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Stefan Bradl (Honda): «Das ist deprimierend gewesen»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl mit der Repsol-Honda von Marc Márquez: Mental anstrengend

Stefan Bradl mit der Repsol-Honda von Marc Márquez: Mental anstrengend

Stefan Bradl bestritt 2020 zwölf Grands Prix in der Box von Weltmeister Marc Márquez. Trotzdem kämpfte er anfangs um die letzten Plätze. Erstmals spricht er über die mentale Belastung in dieser Zeit.

Stefan Bradl (31) hat 2016 beim Aprilia Racing Team Gresini seine letzte komplette MotoGP-Saison bestritten. Danach absolvierte er eine Saison im Red Bull Honda Superbike-Team, seither verdient er seinen Lebensunterhalt als Honda-MotoGP-Testfahrer. Sein Fahrkönnen und seinen Speed hat er seither jedes Jahr mit einigen Top-Ten-Plätzen unter Beweis gestellt. Mit den Rängen 9 und 7 bei den Rennen im Oktober in Le Mans und im November in Portimão hat sich der Bayer im Herbst 2020 im Paddock wieder viel Anerkennung verschafft.

Der siebenfache GP-Sieger wird mit seinen 51 Top-Ten-Ergebnissen in der Königsklasse noch viele Jahre lang bester Deutscher aller Zeiten bleiben. Trotzdem macht er sich keine Illusionen, was eine Rückkehr ins Feld der Stammfahrer betrifft, auch wenn 2022 zwei neue Plätze dazu kommen, weil Aprilia Racing zwei eigene Plätze erhält. Denn es streben jedes Jahr einige Moto2-Talente in die «premier class», 2021 steigen Bastianini, Marini und Martin auf, auch der 24-jährige Türke Toprak Razgatlioglu, 2020 Vierter in der Superbike-WM, steht bei einigen Teams auf der Einkaufsliste.

Wenn man berücksichtigt, dass Andrea Dovizioso seine besten MotoGP-Jahre nach seinem 30. Geburtstag erlebt hat, drängt sich die Frage auf: Kann Stefan Bradl noch einmal einen permanenten MotoGP-Platz finden, nachdem er schon 2020 an 12 von 14 von Events teilgenommen hat?

Stefan, gehen dir solche Comeback-Gedanken manchmal durch den Kopf? Oder ist es dein Plan, den lukrativen Testfahrer-Job bei HRC so lange wie möglich zu machen, immer wieder mal Wildcard-Einsätze zu fahren und dazu als Ersatzfahrer einzuspringen?

Ja, sicher. Es gibt momentan keine Plätze in Top-Teams, das haben sogar Lorenzo und Dovizioso zu spüren bekommen.

Mein Hauptaugenmerk liegt jetzt auf 2021. Ich bin nach der Saison 2020 körperlich sehr gut beisammen. Ich bin Ende November mit einem sehr guten Fitness-Level aus der Saison gegangen. Ich bin ab dem Brünn-GP im August fast 45 Tage auf der Honda gesessen.

Ich bereite mich jetzt auch sehr gut auf die Saison vor.

Ich gehe davon aus, dass ich die Wintertests alle fahren werde. Also ab Dienstag zwei Tage in Jerez, dann fünf Tage im März in Katar. Und HRC wird sicher auch im Februar etwas planen.

Welche Teststrecken hat HRC ausgewählt, auf denen du vor den GP-Terminen fahren darfst?

Wie letztes Jahr – Jerez, Misano und Motegi.

Viele Experten gehen davon aus, dass Marc Márquez frühestens Anfang Mai in Jerez in die WM zurückkehren wird und du ihn zumindest bei den ersten drei Grands Prix (zweimal Katar, einmal Portimão) ersetzen wirst. Welche Wildcard-Rennen sind geplant?

Wie immer Jerez und Misano.

Und wenn ich die ersten Rennen wirklich statt Marc Márquez fahren dürfte, wäre das optimal. Dann hätte ich keine lange Wartepause über fünf Monate wie 2020 vom Sepang-Test im Februar bis Brünn im August, sondern ich könnte den Schwung von den Wintertests mitnehmen bis zum Wildcard-Einsatz in Jerez.

Du bist 2020 von HRC nach dem Oberarmbruch von Marc Márquez in Brünn ins kalte Wasser geworfen worden. Du hast vorher nur einzelne Track-Days mit einem Superbike absolviert. Hättest du mehr trainieren sollen?

Ich war nicht allzu schlecht vorbereitet. Aber ich habe nur das machen können, was erlaubt war. Einige Rennstreckentage habe ich Gott sei Dank wahrgenommen. Aber es hätten ruhig ein paar mehr sein können.

Die GP-Einsätze im Repsol-Team waren körperlich nicht besonders anstrengend. Die mentale Belastung war heftiger.

Denn die Kombination Testfahrer/Rennfahrer war nicht einfach zu bewältigen. Außerdem bin ich ins Weltmeister-Team gekommen, ich bin plötzlich in der Box von Marc Márquez gesessen. Damit habe ich eigentlich mental mehr gekämpft als körperlich.

Wenn du im Sessel des Weltmeisters sitzt, willst du natürlich nicht der Langsamste sein. Aber man hat sich zuerst gegenseitig kennenlernen müssen. Das hat einfach gedauert.

Bei einigen Rennen hast du trotzdem gegen Rabat und Smith um die letzten Positionen gekämpft.

Ja, das ist deprimierend gewesen. Aber man hat gesehen, dass die Ergebnisse besser und besser wurden, die Abstände sind geringer geworden. Das gleichzeitige Testen und Rennfahren hat am Anfang nicht funktioniert.

In Misano hatte ich dann die Ellbogenverletzung. Beim Test dort sind Fortschritte bei den Kollegen erkennbar gewesen. Ich habe wegen der Ellbogen-OP darauf verzichten müssen.

In Catalunya hat es bei mir noch nicht so gut funktioniert, ich bin dort zweimal gestürzt. In Le Mans ist dann im Regenrennen mit Platz 9 der Befreiungsschlag gelungen. Das hat vom Kopf schon mal gut getan.

Die vier Rennen in Aragón und Valencia waren okay. Da hat man definitiv eine Tendenz zur Besserung gesehen. Das Motorrad ist inzwischen konkurrenzfähiger geworden, das hat man auch an den Erfolgen von Alex Márquez gesehen. Wir haben dort intern auch ein paar Sachen verändert. Ich habe nicht mehr so viel testen müssen bei den Grands Prix. Wir haben die Arbeit mehr auf die Performance ausgerichtet. Dann ist es besser geworden.

Das Rennfahren hat mir aber natürlich auch beim Testen geholfen, zum Beispiel in Portimão vor dem Frankreich-GP, weil ich halt im Rhythmus und in einer sehr guten Verfassung war. 

Anderseits war ich als Fahrer ziemlich gestresst. SPEEDWEEK.com hat es ja mal geschrieben: 12 Rennen in 15 Wochen, dazu drei oder vier Tests, den letzten im Dezember, den wir sogar um einen Tag verlängert haben.  

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