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Pol Espargaró: «Keine Ausrede, sondern die Realität»

Von Günther Wiesinger
Pol Espargaró

Pol Espargaró

«Marc Márquez und ich, wir sind beim Material in einer anderen Welt. Das ist keine Beschwerde, keine Ausrede, das ist die Realität», erklärte Pol Espargaró in Sepang.

Nur 54 Punkte hat Pol Espargaró bei den ersten 18 WM-Läufen 2022 eingesammelt, 20 davon stammen vom dritten Platz beim Saisonstart in diesem Jahr in Doha/Katar. Zwei Rennen vor Schluss liegt der Spanier in der Fahrer-WM an 16. Stelle, ein Debakel, wenn man bedenkt, dass er Red Bull KTM vor zwei Jahren als WM-Fünfter mit fünf Podestplätzen in einem Jahr (bei nur 14 Rennen) verlassen hat. Damals verfehlte er den dritten WM-Rang von Alex Rins nur um 4 Punkte.

Kein Wunder, wenn sich Pol oft ziemlich zerknirscht zeigt und er die Tage zählt, bis er am 8. November am Dienstag nach dem WM-Finale auf dem Ricardo Tormo Circuit auf die GASGAS-Werksmaschine steigen darf, die er als KTM RC16 vier Jahre lang maßgeblich mitentwickelt hat.

Und man darf sich die Frage stellen, wie sinnhaft die Honda-Politik ist, dem hoch bezahlten Werksfahrer keine neuen Teile mehr anzuvertrauen, obwohl Honda in der Marken-WM seit drei Jahren auf dem sechsten und letzten Platz taumelt und die Position in der Team-WM mit Rang 9 unter elf Teams für Repsol-Honda und den größten Motoradhersteller der Welt durchaus verbesserungswürdig wäre.

Aber Pol hat das Lachen trotzdem nicht verlernt. «Ich habe nicht nur in den letzten Rennen wenig gepunktet, sondern eigentlich seit Katar», seufzte er am Tag vor dem FP1 in Malaysia im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

«Aber ich war hier beim Sepang-Test im Februar einer der Schnellsten», blickt Pol zurück. «Ich hatte einen ausgezeichneten Rennrhythmus und war der Einzige, der einen Long-run gemacht hat. Er ging über zwölf Runden und ist fantastisch gelaufen. Ich war konstant, es war sooo schön. Aber seither hat sich viel verändert, das Feeling mit dem Bike, die Verhältnisse, die Ergebnisse. Deshalb müssen wir abwarten, wie es am Freitag hier läuft, wie wir dieses Wochenende angehen und was wir vom Rennen erwarten können.»

Pol Espargaró macht sich keine Illusionen. Der 31-jährige Spanier aus Granollers, einen Steinwurf vom Circuit de Barcelona-Catalunya aufgewachsen, ist von Honda schwer enttäuscht.

«Ich habe seit Katar im März nichts bekommen, was mein Gefühl für das Motorrad verbessern hätte können», hielt Pol ohne Umschweife fest. «Wir haben nur am Set-up gearbeitet. Mit der Abstimmung kannst du nur kleine Fortschritte erzielen. Aber wenn die Konkurrenz so schnell ist, brauchst du Upgrades, um dein Feeling zu verbessern und schneller zu werden. Ich habe seit Doha gar nichts Neues bekommen. Deshalb rechne ich auch bei den letzten zwei Rennen nicht mit Neuheiten.»

Mit Wehmut blickt Pol Espargaró zwei Jahre zurück. Damals hat er auf der Werks-KTM beim vorletzten Rennen in Valencia einen starken dritten Platz hinter Morbidelli und Miller erobert und ist bis zum letzten Tag mit den neuesten Entwicklungsteilen verwöhnt worden.

Genau so wird es bei KTM jetzt mit Miguel Oliveira gehandhabt, der sich für dieses Wohlwollen mit dem Sieg beim viertletzten Saisonrennen in Buriram bedankte und jetzt den achten WM-Rang im Visier hat.

«Ja, 2020, das war eine komplett andere Situation. Schaut euch an, wie sich Ducati gegenüber Jack Miller verhält. Er bekommt bis zum Finale das beste Material, er kann mit dem vollen Support des Werks rechnen», ist sich Pol Espargaró bewusst.

Miller entschädigte Ducati mit dem souveränen Triumph beim Japan-GP in Motegi für das Entgegenkommen.

«Aber ich kann die Situation nicht ändern», seufzte der Pol, der Moto2-Weltmeister von 2013.

«Ich warte auf das Ende dieser Saison; ich habe einen Vertrag bis Valencia. Ich möchte das Jahr auf die bestmögliche Art und Weise beenden und so professionell wie möglich auftreten. Mehr kann ich nicht tun. Das ist mein Job.»

Pol Espargaró kam in Phillip Island auf Platz 11 ins Ziel, er verlor elf Sekunden auf Sieger Alex Rins (Suzuki). Marc Márquez hingegen verpasste den Sieg als Zweiter nur um 0,2 sec.

«Marc verwendet eine andere Schwinge, ein anderes Chassis, eine andere Aerodynamik», hält Pol fest. «Dazu hat er einen anderen Fahrstil als ich. Und Marc ist Marc. Es ist schon unter normalen Umständen schwierig, sich mit einem Fahrer wie Marc zu vergleichen, wenn man dasselbe Technik-Paket hat. Aber wir sind beim Material in einer anderen Welt. Das ist keine Beschwerde, keine Ausrede, das ist die Realität. Selbst unter normalen Bedingungen, wenn man dasselbe Bike wie Marc hat, ist es schwierig, mit ihm mitzuhalten. Aber er fährt dieses Bike seit 2013, er hat sich an die Bewegung am Hinterrad gewöhnt. das ist sein Vorteil. Er hat sich sehr gut an die Eigenheiten der Honda gewöhnt und nützt das zu seinem Vorteil aus. Bei mir ist es anders. Ich bin das zweite Jahr bei Honda und muss mich immer noch an das Motorrad anpassen. Mein Fahrstil ist genau das Gegenteil von dem, was bei Honda gefragt ist. Wir sind in meiner Box in seiner anderen Welt. Es ist sehr schwierig, Marcs Daten zu kontrollieren und zu verstehen, was er macht. Das ist unmöglich. Ich kann seine Daten gar nicht checken.»

Trotzdem pflegen Pol und Marc ein gutes Verhältnis. «Ja, ich komme mit Marc gut aus. Aber es gibt keine Möglichkeit, ihm zu helfen, nicht einmal mit Ratschlägen. Es wäre nett, wenn ich ihn unterstützen könnte», sagt der künftige GASGAS-Werksfahrer.

Dann ergänzte er: «Es gibt zwei Möglichkeiten, die Dinge zu erledigen. Man kann mit beiden Fahrern bis zum Saisonende neue Teile testen. Dann hast du unterschiedliche Gesichtspunkte und Meinungen, die dein Nachfolger im Team nutzen kann. Wenn er kommt und dieselben Probleme hat wie ich, weiß er, wie er sich verbessern kann. Aber mit der aktuellen Methode wird zwar Marc schnell sein, aber die anderen Honda-Fahrer nicht.»

MotoGP-WM-Stand (nach 18 von 20 Rennen):

1. Bagnaia 233 Punkte. 2. Quartararo 219. 3. Aleix Espargaró 206. 4. Bastianini 191. 5. Miller 179. 6. Brad Binder 160. 7. Zarco 159. 8. Rins 137. 9. Martin 136. 10. Oliveira 135. 11. Viñales 122. 12. Marini 111. 13. Marc Márquez 104. 14. Bezzecchi 93. 15. Mir 77. 16. Pol Espargaró 54. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 46. 19. Morbidelli 31. 20. Di Giannantonio 23. 21. Dovizioso 15. 22. Darryn Binder 12. 23. Gardner 10. 24. Raúl Fernández 9. 25. Crutchlow 6. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 407 Punkte (Titelgewinner). 2. Aprilia 242. 3. Yamaha 227. 4. KTM 212. 5. Suzuki 163. 6. Honda 144.

Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team 412 Punkte. 2. Aprilia Racing 328. 3. Red Bull KTM Factory 295. 4. Prima Pramac Racing 295. 5. Monster Energy Yamaha 250. 6. Gresini Racing 214. 7. Suzuki Ecstar 214. 8. Mooney VR46 Racing 204. 9. Repsol Honda 160. 10. LCR Honda 96. 11. WithU Yamaha RNF 33. 12. Tech3 KTM Factory 19.

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