Poncharal: Herzergreifende Erinnerungen an Fellon

Von Günther Wiesinger
Kaum jemand hat die Wege von Laurent Fellon über Jahrzehnte hinweg so eng begleitet wie Tech3-Teamchef Hervé Poncharal. Der Franzose schwelgt in Erinnerungen und gibt viele unbekannte Einzelheiten preis.

Der frühe Tod des ehemaligen Zarco-Managers Laurent Fellon hat viele Teammitglieder im Paddock tief betroffen gemacht, denn nur im engsten Kreis war die unheilbare Brauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung des 61-jährigen Franzosen publik geworden.

Einer der engsten Weggefährten und Freunde von Fellon ist der französische Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal. «Laurent hat mir vor nicht allzu langer Zeit noch ein Bild geschickt, das uns nebeneinander in der Startaufstellung im nationalen Honda-400-Cup zeigt», seufzte ein erschütterter Hervé Poncharal heute im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Hervé, die Wege von dir und Laurent Fellon haben sich immer wieder gekreuzt. Wie ist er dir in Erinnerung geblieben?

Zuerst möchte ich erwähnen, dass er bis zur Sommerpause immer noch bei den Rennen war und seinen Sohn Lorenzo in der Moto3-WM betreut hat. Er war also bei jedem Grand Prix dabei.

Ja, ich kannte Laurent seit vielen Jahren. Es existiert eine kleine französische Kolonie im Fahrerlager, da gehört neben unserem Team auch die Mannschaft von CIP-Teambesitzer Alain Bronec dazu, auch Laurent war immer Bestandteil dieser Kolonie, die natürlich momentan sehr stark von Fabio Quartararo und Johann Zarco geprägt wird.

Die Familie Fellon kam auch oft zum Essen in die Tech3-Hospitality, als Lorenzo noch im Red Bull Rookies Cup fuhr.

Ja, genau.

Aber im Mai und Juni dieses Jahres verspürte Laurent plötzlich keinen Appetit mehr. Er wollte nichts essen, weil es ihm Übelkeit verursachte. Deshalb hat ihn seine Frau Andrea in der Sommerpause gedrängt, sich untersuchen zu lassen.

Wir Männer in diesem Alter, wir halten uns ja alle für unverletzlich, wir gehen nicht gerne zu den Medical Checks.

Leider wurde bei dieser Untersuchung die Krebserkrankung entdeckt, die schon weit fortgeschritten war.

Doch wie viele Menschen im Rennsport war Laurent ein unermüdlicher Kämpfer. Er war sehr stark im Kopf, ein Kerl, der nie aufgab. Er hat sich vorgenommen, zu kämpfen und den Krebs zu besiegen. Das ist menschlich, man hat immer Hoffnung, man gibt sich nicht auf.

Laurent hat sich der Krankheit widersetzt, aber wir haben ihn nach der Dutch-TT nie mehr gesehen.

Laurent Fellon hat sich um Johann Zarco gekümmert, als dieser nach dem Gewinn des Red Bull Rookies Cup 2007 kein Team für die 125er-WM 2008 fand.

Ja, ich habe ihn damals wieder getroffen, aber eigentlich kannten wir uns seit unserer Teenager-Zeit in den 1970er-Jahren. Damals sind viele Fahrer wie Dominique Sarron im Honda-Cup entdeckt worden.

Nach dem Honda-Cup haben sich unsere Wege getrennt, aber wir sind immer lose in Kontakt geblieben.

Als Johann Zarco 2016 bei Aki Ajo den zweiten Moto2-Titel gewann, stellten Laurent und Johann sehr klar fest, das sie mit uns im Tech3-Yamaha-Team in die MotoGP aufsteigen wollten.

Das war auch für mich ein logischer und nachvollziehbarer Schritt. Denn Zarco war der beste Fahrer in Frankreich; und er war bereit für den Klassenwechsel. Wir hatten dann diese großartigen zwei Jahre 2017 und 2018 zusammen, mit Pole-Positions und Podestplätzen. Laurent war als Manager von Zarco immer bei uns.

Das private Tech3-Yamaha-Team hat damals das Werksteam mit Rossi und Viñales oft besiegt, auch mit Jonas Folger 2018.

Ja, das war eine erfolgreiche Phase.

Laurent hat danach für Johann für 2019 den Deal mit Red Bull-KTM eingefädelt.

Der Vertrag wurde bereits im Dezember 2017 unterschrieben. Laurent Fellon hat aber seinen Fahrer damals nicht so richtig eingeweiht.

(Poncharal schmunzelt). Ich würde behaupten, das entspricht zu 80 Prozent der Wahrheit.

Tatsache ist: Zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen Fellon und Zarco perfekt. Bis zur Saison 2018 passte kein Blatt Papier zwischen die beiden. Sie stecken immer zusammen.

Johann hatte sogar auf der Rückseite seines Sturzhelms eine Abbildung mit Laurent. Sie waren unzertrennlich.

Das änderte sich, als Zarco bei den Wintertests 2018 in Sepang und Doha sehr schnell war. Repsol-Honda und andere Teams wurden aufmerksam und machten Fellon und Zarco Angebote. Aber der Vertrag mit KTM für 2019 und 2020 war längst unterzeichnet.

Ja. Und natürlich haben wir 2017 und 2018 auch über die Zukunft gesprochen. Ich habe Laurent und Johann vor dem Saisonstart 2018 frühzeitig mitgeteilt, dass wir uns für 2019 mit KTM geeinigt haben.

Wir hatten uns nicht abgesprochen, aber wir fanden heraus, dass wir uns für dieselbe Marke entschieden hatten. Dabei haben wir uns vorher gar nicht über diese Pläne unterhalten.

Ich habe genauso an das KTM-MotoGP-Projekt geglaubt wie Laurent Fellon.

Johann hat Laurent sehr stark vertraut. Aber Laurent hat ihm nicht alles über den KTM-Vertrag erzählt. Johann hat seinem Manager die Entscheidung überlassen.

In dieser Phase ist es zum Beginn des Bruchs der Zusammenarbeit gekommen. Ich denke, Johann…

Er hat bedauert, dass sich Fellon zu früh für KTM entschieden hat, für ein Bike, das in der dritten Saison oft nicht konkurrenzfähig war. Das Yamaha-Team war mit Rossi und Viñales besetzt. Aber Repsol-Honda wäre reizvoll gewesen. Auch Ducati zeigte sich interessiert.

Wie auch immer. Die Zusammenarbeit zwischen Johann und KTM hat nicht funktioniert.

Ich habe das beobachtet und es sehr bedauert. Denn Johann hätte sich im Laufe der zwei Jahre bei KTM deutlich steigern können. Aber er befand sich in einer schwierigen Phase seines Lebens.

Es kam zu Meinungsverschiedenheiten mit Manager Laurent Fellon. Johann wollte etwas unabhängiger werden, er wurde erwachsen.
Was dann passiert ist, lässt sich nicht mehr ändern.

Ich fand es schade.

Laurent Fellon hat sich dann zu 100 Prozent um die Karriere seines Sohnes Lorenzo gekümmert, der über die CEV-Repsol-Moto3-Meisterschaft und den Rookies-Cup in die Moto3-WM gekommen ist.

Laurent hat seinen Traum gelebt. Er wollte mit seinem Sohn das nachbilden, was ihm mit Johann schon einmal gelungen war. Wir hoffen jetzt, dass Lorenzos Karriere in diese Richtung gehen wird.

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