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Alberto Puig (Honda): «Ducati fehlt Fahrer-WM-Titel»

Von Günther Wiesinger
Alberto Puig

Alberto Puig

Die Gegenwart von Honda in der MotoGP-WM ist trostlos. Teamprinzipal Alberto Puig redet deshalb lieber über die Vergangenheit. Ducati hat für ihn keine Vorbildfunktion – weil sie die Fahrer-WM seit 2007 nie gewannen.

Die Honda Racing Corporation hat beim GP von Deutschland am 19. Juni zum ersten Mal seit dem WM-Finale in Anderstorp am 16. August 1981 keinen WM-Punkt einkassiert. Aber dieses Datum ist eigentlich irrelevant, da Honda damals über kein 500-ccm-Rennmotorrad verfügte und im ganzen Jahr keinen WM-Punkt ergatterte, ähnlich wie 1980, 1979 und 1978 und in all den Jahren nach 1967, als sich Honda wegen der neuen FIM-Vorschriften bezüglich der Beschränkungen der Zylinderanzahl (125 ccm/2, 250 ccm/2, 350 ccm/3, 500 ccm/4) und der Gänge (maximal sechs) aus dem GP-Sport zurückzog und auch deshalb, weil sich das Ende der Viertakter allmählich abzeichnete, die in den kleinen Klassen stark in den Vordergrund drängten.

Doch Honda blieb beharrlich beim Viertakt-Konzept und kehrte zuerst mit Phil Read in die TT-Formel-1-WM zurück und 1979 mit der bis 22.000/min drehenden Ovalkolben-Honda NR500 mit Piloten wie Mick Grant, Takazumi Katayama und Freddie Spencer in die Halbliter-WM. Für Punkte reichte es aber nie, denn das Motorrad ließ sich im Gegensatz zu den neuesten 500-ccm-Zweitaktern von Suzuki und Yamaha bei den Schiebestarts meist erst in Gang bringen, wenn die Gegner längst hinter der ersten Kurve verschwunden waren.

Erst 1982 mit der neuen 500-ccm-Zeitakt-Dreizylinder-Honda gelang Honda die Rückkehr auf die internationale GP-Bühne. Spencer vollendete die 500er-WM mit der Honda NS500 hinter Franco Uncini (Suzuki) und Graeme Crosby (Yamaha) auf dem dritten Gesamtrang, Katayama und Lucchinelli auf den Rängen 7 und 8. In den Jahren 1983 und 1985 krönte sich «Fast Freddie» Spencer auf der Honda-Triple zum Halbliter-Weltmeister.

Der Siegeszug des weltgrößten Motorradherstellers nahm wieder seinen Lauf.

Übrigens: Das Kürzel NS stand für «New Stroke», neuer Takt.
Und als 1984 die V4-500-ccm-Honda kam, wurde sie NSR500 getauft, das stand für New Stroke Racing.

Das Debakel von Honda 2022 erinnert stark an den Flop mit dem NR500-Vierzylinder-Viertakter von 1979. Honda hat in elf Rennen mit vier Piloten erst einen Podestplatz (Platz 3 durch Pol Espargaró in Doha) erreicht, die Ergebnisse in der Team- und Marken-WM sehen erbärmlich aus.

Marc Márquez wünschte sich nach der überragenden Saison 2019 (12 Siege und 6 zweite Plätze bei 19 Rennen) ein benutzerfreundliches Motorrad, mit dem ihm die 35 Stürze pro Saison erspart bleiben würden. Dieses Fahrzeug ist ihm Honda bisher schuldig geblieben.

Für 2022 wurde eine Neukonstruktion gebaut, mit der Pol Espargaró auf Anhieb gut zurechtkam, auch die Teamkollegen. Doch Márquez ließ es umbauen, er wollte mehr Feeling für die Front, Pol Espargaró plädierte hartnäckig weiter für mehr Grip auf dem Hinterrad.

In diesem Dilemma hat sich Honda bei der Weiterentwicklung offenbar heillos verirrt. Es herrscht Ratlosigkeit bei den Japaner, die seit 2013 immerhin sechs MotoGP-Fahrer-WM-Titel gewannen – alle mit Marc Márquez. 

SPEEDWEEK.com traf Repsol-Honda-Teamprinzipal zum Vier-Augen-Gespräch.

Alberto, die halbe Saison ist vorbei. Hat Honda inzwischen eine Vorstellung, in welche Richtung die Entwicklung gehen muss? Die 2022-Honda ist kein Volltreffer. Müssen die Ingenieure beim 2023-Bike wieder bei null anfangen?

Nein, wir müssen vielleicht nicht bei null beginnen. Aber es ist klar: Wir performen nicht so, wie wir sollten.

Obwohl wir die Probleme kennen, braucht es einige Zeit, bis wir sie lösen können. Das ist eine Tatsache, das ist die Realität.

Ob das bedeutet, dass wir neu anfangen oder nur das vorhandene Motorrad verbessern müssen, das wird jetzt in Japan geprüft.

Es ist klar, dass wir das Motorrad verbessern und eine stärkere Performance erreichen müssen. Das liegt auf der Hand.

Honda hat 2021 für alle vier Stammfahrer «customized bikes» gebaut, also massgeschneiderte MotoGP-Maschinen. Aber außer Marc Márquez, der drei Rennen gewonnen hat, haben alle Honda-Piloten enttäuscht – auch Pol Espargaró, Alex Márquez und Taka Nakagami. 2022 hat sich das nicht geändert. Auch Stefan Bradl kann nicht an die Ergebnisse von 2020 und 2021 anknüpfen.

Es ist wahr, dass wir im Vorjahr «customized bikes» gebaut haben. Denn wir respektieren alle Fahrer und wollen von allen Piloten ihre Meinung und Kommentare hören.

Marc hat letztes Jahr drei Rennen gewonnen – mit einem Arm. Das darf man nicht vergessen.

Aber die Vergangenheit ist nicht mehr relevant. 2022 ist Honda mit einem Podest in Doha gestartet, nachher ging’s bergab. Wie lange müssen die Honda-Fans noch Geduld aufbringen? Wann wird endlich eine Lösung gefunden?

Es ist schwierig, eine Lösung zu finden. Wenn wir sie kennen würden, wäre sie schon umgesetzt worden. Wir müssen uns einfach weiter anstrengen.

Als 2016 die Einheits-ECU eingeführt wurde, lag Honda beim ersten Sepang-Test aussichtslos hinten. Damals hatte HRC den Ruf, alle Probleme in Rekordzeit lösen zu können. Tatsächlich gewann Marc Márquez dann bereits das zweite Saisonrennen in Argentinien. Jetzt schneiden sogar Aprilia und KTM besser ab als Honda. Was läuft da schief?

Es gibt viele Dinge, die unsere Performance beeinflussen.

Wenn dein Topfahrer zwei Jahre verletzt ausfällt und du das Motorrad nicht mit ihm entwickeln kannst, wirkt sich das negativ aus. Das ist eine Tatsache.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass mit der Ducati außer Casey Stoner lange niemand schnell fahren konnte. Gigi Dall’Igna hat dafür gesorgt, dass mit der Desmosedici auch Rookies wie Jorge Martin Rennen gewinnen und Neulinge wie Bastianini und Bezzecchi aufs Podest fahren können.

Sie müssen aber noch Meisterschaften gewinnen.

Suzuki und Yamaha ist das 2020 und 2021 gelungen. Ducati hat aktuell immerhin vier Piloten in den Top-7 der Fahrer-WM. Der beste Honda-Pilot liegt an 13. Stelle. Dazu gewinnt Ducati zum dritten Mal in Serie die Konstrukteurs-WM.

Ich rede von der Fahrer-Weltmeisterschaft. Die müssen sie gewinnen.

MotoGP-Ergebnis, Assen (26. Juni):

1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn. in 40:25,205 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 0,444 sec
3. Viñales, Aprilia, + 1,209
4. Aleix Espargaró, Aprilia, + 2,585
5. Brad Binder, KTM, + 2,721
6. Miller, Ducati, + 3,045
7. Martin, Ducati, + 4,340
8. Mir, Suzuki, + 8,185
9. Oliveira, KTM, + 8,325
10. Rins, Suzuki, + 8,596
11. Bastianini, Ducati, + 9,783
12. Nakagami, Honda, + 10,617
13. Zarco, Ducati, + 14,405
14. Di Giannantonio, Ducati, + 17,681
15. Alex Márquez, Honda, + 25,866
16. Dovizioso, Yamaha, + 29,711
17. Marini, Ducati, + 30,296
18. Bradl, Honda, + 32,225
19. Gardner, KTM, + 34,947
20. Savadori, Aprilia, + 35,798
– Fernández, KTM, 8 Runden zurück
– Quartararo, Yamaha, 15 Runden zurück
– Darryn Binder, Yamaha, 18 Runden zurück
– Morbidelli, Yamaha, 18 Runden zurück

MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:

1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.

Team-WM:

1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.

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