Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Stefan Bradl (Honda): Wunder dauern etwas länger

Von Günther Wiesinger
Honda-Werksfahrer Stefan Bradl erwartet für die RC213V bei den nächsten Rennen noch keine beträchtlichen Fortschritte. Bisher haben die Ingenieure noch nicht entdeckt, wie das 2022-Bike verbessert werden kann.

Stefan Bradl bemüht sich als Honda-MotoGP-Testfahrer seit mindestens zweieinhalb Jahren, aus der Honda RC213V wieder ein Sieger-Motorrad zu machen und außerdem eines, das die Fahrer im Grenzbereich nicht dauernd über das Vorderrad abwirft. Auch die Rundenzeit für eine ‚single lap‘ in den Trainings und im Qualifying sowie die Überhitzung der Fahrer bei hohen Außentemperaturen wie beim Sachsenring-GP bleiben Baustellen. 2021 erklärte Bradl, bei Honda könne man mit frischen neuen Reifen das Grip-Potenzial im Gegensatz zur Konkurrenz nur zu 80 Prozent nutzen.

Unbestritten ist: Bei der Honda Racing Corpoation lässt in der MotoGP-Klasse die «tech update response rate» arg zu wünschen übrig, also die Entwicklungsgeschwindigkeit. Repsol-Honda-Teamprinzipal Albert Puig räumte im SPEEDWEEK.com-Interview im Juni ein. Man habe die Entwicklungsrichtung beim 2022-Motorrad bis heute nicht verstanden, ergänzte er. Die Fahrer von Pol Espargaró über Marc Márquez bis zu Taka Nakagami pflichten ihm bei. Der zweifache Weltmeister Alex Márquez fährt künftig gleich lieber eine Gebraucht-Ducati bei Gresini Racing.

«Im Moment muss bei Honda sehr viel hinterfragt werden», erklärte Stefan Bradl, als Marc Márquez Anfang Juni zur vierten Oberarm-Operation nach Amerika ausrückte. «Wir müssen überlegen, wo und wie wir uns verbessern können, auch was die Kommunikation zwischen dem Team und den Fahrern betrifft. Alberto Puig hat angekündigt, dass er die Effizienz der internen Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern will; das ist kein schlechter Ansatz. In solchen Situationen muss man auch schauen, dass man ruhig bleibt und keine verrückten Dinge anstellt. Das operative Geschäft an der Rennstrecke beinhaltet extrem viele Bereiche, und es muss auch die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren in Japan klappen. Es gibt sehr viele Betätigungsfelder und Baustellen, über die man nachdenken muss. Das ist nicht einfach. Ich als Fahrer bin überfragt, wenn es darum geht, wo man als Erstes ansetzen muss. Aber es wird sich etwas bewegen. Das hat Alberto inzwischen klargestellt.»

Mittlerweile dämpft Stefan Bradl sogar die Erwartungen für die nächsten Rennen, nachdem die Honda-Mannschaft beim Deutschland-GP 2022 erstmals seit 40 Jahren bei einem Rennen in der «premier class» ohne Punktegewinn abgereist ist.

Bradl: «Ich glaube nicht, dass wir momentan große Erwartungen an den Tag legen können. Es ist ja auch schwierig, mit diesem Gerät auf eine schnelle Rennpace zu kommen. Den Ducati-Fahrern und Aleix auf der Aprilia fällt das viel leichter. Wir müssen einfach vorläufig Schadensbegrenzung betreiben und probieren, das Beste draus zu machen. Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, wird’s zweimal nix.»

«Bei uns funktioniert momentan weder der Speed in den Trainings noch im Rennen», bestätigt der Honda-Testfahrer. «Gleichzeitig wird das Qualifying immer wichtiger, denn das Überholen wird immer schwieriger. Trotzdem sind wir keine Welten von der Spitze entfernt. Wir sind nicht dauernd eineinhalb Sekunden langsamer als die andern. Unsere Leistungen sind nicht jeden Tag die volle Katastrophe. Aber es fehlen einige Bausteine, die uns vorwärtsbringen könnten. Wir wissen einfach nicht, wie wir das Paket optimal zusammenbringen können. Es gibt aktuell bei den Werken in der MotoGP kein wirklich schlechtes Paket. Doch in diesem Geschäft bedeutet Stillstand Rückschritt.»

«Auf jeden Fall haben sich bei Honda für diese Saison alle mehr erwartet», seufzt Stefan Bradl. «Am Anfang in Doha hat es im vergangenen März gut ausgeschaut. Pol ist Dritter geworden, Marc Fünfter. Man hat dann erwartet, wenn am neuen Motorrad noch etwas Feintuning gemacht wird, ist man konkurrenzfähig. Da hat man sich schwer getäuscht, weil die Mitbewerber alle deutlich stärker geworden ist und die Konkurrenz nach der Saison 2021 noch einmal einen draufgelegt hat. Man sieht ja, dass die Rundenrekorde und Top-Speed-Rekorde mittlerweile überall purzeln.»

Sogar Marc Márquez, der bei Honda eine Jahresgage von 15 bis 20 Millionen kassiert und bis Ende 2024 unter Vertrag ist, räumte beim Mugello-GP am Sonntag nach dem beschiedenen 10. Platz ein, Honda habe bisher keine Lösung und keine Richtung für die Entwicklung der 1000-ccm-V4-Maschine gefunden.

Keine Punkte in Sachsen, nur Rang 12 für Nakagami als bester Honda-Fahrer in Assen – es hat sich seit dieser Diagnose des sechsfachen MotoGP-Weltmeisters nicht viel gebessert.

Bradl, seit viereinhalb Jahren Testfahrer bei Honda, sitzt bei HRC fest im Sattel. Deshalb bekam er vor einem Jahr erstmals einen Testfahrer-Vertrag für zwei Jahre – bis Ende 2023.

Aber der Bayer betont, dass er nicht so viel Einfluss auf die Entwicklung hat, wie manche Motorsport-Laien meinen. «Die Entwicklung wird von den Ingenieuren gemacht, bevor ich meine Aussagen dazu abgebe. In der heutigen Zeit ist die Aufgabe für die Ingenieure sehr komplex geworden, speziell was die ganzen Devices für den Start, für die Beschleunigung und die vielfältigen elektronischen Systeme betrifft, dazu kommt die ganze Aerodynamik.»

MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:

1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.

Team-WM:

1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.

Siehe auch

Kommentare

Die zehn besten Fahrer der MotoGP-Saison 2024

Von Michael Scott
Am Ende der Saison 2024 gilt es wieder, die Top-10 der Fahrer aus den Klassen MotoGP, Moto2 und Moto3 zu wählen. Alle zeigten Leidenschaft, einige von ihnen stachen heraus.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mi. 11.12., 21:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 12.12., 00:15, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • Do. 12.12., 00:40, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • Do. 12.12., 01:05, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
  • Do. 12.12., 01:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 12.12., 02:25, Motorvision TV
    On Tour
  • Do. 12.12., 03:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 12.12., 03:45, Motorvision TV
    US Pro Pulling
  • Do. 12.12., 04:00, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • Do. 12.12., 04:10, Motorvision TV
    Top Speed Classic
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C1112212014 | 5