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Brad Binder: Seit dem Brünn-Sieg kein Podestrang mehr

Von Günther Wiesinger
Brad Binder hat dank seiner unglaublichen Fähigkeiten 2020 in Brünn gleich sein drittes MotoGP-Rennen gewonnen. Aber seine müden Quali-Ergebnisse hindern ihn seither an Top-3-Resultaten.

Brad Binder hat für Red Bull KTM 2016 den Moto3-Weltmeistertitel gewonnen, danach auch in der Moto2-WM 2019 um den WM-Titel gekämpft und ihn nur um drei Punkte gegen Alex Márquez verloren. Der schnelle Südafrikaner gewann in zwei Jahren nicht weniger als acht Moto2-Rennen.

Brad sollte dann 2020 sein erste MotoGP-Saison bei Tech3-KTM absolvieren, aber nach dem verfrühten Abgang von Johann Zarco wurde er an die Seite von Miguel Oliveira ins Red Bull KTM Factory Team befördert.

Der Einstieg in die Königsklasse hätte nicht verheißungsvoller verlaufen können. Binder empfahl sich gleich beim Katar-Test 2020 mit Platz 9 für Top-Ten-Ergebnisse – und siegte dann bei seinem dritten MotoGP-Einsatz in Brünn als krasser Außenseiter in aufsehenerregender Manier. Es war der erste KTM-Sieg in der Königsklasse – ganz zu Beginn der erst vierten MotoGP-Saison der Österreicher.

Doch Binder schaffte nach Brünn 2020 zwar noch einen vierten Platz bei Spielberg-1 und einem fünften Rang beim Valencia-GP, aber er kam nie mehr aufs Podest.

Das schien in der Rookies-Saison noch verzeihlich, der elfte WM-Rang konnte sich durchaus sehen lassen. Aber die teilweise grottenschlechten Ergebnisse in den freien Trainings gaben Binder und KTM zu denken. Deshalb wünschte sich Brad am Saisonende seinen Moto2-Crew-Chief Andres Madrid zurück, und Sergio Verbena wurde zu Tech3-KTM vermittelt, wo er seinen Landsmann Danilo Petrucci betreut.

Doch an der Unbeständigkeit von Brad Binder änderte sich auch bei den ersten neun Grand Prix in der Saison 2021 nichts. Oft fand er erst am Sonntag im Warm-up oder im Rennen zur Topform. Er brillierte dann in den Rennen mit sehenswerten Aufholjagden und zahlreichen Überholmanövern, die typisch für ihn sind und zum Markenzeichen des unerschrockenen Kämpfers «Brad Attack» geworden sind.

Man muss zur Verteidigung des 16-fachen GP-Siegers allerdings festhalten, dass letztes Jahr in Doha kein Rennen gefahren wurde, auch in Mugello, auf dem Sachsenring und in Assen nicht. Binder fehlt also dort die Erfahrung seines Teamkollegen Oliveira, der bereits seine dritte MotoGP-Saison bestreitet.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, macht auch aus der mangelnden Schlagkraft der KTM RC16 beim Saisonstart 2021 in Katar kein Geheimnis. Seine Fahrer hätten während des schwachen Saisonstarts immer die Ruhe bewahrt, lobte Pit Beirer nach den jüngsten Erfolgen. «Ruhig zu bleiben heißt ja nicht, dass man die Fakten schönreden muss», meint Pit Beirer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Man muss die Fakten zur Kenntnis nehmen. Natürlich hat uns die Veränderung beim Vorderreifen in Doha einmal kurz gewaltig durcheinander gebracht. Aber nachdem wir die gleichen Reifen haben wie alle Konkurrenten, mussten wir dieses Problem lösen. Dass wir das Problem in so kurzer Zeit lösen konnten, spricht für die Stärke unseres MotoGP-Entwicklungsteams, das wir inzwischen haben. Wir sind zum Saisonstart eiskalt erwischt worden.»

Binder lieferte ja zwischendurch 2021 immer wieder starke Leistungen ab: In Portimão am 18. April flitzte er vom 15. Startplatz im Rennen auf Platz 5. «Wenn Brad immer im Rennen zehn Plätze wettmacht, dann können wir uns ausrechnen, wo er landet, wenn er einmal als Elfter losfährt», lachte Pit Beirer dort am Sonntagabend.

Brad Binder hat in diesem Jahr im Qualifying selten zufriedenstellend abgeschnitten. Seine bisherigen Quali- und Rennergebnisse: 19-14, 18-8, 15-5, 11-Sturz, 21-13, 6-5, 8-8, 13-4, 21-12.

Portugal war also kein Einzelfall. Beim Deutschland-GP brauste Binder sogar vom 13. Startplatz im Rennen auf den vierten Platz. «Ich bin wirklich happy, dass ich am Ende auf Platz 4 gelandet bin. Wenn man berücksichtigt, woher wir gekommen sind, nämlich vom allerletzten Platz am Freitag im FP1, dann dürfen wir uns nicht beschweren», erklärte der Red Bull-KTM-Werkspilot nach dem deutschen WM-Lauf am 20. Juni.

«Ich muss meine schlechten Freitag-Ergebnisse ausmerzen», nahm sich Binder damals vor.

Aber in Assen strandete der außergewöhnlich talentierte Südafrikaner im Qualifying wieder an 21. Position. Da nütze am Sonntag auch die beste Durchsetzungskraft im Rennen nichts – auf Platz 12 war Endstation.

Immerhin: In Portugal verpasste Binder das Podest 2021 nur um 1,7 sec, in Italien um 1,9 sec, in Deutschland nur um 1,2 sec.

Klar, Binders vorbildliche «racecraft» kommt im Rennen oft vorbildlich zum Vorschein. Aber auch Teamkollege Oliveira hat an seiner Quali-Schwäche gearbeitet und sie überwunden. In der Moto3 und Moto2 hat sie ihn womöglich zwei WM-Titel gekostet – 2015 in der Moto3 und 2018 in der Moto2.

Binder schaffte 2021 bei neun Grand Prix nur dreimal den Sprung ins Qualifying 2. Er weiß, dass er hier den Hebel ansetzen und sich steigern muss.

Bei Red Bull-KTM hat Brad Binder noch keinen Kredit verspielt. Er wird in der Firmengeschichte immer als erster MotoGP-Sieger in Erinnerung bleiben. Und seine fahrerischen Fähigkeiten sind nicht nur im Innviertel unbestritten.

«Man darf bei Brad nicht vergessen, er ist 2020 ein Jahr nach Miguel in die MotoGP-Klasse gekommen. Er hat also deutlich weniger MotoGP-Erfahrung. Das macht sich am Rennwochenende bemerkbar», stellte Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com fest. «Brad braucht dadurch ein bisschen länger, bis er alles beieinander hat. Wenn das Paket am Sonntag um 14 Uhr stimmt, bringt er wie Miguel eine unglaubliche Leistung. Brad hat nach dem Rennen auf dem Sachsenring gemeint, wenn er am Freitag alles gewusst hätte, was er am Sonntag über den Sachsenring im Kopf hatte, hätte das Ergebnis anders aussehen können. Er hat klar gesagt: ‚Ich habe den Sachsenring jetzt verstanden.‘ Er weiß jetzt, wie man diese Strecke künftig angehen muss in der MotoGP. Das gehört zum Lernprozess, wenn man in diesem MotoGP-Paddock ein kompletter Fahrer werden will. Wir müssen uns als Werk stabilisieren und den Fahrern Zeit geben, sich zu entwickeln. Eines lässt sich nicht bestreiten: Mit Miguel und Brad haben wir zwei ganz fantastische Fahrer. Sie werden uns noch viel Freude machen.»

Stand Fahrer-WM nach 9 Rennen von 19 Rennen:

1. Quartararo, 156 Punkte. 2. Zarco 122. 3. Bagnaia 109. 4. Mir 101. 5. Miller 100. 6. Viñales 95. 7. Oliveira 85. 8. Aleix Espargaró 61. 9. Binder 60. 10. Marc Márquez 50. 11. Nakagami 41. 12. Pol Espargaró 41. 13. Morbidelli 40. 14. Rins 33. 15. Alex Márquez 27. 16. Bastianini 27. 17. Petrucci 26. 18. Martin 23. 19. Rossi 17. 20. Marini 14. 21. Lecuona 13. 22. Bradl 11. 23. Savadori 4. 24. Pirro 3. 25. Rabat 1.

Stand Konstrukteurs-WM:

1. Yamaha, 184 Punkte. 2. Ducati 167. 3. KTM 114. 4. Suzuki 105. 5. Honda 86. 6. Aprilia 62.

Stand Team-WM:

1. Monster Energy Yamaha, 251 Punkte. 2. Ducati Lenovo 209. 3. Pramac Racing 149. 4. Red Bull KTM Factory Racing 145. 5. Suzuki Ecstar 134. 6. Repsol Honda 98. 7. LCR Honda 68. 8. Aprilia Racing Team Gresini 65. 9. Petronas Yamaha SRT 57. 10. Esponsorama Racing Ducati 41. 11. Tech3 KTM Factory Racing 39.

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