012: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2013: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2014: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2015: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2016: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2017: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2018: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2019: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2020: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2021: Maverick Viñales, Fabio Quartararo
2022: Maverick Viñales, Fabio Quartararo

Fahrer-Titelgewinne seit 2002:

2004, 2005, 2008, 2009: Rossi
2010, 2012 und 2015: Lorenzo

Die Sponsoren seit 1999:

1999 bis 2002: Marlboro
2003: Fortuna
2004 und 2005: Gauloises
2006: Camel
2007 bis 2010: Fiat
2011 bis 2013: Yamaha Factory Racing
2014 bis 2018: Movistar
2019 bis 2022: Monster

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