Warum Suzuki am Ende plötzlich gewinnen konnte

Von Simon Patterson
Wenn man ein märchenhaftes Ende von Suzukis Zeit in der MotoGP schreiben würde, wären zwei Siege bei den letzten drei Grand Prix so ziemlich das beste Drehbuch, das uns hätte einfallen können.

Aber dieser Erfolg von Suzuki Ecstar wirft die Frage auf, wie ein Team, das bis zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre lang nicht gewonnen hatte und sich offensichtlich auf das Ende vorbereitete, diese scheinbar unmögliche Leistung vollbrachte.

Während eines Großteils des Jahres 2022 sah das Suzuki-Werksteam ziemlich verloren aus. Das Team, erst zwei Jahre zuvor mit Joan Mir MotoGP-Weltmeister, hat auch 2022 einen starken Start hingelegt, belegte mit Alex Rins nach dem Saisonbeginn einen zweiten Platz in der Fahrerwertung und lag nach dem ersten Europarennen in Portimao an der Spitze, gleichauf mit Yamaha-Star Fabio Quartararo.

Aufbauend auf einem Jahr 2021, das zwar nicht ganz den großen Erfolgen des Vorjahres entsprach, aber in dem Joan Mir dennoch den dritten Gesamtrang belegte, brachte Suzuki ein verbessertes Motorrad, das alle seine Schwächen verloren hatte. Und die Dinge schienen auf einem guten Weg zu sein.

Das Motorrad von 2022 konzentrierte sich auf ein Motorpaket, das die schwierige Aufgabe bewältigt hatte, erheblich schneller und leistungsstärker zu werden, ohne das sanfte Handling der GSX-RR zu beeinträchtigen (ein Motorrad, das oft mit einer 250-ccm-Zweitaktmaschine verglichen wird). Es war genau das, wonach die Fahrer gefragt hatten.

Das zeigten auch die starken Ergebnisse zu Jahresbeginn. In den ersten fünf Rennen des Jahres war Suzuki mit beiden Motorrädern nie außerhalb der Top-7. Und da Alex Rins schon früh zwei Podestplätze errang, sah es für Suzuki sehr danach aus, als würde der japanische Hersteller sein Testpotenzial vor der Saison voll ausschöpfen können – bis am Montag nach dem Jerez-GP am 2. Mai die Welt um das Team zusammenbrach.

Erste Gerüchte in Portimão

Die Nachricht von Suzukis ernüchternden und haarsträubenden Plänen erreichte das Teammanagement erstmals am Sonntagabend nach dem Rennen in Portimão, kurz nachdem Rins und Mir die Führung in der Team-Meisterschaft übernommen hatten. Suzuki würde sich am Ende der Saison zurückziehen, das GSX-RR-Entwicklungsprogramm beenden und vor allem 40 hart arbeitende Menschen arbeitslos machen, war zu hören. 

Den Teammitgliedern und Piloten wurde die Hiobsbotschaft eine Woche später, am Montagabend nach einem Test nach dem Rennen beim Großen Preis von Spanien in Jerez, mitgeteilt. Es war eine Nachricht, die völlig ohne Vorwarnung kam – und sie leitete das Ende aller Titelambitionen ein.

Das Team stand kurz davor, sowohl Mir als auch Rins für 2023 und 2024 neu zu verpflichten, und der neu ernannte Teamchef Livio Suppo kam gerade in seine neue Aufgabe rein, den Kader zu leiten und das Chaos von 2021 auszugleichen, das durch Davide Brivios Schockabgang ausgelöst wurde.

Die Ergebnisse der nächsten Rennen sprechen für sich. Zwei Ausfälle für Mir und Rins in Le Mans und Mugello. Ein gebrochenes Handgelenk für den bisherigen Meisterschaftsanwärter Alex Rins in Barcelona, was dazu führte, dass er auch den Lauf auf dem Sachsenring verpasste. Ein schrecklicher und untypischer Highsider in der ersten Runde von Joan Mir auf dem Red Bull Ring, der seine Saison ruinierte.

Das Team verlor anscheinend seine stärkste Fähigkeit – vor allem in der ersten Runde von schlechten Qualifying-Positionen zu hervorragenden Spitzenpositionen vorzustoßen – und fuhr nach Bekanntwerden der Nachricht mit nur einem einzigen Top-6-Ergebnis aus den neun Rennen zu den WM-Läufe in Übersee am Ende der Saison.

Es scheint zwei Gründe dafür zu geben. 

Erstens: Während Suzuki zunächst versprach, dass das Budget für 2022 vollständig ausgegeben und die Entwicklung nicht beeinträchtigt würde, ist klar, dass technische Angelegenheiten dennoch einen Rückschlag erlitten haben. Sicher, es wurde weiterhin die eine oder andere Optimierung gebracht (sogar ein privater Test nur wenige Tage vor den letzten Rennen in Japan), aber der normale Fluss neuer Komponenten, die für 2023 entwickelt wurden, wurde frühzeitig abgebrochen.

Zweitens: Der weitaus größere Schlag war jedoch die Auswirkung auf die Moral. Suzuki war als das glücklichste und freundlichste Team des Fahrerlagers bekannt. Es wurde viel darüber geschrieben, wie Brivio es geschafft hat, ein Werksteam aufzubauen, das sich wie eine Familie anfühlt – aber als die Nachricht bekannt wurde, dass sich diese Familie nach 2022 trennen wird, begannen die Risse aufzutauchen.

Natürlich gab es keine Auseinandersetzungen, aber die Prioritäten änderten sich; die Leute begannen mit der Jobsuche, die Arbeitsleistung ließ offensichtlich nach, und es war zu sehen, wie die Moral sank, was durch eine lange Zeit schlechter Leistungen und Verletzungen der Fahrer noch verstärkt wurde.

Als es also zum drittletzten Rennen der Saison auf Phillip Island ging, wurde nicht mehr viel erwartet. Selbst angesichts der Stärke der GSX-RR in der Vergangenheit auf einer Strecke, die durchaus zum Konzept der Suzuki passte.

Aber es gibt ein besonderes Phänomen im Rennsport, bei dem man sich manchmal nur zu denken braucht, man sei stärker als auf dem Papier, um sich wieder zurechtzufinden.

Fahrer werden regelmäßig aus der Ratlosigkeit geholt, wenn sie auf ihrer Lieblingsstrecke oder bei ihrem Heimrennen ankommen. In einer Sportart, in der es so eng zugeht wie in der MotoGP, ist Selbstvertrauen genauso wichtig wie technische Stärke. Und Alex Rins kam nach Phillip Island mit einer breiteren Schulter als in den letzten sechs Monaten.

Die natürliche Art der Rennen am legendären australischen Ort hilft natürlich auch. Rins konnte sich auf einen Kampf einlassen, in dem seine Vorteile bei der Kurvengeschwindigkeit ein großes Plus bedeuteten. Rins wurde zum großen Kämpfer und lieferte einen Sieg ab, der seinem Selbstvertrauen entsprach und die Erwartungen übertraf.

Während Sepang keine Strecke für eine solche Wiederholung sein konnte, hatte Valencia das Potenzial dazu. Nun kam Suzuki zurück zu einer vollständigen Fahreraufstellung, deren Fehlen Suzuki zuvor viel gekostet hat, dank der unzureichenden Datenmenge, die gesammelt wurde, weil nur ein schneller Fahrer dabei war, während der andere (Joan Mir) verletzt war. Das WM-Finale endete erneut mit einem Höhepunkt, mit dem zweitem Sieg im dritten Rennen von Alex Rins.

Und in diesen beiden Siegen liegt ein Hinweis auf das Potenzial, das die letzte Version der GSX-RR wirklich gehabt haben könnte.

Sie war technisch besser als die Maschine von 2021 und nur von anderen Problemen geplagt. Hätten beide Fahrer eine verletzungsfreie Saison und einen unterschriebenen Vertrag mit Suzuki für das nächste Jahr in der Tasche gehabt, hätten sich die Dinge 2022 ganz anders entwickeln können.

MotoGP-WM-Endstand 2022 (nach 20 Rennen):

1. Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.

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