Loris Reggiani: «Für Aprilia wird es jetzt härter»
Am 30. August 1987 feierte Reggiani im Alter von 27 Jahren den ersten Grand-Prix-Sieg für Aprilia. Der Italiener fuhr mit seiner AF1 250 in Misano mit einem Vorsprung von 7,8 Sekunden auf Yamaha-Fahrer Luca Cadalora über den Zielstrich. 1992 wurde Reggiani in der 250er-Kategorie sogar Vizeweltmeister auf Aprilia. Es war die Ära von Carlo Pernat als Aprilia-Sportdirektor und Jan Witteveen, der sich um die technische Abteilung kümmerte.
35 Jahre später ist Aprilia in der MotoGP an der Spitze angekommen. Aleix Espargaró kämpft 2022 mit der Aprilia RS-GP um den WM-Titel in der «premier class». Neben dem Sieg in Argentinien im Frühjahr fuhr der 32-Jährige bereits vier weitere Podestplätze ein. Auch Teamkollege Maverick Viñales kam zuletzt in Assen erstmals mit dem Bike aus Noale in die Top-3. Die Entwicklung der italienischen Rennmaschine ist stark vorangeschritten.
Im Interview bei MOTO SPRINT sprach Loris Reggiani über die Parallelen zu seiner Zeit. Er äußerte sich ebenfalls zum aktuellen WM-Kampf in der «Königsklasse».
Aleix Espargaró hat Aprilia nach einigen Jahren der Entwicklung, an die Spitze geführt. So wie du es damals auch gemacht hast. Siehst du hier eine gewisse Parallelität?
Das freut mich natürlich, denn nach vielen Jahren kehrt mein Name in diesem Zusammenhang zurück in den Sport. Mein Selbstbewusstsein freut sich darüber! (Er lacht)
Wie siehst du die Aprilia-Saison?
Sehr gut, das Jahr verläuft sehr stark. Es ist ein Motorrad, welches ich mit der Ducati vergleichen würde. Obwohl nur zwei Bikes im Rennen sind. Also haben zwei Fahrer allein viel mehr Arbeit als die acht Jungs bei Ducati. Es ist auch klar, dass Aprilia bisher von den Zugeständnissen profitiert hat. Jetzt werden sie sie nicht mehr haben und deshalb wird es härter.
Erkennst du dich in Aleix wieder?
Ich kenne ihn nicht persönlich. Von außen gesehen ja, denn er ist ein Mensch, der auf sich alleine eingestellt ist. Offen, ohne viel Arroganz, ohne zu viel «Ich bin alles» wie bei Max Biaggi beispielsweise. Auf Fahrerebene hat sich der Fahrstil seit meiner Zeit mindestens dreimal weiterentwickelt. In Bezug auf Aggression und Überholen, so wie ich ihn beim Fahren sehe, ist er einer, der seine Gegner nicht sehr aggressiv angreift. Er ist keiner von denen, die den Anderen herausdrängen, um ihn zu überholen. So etwas mag ich nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen Fahrer überholt zu haben, indem ich mich bei ihm angelehnt habe. Es scheint mir, dass Aleix eine sehr ähnliche Herangehensweise hat.
Zum WM-Kampf mit Aleix sage ich…
Aleix musste erst 32 Jahre alt werden, damit er um den Weltmeistertitel kämpfen konnte. Mehr oder weniger wie ich. Aber ich hoffe, er hat mehr Glück als ich. Das wünsche ich ihm wirklich sehr.
Es sind noch neun Rennen, wie schätzt du seine Chancen ein?
Sicherlich sehr hoch, denn er ist keiner, der oft stürzt. Aktuell ist er der Einzige, der noch keine Punkte durch einen Fahrfehler weggeworfen hat. Was in Barcelona passiert ist, werte ich nicht. Er ist also bis heute der Konstanteste von allen.
Wenn du die Meisterschaft im Allgemeinen betrachtest, was sagst du dazu?
Es bleibt sicher spannend bis zum Schluss. Es gibt mindestens zwei Ducati-Fahrer, die gewinnen können, dann Aleix und Fabio Quartararo. Vor dem letzten Rennen wird es in diesem Jahr wohl nicht möglich sein, den Meister zu küren.
Was sagst du zum ersten Teil von Bagnaias Saison?
Er stellte sich etwas zu stark unter Druck. Aber bei anderen Rennen hat er gezeigt, dass er damit doch sehr gut umgehen kann. Wenn er keine Fehler macht, kämpft er um den Sieg oder gewinnt. Es fällt mir dennoch schwer zu glauben, dass er dieses Jahr noch die Richtung ändern kann und deshalb befürchte ich, dass er vor Jahresende noch Fehler machen wird. Das befürchte ich, aber ich hoffe es natürlich nicht. Außerdem tut es mir sehr leid für Enea Bastianini, der vom Weg abgekommen ist. Doch von außen kann ich mir dazu keine Meinung bilden.
Wenn du der Teamchef wärst, wen würdest du als neuen Teamkollegen von Pecco wählen?
Ich würde Martin nehmen, aber nur, weil ich niemals zwei Italiener oder zwei Fahrer gleicher Nationalität in ein so wichtiges Team stecken würde. Sie wären schwer zu handhaben. Am Ende lief es auch so, als Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci im Ducati-Werksteam waren. Sie schienen das beste Paar der Welt zu sein, dann brach am Ende alles zusammen.
Maverick Viñales stand in Assen auf dem Podium, welchen Stellenwert gibst du diesem Ergebnis?
Er muss noch schneller fahren, denn er hat noch mehr Talent, als er in den Niederlanden gezeigt hat. Er stand auf dem Podium, aber sein Teamkollege war noch schneller als er. Der eingeschlagene Weg ist der richtige, er wird auf diesem Bike immer besser.
In diesem Fall wird er zu einem direkten Konkurrenten von Aleix. Was erwartest du vom Aprilia-Management?
Die beiden Fahrer scheinen mir sehr zielstrebig zu sein, also würde ich das nicht so negativ sehen. Bisher haben sie sich gegenseitig geholfen. Es ist offensichtlich, dass es bisher nie Anlass zu Meinungsverschiedenheiten gab. Ab jetzt kommt es darauf an, dem Team zu helfen.
MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:
1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.
Team-WM:
1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.