Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Stefan Pierer: «Entscheidung für MotoGP war richtig»

Von Günther Wiesinger
KTM-Firmenchef Stefan Pierer beziffert den Aufwand für die MotoGP-Klasse mit 70 Millionen Euro im Jahr, «wenn du vorne mitfahren willst». Aber für die Österreicher haben sich die Investitionen gelohnt.

Der oberösterreichische Motorradhersteller KTM nahm 2017 in der MotoGP-WM den Kampf gegen die Giganten von Honda über Yamaha und Suzuki bis Ducati auf und lag beim Renndebüt in Doha mit Pol Espargaró und Bradley Smith mit drei Sekunden Rückstand auf den letzten Plätzen. Aber bereits 2020 gelang Rookie Brad Binder beim dritten Saisonrennen in Brünn der erste MotoGP-Sieg mit der KTM RC16.

Der Südafrikaner trug sich auch 2021 beim denkwürdigen Österreich-GP in Spielberg in die Siegerliste ein. Der Red Bull-KTM-Werkspilot verzichtete damals als einziger Pilot der Sechs-Mann-Spitzengruppe bei einsetzendem Regen mutig auf den Boxenstopp  zum Motorradwechsel – und tanzte und driftete mit den Slicks im Regen zum Sieg, 12,9 Sekunden vor Ducati-Star Pecco Bagnaia.

Als Pol Espargaró 2020 fünf Podestplätze einfuhr und den drittenWM-Rang gegen Alex Rins nur um vier Punkte verspielte, gab der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer die Devise aus, das Team müssen 2021 um den WM-Titel kämpfen. Doch KTM verlor nach den Erfolgen von 2020 die wertvollen «concessions»-Privilegien. KTM durfte also nicht mehr unbeschränkt mit den Stammfahrern testen und vier Motoren pro Fahrer und Saison mehr verheizen als die Siegerteams.

Deshalb erlebte KTM im Vorjahr bis zum Mugello-GP 2021 eine Schwächephase, die erst durch ein neues Chassis und verbesserten Kraftstoff ausgemerzt wurde.

Brad Binder glänzte 2021 durch den sechsten Gesamtrang, und da er in der Saison 2022 zwar keinen GP-Sieg errang, aber in 19 von 20 Rennen punktete und wieder WM-Sechster wurde (nur 1 Punkt hinter Jack Miller), fällt die KTM-Bilanz 2022 recht imposant aus.

Denn Miguel Oliveira hat inzwischen seit 2020 nicht weniger als fünf MotoGP-Siege für KTM sichergestellt, er hat mit Binder auch den zweiten Platz in der Team-WM errungen. Dazu ist KTM jetzt bei sechs Herstellern dreimal hintereinander in der Konstrukteurs-WM auf Platz 4 gelandet.

«Wir haben ja noch nie das olympische Prinzip gepredigt und gesagt, wir wollen nur dabei sein», hielt Stefan Pierer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. «Wenn wir in einer Serie mittun, wollen wir aufs Podium. Wir haben immer gesagt, wir werden in der MotoGP Geduld haben, denn wir haben auch bei der Dakar-Rallye und in der US-Supercross-Meisterschaft sieben oder acht Jahre gebraucht, bis wir den Gesamtsieg errungen haben. Dass wir die MotoGP ernst nehmen und in der Königsklasse langfristig planen, haben wir bewiesen, indem wir seit 2019 die Tech3-Mannschaft als Kundenteam gewonnen und den Vertrag mit der Dorna inzwischen bis Ende 2026 verlängert haben.»

Pierer weiter: «Wir sind 2017 als Offroadmarke in die MotoGP eingestiegen und mussten Lehrgeld bezahlen. Uns war immer bewusst, dass es unterschiedliche Zeiträume beanspruchen wird, bis wir um den MotoGP-WM-Titel kämpfen können. Wir haben es aber richtig gemacht, keine Frage, indem wir uns ab 2012 zuerst einmal mit der kleineren Moto3-Klasse beschäftigt haben. Nachher war auch das Thema Moto2 von 2017 bis 2019 sehr wichtig, weil wir da einiges gelernt haben.»

«Jetzt haben wir sechs Jahre MotoGP hinter uns. Am Ende des Tages können wir bereits die Bilanz ziehen: Die Entscheidung für MotoGP ist für die Marke das Beste gewesen, was wir tun konnten», versichert Stefan Pierer.

Es existiert die Erzählung, Vorstand Hubert Trunkenpolz, Motorsport-Direktor Pit Beirer und Berater Heinz Kinigadner hätten sich im Frühjahr 2014 vor einem Meeting mit Konzernchef Stefan Pierer etwas Mut angetrunken, ehe sie ihm den kostspieligen MotoGP-Einstieg schmackhaft machten.

Asien: Kein Interesse an der Moto3

Hubert Trunkenpolz rechtfertigte die Investition mit dem Plan und der Absicht, die enormen Kosten über Umsatzsteigerungen und Mehrverkäufe wettzumachen. «Denn mir ist aufgefallen, dass sich in Wachstumsmärkten wie in Asien kein Mensch für unsere Moto3-Erfolge interessierte, sondern alle nur von der MotoGP-Klasse redeten», stellte er fest. 

«Du brauchst natürlich für so ein Projekt ein entsprechendes Budget», räumt Stefan Pierer ein. «Da reden wir für die MotoGP-Klasse brutto von 70 Millionen, wenn du vorne mitfahren willst.»

Der Aufwand für die Klassen Moto3 und Moto2 wird als gering beziffert, weil dort die Einsätze mit Kundenteams getätigt werden, auch für die Marken GASGAS und Husqvarna.

«Die Moto2 ist eigentlich die günstigste Klasse, auch wegen der Einheits-Motoren», ist sich Stefan Pierer bewusst. «Bei den Chassis ist Kalex in der Moto2 fast zum Einheits-Hersteller geworden, obwohl es auch Boscoscuro nicht schlecht macht. Die Moto2 ist die Klasse, in der die jungen Fahrer für die MotoGP vorbereitet werden.»

«Man kann ja den medialen Gegenwert unsere MotoGP-Engagements messen», führt Hubert Trunkenpolz ins Treffen. «Und da sieht man, dass unsere MotoGP-Teams nicht nur einem Selbstzweck dienen. Wenn wir in der ‘premier class’ die Top-3 fahren, entspricht die Werbewirksamkeit einem Vielfachen des Investments. Die ‘brand awareness’ zahlt dann auf die Marke enorm ein. KTM wird dadurch viel stärker wahrgenommen. Und unser Plan, die MotoGP-Kosten durch Mehrverkäufe wieder einzuspielen, ist wirklich aufgegangen.»

«Es ist trotzdem gut und sinnvoll, dass wir die jungen Talente über die beiden kleinen Klassen an die MotoGP heranführen», hält Trunkenpolz fest. «Aber die mediale Aufmerksamkeit bekommst du als Hersteller nur in der MotoGP.»

MotoGP-Ergebnis, Valencia (6.11.):

1. Rins, Suzuki, 27 Rdn in 41:22,250 min
2. Brad Binder, KTM, + 0,396 sec
3. Martin, Ducati, + 1,059
4. Quartararo, Yamaha, + 1,911
5. Oliveira, KTM, + 7,122
6. Mir, Suzuki, + 7,735
7. Marini, Ducati, + 8,524
8. Bastianini, Ducati, + 12,038
9. Bagnaia, Ducati, + 14,441
10. Morbidelli, Yamaha, + 14,676
11. Bezzecchi, Ducati, + 17,655
12. Raúl Fernández, KTM, + 24,870
13. Gardner, KTM, + 26,546
14. Nakagami, Honda, + 26,610
15. Di Giannantonio, Ducati, + 31,819
16. Crutchlow, Yamaha, + 1:28,870 min
17. Alex Márquez, Honda, + 1 Runde
– Miller, Ducati, + 5 Runden
– Zarco, Ducati, + 12 Runden
– Viñales, Aprilia, + 12 Runden
– Marc Márquez, Honda, + 18 Runden
– Pol Espargaró, Honda, + 23 Runden
– Darryn Binder, Yamaha, + 23 Runden
– Aleix Espargaró, Aprilia, + 24 Runden

MotoGP-WM-Endstand (nach 20 Rennen):

1. Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.

 

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