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Diego Gubellini: Warum Quartararo 2021 so stark ist

Von Mario Furli
Yamaha-Star Fabio Quartararo präsentierte sich in der ersten Hälfte der MotoGP-WM 2021 als Titelfavorit. 2020 folgte auf einen starken Start aber der Einbruch. Sein Crew-Chief Diego Gubellini erklärt, was nun anders ist.

WM-Leader Fabio Quartararo verfügt zur Halbzeit der MotoGP-WM 2021 über ein 34-Punkte-Polster. Zum selben Zeitpunkt der 14 Rennen umfassenden Corona-Saison 2020 hielt er sich als Zweiter nur einen Punkt hinter dem damaligen Spitzenreiter Andrea Dovizioso (Ducati) auf, am Ende des Jahres gehörte er als WM-Achter mit 44 Punkten Rückstand auf Weltmeister Joan Mir (Suzuki) aber zu den großen Verlierern.

Nun präsentiert sich Quartararo, der 2021 die Nachfolge von Valentino Rossi im Yamaha-Werksteam antrat, aber gereift («Ich bin jetzt stärker und beklage mich weniger»). Gleichzeitig ist die M1 nicht mehr dasselbe Motorrad wie vor einem Jahr. Es ist eine Kombination aus Emotionen und Technik, denn nur wenn ein Fahrer das Gefühl für das Motorrad findet, kann er auch ans Limit gehen, ohne dabei zu stürzen.

Obwohl die Motorenentwicklung für 2021 eingefroren wurde, gelang es Yamaha, das Gesamtpaket der M1 so zu verändern, dass die Fahrer wieder ein ähnliches Gefühl wie auf dem 2019er-Bike bekamen. Vermutlich wurde vermehrt an der Steifigkeit des Chassis gearbeitet, vor allem an der Front, und durch die Verschiebung einiger Komponenten die Balance angepasst.

Als «El Diablo» im Vorjahr nach dem überzeugenden Doppelsieg beim Auftakt in Jerez – abgesehen von seinem Triumph in Montmeló – nicht mehr an diese Performance anknüpfen konnte, schoben das viele Beobachter auf den steigenden Druck, dem der junge Franzose nicht gewachsen schien. Sein Crew-Chief Diego Gubellini sah die Hauptursache des Einbruchs aber auf einer anderen Ebene.

«Viele Leute fingen an, über den Druck für Fabio auf mentaler Ebene zu reden, das größte Problem war aber tatsächlich die technische Situation mit dem Bike», hielt Gubellini im Gespräch mit motorsportmagazine.com fest. «Im Vorjahr war er auf einigen Strecken super gut, auf anderen hatte er dagegen große Schwierigkeiten. Auch wenn das 2020er-Bike von außen dem 2019er sehr ähnlich sah, waren doch viele Teile anders, daher war auch das Gefühl weit weg von dem von 2019.»

«Fabio gewöhnte sich nie wirklich an das 2020er-Motorrad, in diesem Jahr kommt das Bike dem von 2019 dagegen wieder viel näher – und daher hat er das Gefühl, das er braucht, um konstant zu sein. Er kämpft im Grunde in jedem Rennen um das Podium, was der entscheidende Punkt ist, um im Titelrennen mit von der Partie zu sein», weiß der Italiener, der seit Quartararos MotoGP-Debüt-Saison 2019 mit dem Yamaha-Star zusammenarbeitet.

Von Anfang an wurde die smoothe, sanfte Fahrweise von El Diablo mit dem butterweichen Stil von Jorge Lorenzo verglichen, der auf der Yamaha M1 drei WM-Titel einfuhr. Quartararo ist aber keine Kopie des Mallorquiners, er verfügt auch über andere Waffen: Vor allem ist er anpassungsfähiger, was in der heutigen MotoGP mit den immer schnelleren Bikes, der limitierten Einheitselektronik und den sensiblen Reifen unerlässlich ist.

«Lorenzo war in den Kurven sehr smooth und sehr schnell. Das funktionierte mit der Yamaha extrem gut, vor allem mit Bridgestone-Reifen. Fabio ist da ähnlich, weil er einen hohen Kurvenspeed halten kann, sein Stil ist aber anders», erklärte Gubellini. «Typisch für Fabio und die neue Fahrergeneration ist, dass sie viel mit ihrem Körper spielen und ausgleichen, sie verlagern das Gewicht stark, um die Brems- und Beschleunigungsphase besser zu managen. Lorenzo bewegte sich viel auf dem Motorrad, aber seitlich – rechts und links – denn sein Ziel war, den Kurvenspeed zu erhöhen. Fabio bewegt sich in der Hinsicht etwas weniger, aber viel mehr nach vorne und hinten.»

Die Balance mit dem eigenen Körper konstant auszugleichen, macht schneller, indem Wheelspin (durch mehr Gewicht auf dem Hinterrad) und Wheelie-Neigung (durch Gewichtsverlagerung zur Front hin) verringert werden.

So auf dem Motorrad zu «tanzen» ist zudem hilfreich, um das Beste aus den Reifen herauszuholen und sie gleichzeitig nicht zu sehr zu beanspruchen, je nach Bedarf.

Die Fahrtechnik von Quartararo kann genauso mit jener von Marc Márquez verglichen werden – obwohl sie auf sehr unterschiedlichen Motorrädern sitzen. Es ist kein Zufall, dass auch Márquez auf der Honda RC213V super-beweglich ist, und es ist kein Zufall, dass Quartararos größte Stärke darin liegt, das Maximum aus Michelins Vorderreifen herauszuquetschen, genauso wie bei Márquez auf dem Weg zu seinen sechs MotoGP-Titeln.

Natürlich braucht Quartararo – wie Márquez – ein Motorrad, das ihm dabei hilft.

«Mit dem Vorjahresbike hatte ich beim Einlenken kein Gefühl, dann weißt du nicht, ob du stürzen wirst oder nicht, und gehst weit», schilderte der neue Yamaha-Werksfahrer einmal. «In diesem Jahr spüre ich das Limit – und wenn ich das Motorrad einlenken will, dann macht es das auch.»

Der 22-jährige Franzose ist auch in diesem Aspekt anpassungsfähig, einmal mehr wie Márquez. Wie er die Kurven angeht, hängt von vielen Faktoren ab – vom Layout bis zum Grip-Level. Manchmal bremst er noch mit aufgerichtetem Bike, manchmal spät in die Kurve hinein, manchmal ist es eine Mischung aus beidem.

«Die Bremsphase gehört zu Fabios Stärken», bestätigte Gubellini. «Das Beste ist, dass – während viele Fahrer auf der Bremse oder beim Kurvenspeed stark sind – Fabio beides gleichzeitig kann. Oder wenn er seinen Speed nicht in der Bremsphase findet, dann eben dank der Kurvengeschwindigkeit oder umgekehrt. Das ist so wichtig und hilft ihm, auf verschiedenen Strecken und bei unterschiedlichen Bedingungen stark zu sein.»

Die Strategie von Quartararo und seinem italienischen Crew-Chief ist an den Rennwochenenden klar: Sie verändern das Set-up nicht ständig, lassen stattdessen andere Fahrer die Yamaha-Neuheiten ausprobieren, um ihr Motorrad von einer Strecke auf die nächste und zwischen einer Session und der anderen so wenig wie möglich zu verändern – bis der Fahrer sein Bike so gut kennt, dass er weiß, wie es reagieren wird, noch bevor es das tut. Dieses Vertrauen ist wieder ein Mix aus Technologie und Emotionen: diese Harmonie, die alles ausmacht.

«Wir versuchen das Motorrad so zu belassen wie vorher», erklärte Gubellini, dessen Fachgebiet als ehemaliger Daten-Ingenieur die Elektronik ist. «Wir versuchen in verschiedenen Bereichen zu arbeiten, es ist sehr wichtig, die Elektronik abzustimmen und zu managen. Der Schlüssel ist zudem, vor allem mit den Michelins, die Reifen im richtigen Bereich arbeiten zu lassen. Wenn wir ein Problem nicht über die Elektronik oder die Reifen lösen können, dann denken wir über das Set-up nach. Es ist ganz anders als in der Vergangenheit, aber so arbeiten wir bevorzugt.»

«Fabio verfügt in diesem Jahr auch über mehr Erfahrung, er kann also Probleme ‚umfahren‘. Wenn du mit einem Motorrad Rennen fährst, wirst du immer irgendwelche Probleme haben. Daher ist das sehr wichtig», unterstrich Gubellini gegenüber motorsportmagazine.com.

Übrigens: Gleich nach der Sommerpause wartet mit dem Doppel-Event auf der Highspeed-Strecke von Spielberg auch schon eine echte Herausforderung auf Fabio und seine M1.

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