Livio Suppo lässt am Honda-Management kein gutes Haar

Von Günther Wiesinger
Livio Suppo und sein ehemaliger Schützling Marc Márquez

Livio Suppo und sein ehemaliger Schützling Marc Márquez

Der neue Suzuki Ecstar-MotoGP-Teamchef Livio Suppo hat in den letzten vier Jahren bei Interviews immer wieder auf Fehlentwicklungen bei Honda hingewiesen. Haben seine Nachfolger bei HRC alles falsch gemacht?

Nach der Saison 2017 wurden bei der Honda Racing Corporation die beiden MotoGP-Topmanager Shuhei Nakamoto und Livio Suppo abberufen und durch eine völlig neue Mannschaft ersetzt. Bei der Honda Racing Corporation hatte danach eine neue Gruppe von vier Managern das Sagen.

Das HRC-Quartett setzte sich aus Takeo Yokoyama (Technical Director), Tetsuhiro Kuwata (er kümmerte sich als General Manager um die Sponsorship-Deals und Fahrerverträge), und Shinichi Kokubu wurde bei HRC zum Director und General Manager der Technology Development Division ernannt. Shigehisa Fujita ersetzte als Vierter im Bunde Hattori, er agiert seit 2017 als Director und General Manager in der Administration Division. Als Suppo-Nachfolger im Amt des Repsol-Honda-Teamprinzipals wurde Alberto Puig nominiert. Und Yoshishige Nomura wurde als neuer HRC Präsident erkoren.

Livio Suppo (57), der vor zwei Tagen als neuer Suzuki Ecstar Teammanager vorgestellt wurde, hat in den letzten vier Jahren von der Außenlinie immer wieder lautstark Kritik an der HRC-Politik geübt, obwohl auch seine Amtszeit bei Honda nicht gerade makellos verlaufen ist.

Doch HRC erlebte 2020 und 2021 durch die Verletzungen von Marc Márquez eine Schwächephase; in diesen zwei Jahren wurden nur drei MotoGP-Rennen gewonnen. Dazu gab es nach 2018 Fehler in der Fahrer-Politik. Denn als Dani Pedrosa bei Repsol-Honda keinen Vertrag mehr bekam, wurde er 2019 zuerst durch den enttäuschenden Jorge Lorenzo und dann 2020 durch Alex Márquez ersetzt, 2021 kam Pol Espargaró zum Zug, der auch erst am 19. September in Misano erstmals aufs Podest fuhr.

Den ehemaligen Ducati-Corse- und Repsol-Honda-Teammanager Livio Suppo (Weltmeister mit Casey Stoner bei den Roten 2007 und bei HRC 2011) ließ die Leistungskrise von Honda nicht kalt. Der Italiener offenbarte Mitleid mit seinem ehemaligen Team, das er seit der Trennung regelmäßig kritisiert hat.

Márquez siegte zwar 2021 auf dem Sachsenring, in Austin und Misano. Aber seit Cal Crutchlow 2018 konnte kein Markenkollege einen MotoGP-Sieg einheimsen. Deshalb kritisierte Suppo seinen früheren Brötchengeber.

Schon nach dem Oberarmbruch von Marc Márquez im Juli 2020 in Jerez monierte er, die Entwicklung gehe bei HRC in die falsche Richtung gehe, es fehle Honda an Weitsicht.

«Sie haben in der Vergangenheit viele Fehler gemacht», sprach der Italiener damals Klartext. «Es war ein Fehler, dass man Dani Pedrosa hat gehen lassen. Er hat gezeigt, dass die Entwicklung mit dem Motorrad in eine Richtung ging, in der nur Marc stark sein konnte», betonte er daraufhin. Und er beklagte auch: «Es gibt überhaupt keine Vorbereitung für die Zeit nach Marc.»

«Es tat mir sehr leid für Honda, dass sie 2020 derart kämpfen mussten», ergänzte Suppo im Hinblick auf Honda, nachdem die Japaner in der Marken-WM 2020 hinter KTM nur auf Platz 5 gelandet waren. «Denn als ich das Team nach der Saison 2017 verlassen habe, war es sehr stark. Sie müssen den richtigen Weg finden.»

Suppo bemängelte auch: «Die Ergebnisse aller anderen Honda-MotoGP-Piloten sahen nicht berauschend aus. Wahrscheinlich ist die Entwicklung des Bikes nicht wunschgemäß verlaufen.»

Tatsächlich wurde beim Katar-Test 2020 bei Honda ein Mangel an Schlagkraft offenkundig. Nach zwei von drei Testtagen stiegen Márquez und Crutchlow auf 2019-Teile um, die in der LCR-Box von Taka Nakagami hastig eingesammelt wurden. 

Suppo sagt rückblickend: «Es war unsere Aufgabe bei HRC, gute Ergebnisse zu erzielen. Mit Casey Stoner, Marc Márquez und dem Motorrad lief es wirklich gut. Dazu hatten wir Dani Pedrosa, der schnell war; auch Cal Crutchlow hat drei MotoGP-Rennen gewonnen. Ich denke, wir haben das Ziel erreicht. HRC haben wir dadurch wieder zu dem gemacht, was es war.»

Suppo sieht inzwischen aber einen Rückfall in alte Zeiten. Mit dem Motorrad scheint offenbar in erster Linie Marc Márquez zurechtzukommen. Der Honda RC213V fehle die Balance, meint der Italiener. «Schon 2017 und 2018 hat Dani Pedrosa mit dem Motorrad Probleme gehabt. Das war ein Signal, dass die Entwicklung nur in die Richtung geht, mit der Marc klarkommt. Ich habe das auch bei Ducati mit Casey Stoner erlebt. Es war eine ähnliche Situation. Ich weiß sehr gut: Wenn die Entwicklung nicht mehr in die richtige Richtung geht, bekommt selbst ein Champion Probleme.»

«Als Marc angeschlagen war, wäre eine ausbalancierte Maschine für ihn von Vorteil gewesen. Er hat eine Menge durch sein Talent aufgefangen.»

Honda sei dann in Panik verfallen, vermutete Suppo: «Sie veränderten eine Menge. Das ist normal, wenn man es gewohnt ist, zu dominieren und dann geschlagen wird. Das war bei Ducati nicht anders, nachdem Valentino gegangen war. Es hat Jahre gedauert, bis wieder Erfolge kamen.»

Für Stirnrunzeln sorgte außerdem Neuzugang Pol Espargaró, der vor dem Márquez-Sieg in Deutschland 2021 gehofft hatte, Honda würde dank der fehlende Podestplätze die Zugeständnisse eines «concession teams» erhalten. Suppo dazu: «Ich fand das ungeheuerlich. Ich denke, Gründer Soichiro Honda hätte ihn für so eine Aussage gefeuert. Aber das sagte eine Menge über die Situation aus. Es ist nicht das erste Mal, dass er etwas Seltsames gesagt hat.»

Espargarós Hoffnungen auf «concession»-Privilegien lagen aber ohnehin nie im Bereich des Möglichen. Der Grund: Zu Zeiten der Corona-Pandemie konnte kein Factory Team in den «concession»-Status abgewertet werden.

Dorna, MSMA und IRTA hatten einstimmig beschlossen, dass der Factory-Status 2020 und 2021 bei Misserfolgen nicht verändert werden kann. Nur der Verlust der Concession-Privilegien war trotz Covid möglich – wie es KTM nach den drei MotoGP-Erfolgen 2020 erlebt hat.

Ex-HRC-Teamchef Livio Suppo kritisierte Honda auch für Fehler bei der Fahrerwahl. Mit Joan Mir, Jack Miller und Franco Morbidelli habe man drei vielversprechende Talente einfach zur Konkurrenz (Suzuki, Ducati und Yamaha) ziehen lassen, wetterte er.

Bei Suzuki Ecstar arbeitet Suppo jetzt wieder mit Joan Mir zusammen, dem MotoGP-Weltmeister von 2020.

Suppo plauderte interessante Details aus. «Als ich noch bei Honda war, habe ich mit Joan Mir gesprochen, weil Nakamoto und ich dachten, dass er nach einer Moto2-Saison 2018 im Jahr 2019 das Erbe von Dani Pedrosa antreten könnte.» 2017 dominierte Joan Mir bei Leopard-Honda die Moto3-Klasse und wurde souverän Weltmeister.

Im November 2017 gab Suppo beim Valencia-Test seinen Abschied von Honda bekannt. Wenig später wurde Alberto Puig als Nachfolger vorgestellt.

Suppo: «Soweit ich weiß, hat Puig zu Mir gesagt, dass er für Honda unterschreiben kann – aber ohne Garantie für einen Platz im Repsol-Team. Joan bestand aber auf einen Platz in einem Werksteam. Deshalb hat er Suzuki gegenüber einem Honda-Satellitenteam bevorzugt. Wenn sie Mir statt Lorenzo genommen hätten, dann hätten sie um den WM-Titel gekämpft und ihre Zukunft gesichert gehabt», ist Suppo überzeugt.

Suppo legte bei der Kritik an Honda noch nach: «Im Fußball hätte es an der Spitze des Vereins schon personelle Veränderungen gegeben. Nicht jetzt, weil Marc in der zweiten Saisonhälfte 2021 dreimal gewonnen hat, aber davor.»


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