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Paolo Ciabatti: «Gefahr geht nicht vom Top-Speed aus»

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco in Katar: Er schaffte 362,4 km/h

Johann Zarco in Katar: Er schaffte 362,4 km/h

Weil 2021 schon neue Top-Speed-Weltrekorde mit 362,4 km/h erzielt wurden, soll in der MotoGP-WM abgerüstet werden.

Nach den Geschwindigkeitsweltrekorden von Johann Zarco (Duvati) und Brad Binder (KTM) bei den Grand Prix in Losail/Katar und Mugello, die auf den Geraden mit ihren fast 290 PS starken 1000-ccm-V4-Raketen jeweils einen Top-Speed von 362,4 km/h erreichten, wird wieder emsig über eine Abrüstung in der «premier class» diskutiert.

Schon für die Jahre 2007 bis inklusive 2011 wurde der Hubraum wegen der hohen Geschwindigkeiten von 990 auf 800 ccm reduziert, weil mehr als 345 km/h erreicht wurden. 2012 wurde der Hubraum auf 1000 ccm erhöht und dafür das Tankvolumen mehrmals verändert auf 20, 21 und aktuell wieder 22 Liter. Die Erhöhung von 20 auf 22 Liter wurde für 2016 beschlossen, weil damals die neue Einheits-ECU von Magneti Marelli einführt wurde.

Nach den jüngsten Top-Speed-Rekorden von diesem Jahr wird wieder über Maßnahmen diskutiert. Da beim technischen Reglement mit den sechs Werken eine Stabilität vereinbart wurde, um Planungssicherheit zu bieten und die Kosten im Griff zu behalten, kommt eine Hubraumreduktion nicht in Frage.

Es soll der Tankinhalt wieder verringert werden, eventuell in Etappen von 22 auf 21 und 20 Liter. Auch der Sprit soll nachhaltiger und umweltfreundlicher werden

Die meisten Hersteller sind von dieser Idee nicht begeistert, die siegereichen wollen den «Status Quo» beibehalten. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Todessturz von Jason Dupasquier im Moto3-Quali von Mugello hingewiesen, der mit den 55 PS starken 250-ccm-Einzylinder-Bikes passierte.

Außerdem: Drei der letzten vier Todesfälle im GP-Sport geschahen, weil gestürzte Fahrer überrollt wurden: Shoya Tomizawa in der Moto2 in Misano 2010, Marco Simoncelli in Sepang 2011, jetzt Jason Dupasquier in Mugello. Moto2-Pilot Luis Salom zog sich 2016 in Montmeló mit der Moto2-Maschine tödliche Verletzungen zu, weil die Sturzzone nicht ausreichte.

Klar, man darf sich wundern, warum 2021 überall die Rundenrekorde purzeln, obwohl wegen Corona die Motorenentwicklung von März 2020 bis zum Saisonende 2021 eingefroren wurde.

«Wenn man sich den Unfall anschaut, der in Mugello passiert ist, dann ist er mit sehr leichten und nicht sehr schnellen Motorrädern geschehen», hält Paolo Ciabatti, der Sportdirektor von Ducati Corse, gegenüber SPEDWEEK.com fest. «Trotzdem hatte der Sturz extrem schlimme Konsequenzen. Deshalb sollte man sich nicht so stark auf den Top-Speed konzentrieren. Ja, wir haben Rekorde von Zarco in Doha erlebt. Aber er hatte Rückenwind und dann am Ende der Geraden den Bremspunkt verpasst, er wurde rausgetragen. Brad Binder hat diesen Speed mit der KTM in Mugello egalisiert. Aber ich denke, die Gefahr im Motorradsport kommt durch die Dynamik mancher Unfälle zustande, der Speed ist nicht wirklich der entscheidende Faktor. Zu den folgenschweren Unfällen kommt es, wenn ein Fahrer stürzt und die nachfolgenden Piloten nicht ausweichen können. Jeder Mensch weiß, dass der Zusammenstoß mit einem menschlichen Körper bereits bei 50 oder 60 km/h tödliche Folgen haben kann. Die Massenkräfte bei einem mehr als 200 kg schweren Motorrad haben starke Auswirkungen, sie können viel Schaden anrichten. Auch bei geringen Geschwindigkeiten. Eine andere Gefahr ist, wenn du stürzt, dir das Motorrad genau in der Sturzrichtung nachfolgt und dich gegen die Streckenbegrenzung schmettert. Meiner Meinung nach wird deshalb eine Verringerung des Tankinhalts das Problem nicht lösen.»

«Die Gefahren haben weniger mit der Motorleistung oder dem Top-Speed zu tun als mit gewissen Dynamiken, die sich im Motorradsport nicht vermeiden lassen. Meiner Meinung nach sind die Gefahren in Moto3-Rennen höher, wenn 20 Fahrer dicht im Pulk fahren. Man hat das beim Catalunya-GP in den letzten Runden wieder klar gesehen», ruft Ciabatti in Erinnerung. «Wenn die Fahrer so dicht Rad an Rad fighten und die Bikes alle dieselbe Leistung haben, ist es gefährlich. In der Moto3 kommt diese Gefahr immer wieder zum Vorschein, weil die Gruppen so eng beisammen fahren und die Bikes ein Fahrverhalten haben, das zu diesen angsteinflößenden Szenen führt. Manchmal ist es in der Moto3 nur eine Frage des Glücks, ob du stürzt oder im Sattel bleibst.»

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