Ducati: Die beschwerlichen ersten 20 MotoGP-Jahre

Von Günther Wiesinger
Zwei MotoGP-Fahrer-WM Titel hat Ducati Corse in 20 Jahren gewonnen – mit Stoner 2007 und Bagnaia 2022. Ein Rückblick auf die Höhepunkte und zahlreichen Rückschläge.

Ducati Corse präsentiert am Montag beim Event «Campioni in Pista» erstmals seit zehn Jahren das MotoGP-Team wieder im Skiort Madonna di Campiglio im Trentino. Neben Pecco Bagnaia und seinem neuen Teamkollegen Enea Bastianini stellt Ducati auch die Aruba.it.-Superbike-Werksmannschaft mit Álvaro Bautista und Michael Rinaldi vor.

Ducati hat in der MotoGP-WM 2022 nicht weniger als vier Fahrer in den Top-8 platziert und mit acht Fahrern in vier Teams 32 Podestplätze errungen, Honda hingegen nur zwei. Dazu kommen 12 GP-Siege und 16 Pole-Positions bei 20 Rennen.

Aber wenn wir jetzt nach Madonna di Campiglio aufbrechen, erinnern wir uns auch an einige magere Jahre, die nach Casey Stoners Titelgewinn nach der neuen 800-ccm-Ära (2007 bis Ende 2011) über die Roten aus Borgo Panigale hereinbrachen. Da  blicken wir in Gedanken an den erfreulichen MotoGP-Einstieg der Desmosedici 2003, also vor genau 20 Jahren. In der ersten Viertakt-MotoGP-Saison 2002 mischte Ducati nicht mit, denn man wollte sich gewissenhaft auf die «premier class» vorbereiten.

Es lohnte sich: Capirossi und Bayliss liessen zum Beispiel alle Yamaha hinter sich und sicherten sich die WM-Ränge 4 und 6, hinter den drei Fünfzylinder-Honda von Rossi, Gibernau und Biaggi, Hayden wurde mit der Repsol-Honda WM-Fünfter.

Der italienische Erzrivale Aprilia wollte unbedingt ein Jahr vor Ducati dabei sein, diese Devise gab Firmenchef Ivano Beggio damals aus, obwohl die Rennabteilung Reparto Corse von Jan Witteveen mit der 125er-, 250er- und Superbike-WM schon ausreichend beschäftigt war. Deshalb wurde der 990-ccm-Dreizylinder-Cube-Motor nicht in Noale entwickelt, sondern in der Formel-1-Abteilung von Cosworth in England ausgebrütet.

Oktober 2013: Aufbruchsstimmung dank Dall'Igna

Wenn wir vor zehn oder zwölf Jahren in Madonna eingetroffen sind, haben wir manchmal beim Anblick der neuen Desmosedici zuerst einmal gezählt, wie viele Sponsoren wegen der tristen Ergebnisse wieder abgesprungen sind.

Als sich 2012 die Volkswagen-Gruppe den Motorradhersteller Ducati Motor für kolportierte 730 Millionen Euro einverleibte, war wieder Aufbruchsstimmung zu spüren. Besonders ab Oktober 2013, als Gigi Dall’Igna von der Piaggio Group als neuer General Manager von Ducati Corse installiert wurde.

Vorher hatte sich bei Ducati Häufung von Fehlschlägen angesammelt, die teilweise schon in Vergessenheit geraten sind.

Stoner war bei seinem Titelgewinn noch mit einen Gitterrohrstahlrahmen unterwegs. Doch der damals Technical Director Ing. Filippo Preziosi bildete sich dann ein Karbon-Monocoque-Chassis ein, von dem Loris Capirossi sagte: «Der Motor als tragendes Teil wirkt wie ein Felsblock, das Chassis hat nicht genug Flex, die Kiste ist viel zu steif, man spürt das Limit der Reifen nicht.»

Selbst Valentino Rossi, der vor seinem Wechsel zu Ducati für 2011 und 2012 von einer himmlischen Ehe sprach, konnte mit der Desmosedici nichts ausrichten. Er blieb zwei Jahre lang sieglos.

Nach der Rückkehr zu seiner geliebten M1-Yamaha beendete er die MotoGP-WM von 2014 bis 2016 dreimal in Serie auf dem zweiten Gesamtrang!

Rossi vollendete den Valencia-GP auf der Yamaha 2010 als Dritter, drei Tage später landete er beim ersten Ducati-Test auf Platz 17.

Da ahnte der siebenfache MotoGP-Weltmeister, auf welches Abenteuer er sich eingelassen hatte.

Der Italiener drängte Preziosi zum Bau eines Alu-Chassis, wie es Honda, Yamaha und Suzuki damals verwendeten. Insider erzählten, Valentino habe dazu seine WM-Yamaha von 2009 für einen Anschauungsunterricht nach Borgo Panigale transportiert. In Rossis Ducati-Zeit fiel auch die MotoGP-Hubraumerhöhung von 800 ccm auf 1000 ccm für 2012. 

Es sollte bei Ducati nach 2007 dann 15 Jahre bis zum nächsten Titelgewinn in der Fahrer-WM dauern.

Nach 6 mageren Jahren: Iannone siegt in Spielberg 

Es waren wechselhafte, turbulente Jahre, in denen sich kein Top-Team darum drängte, ein Ducati-Kundenteam zu werden, man musste sich mit Rennställen wie AB Motorsport und Fahrer Karel Abraham begnügen.

Immerhin gewann Andrea Iannone in Spielberg 2016 erstmals seit Stoner 2010 in Australien wieder ein MotoGP-Rennen, Dovizioso schlug im selben Jahr in Sepang zu.

Casey Stoner kehrte 2016 zu Ducati als Testfahrer zurück, er überlegte GP-Teilnahme GP von Österreich 2016, weil die kraftvolle Desmosedici dort bei Testfahrten im Juli unschlagbar schien und Ducati ergründen wollte, ob Casey immer noch schneller als Dovi und Iannone sei.

«Die Wildcard für den Österreich-GP 2016 war ein ernstes Thema», gab der Australier einige Jahre später bei einem Besuch des Mugello-GP zu.

Als sich abzeichnete, dass «Dovi» womöglich wirklich nicht ganz in derselben fahrerischen Liga wie Marc Márquez, Rossi, Pedrosa und zeitweise Viñales spielte, wurde für 2017 und 2018 der dreifache MotoGP-Weltmeister Jorge Lorenzo für 25 Millionen (für 2 Jahre) von Yamaha weggelockt.

Lorenzo siegte 2018 dreimal, wechselte aber dann zornig zu Repsol-Honda, weil ihm Ducati-CEO Claudio Domeniciali bereits acht Tage vor seinem ersten GP-Triumph auf Ducati in Mugello das Misstrauen ausgesprochen hatte.

Übrigens: Dass Stoner 2007 auf der neuen 800-ccm-Ducati saß, war eine Notlösung. Die Italiener wollten unbedingt Marco Melandri haben, den MotoGP-Vizeweltmeister von 2005 und WM-Vierten von 2006. Aber er hatte für 2007 noch einen Vertrag bei Gresini-Honda. Also wurde der WM-Achte Stoner von LCR-Honda engagiert.

Melandri kam dann erst 2008 – und stürzte mit der widerspenstigen Desmosedici auf den 17. WM-Rang ab. Stoner rettete die Ehre als Vizeweltmeister, aber er büsste 93 Punkte auf Weltmeister Rossi (Yamaha) ein.

Für 2009 setzte sich Melandri zu Kawasaki ab. Nicky Hayden verstärkte das Ducati-Werksteam als Teamkollege von Stoner, doch der amerikanische MotoGP-Weltmeister von 2006 (auf der Repsol-Honda) kam über den 13. WM-Rang nicht hinaus.

Die Fahrer-Paarungen von Ducati Corse

2003
Loris Capirossi (4.), Troy Bayliss (6.)
2004
Loris Copirossi, Troy Bayliss
2005
Loris Capirossi, Carlos Checa
2006
Loris Capirossi, Sete Gibernau
2007
Casey Stoner, Loris Capirossi
2008
Casey Stoner, Marco Melandri
2009
Casey Stoner, Nicky Hayden
2010
Casey Stoner, Nicky Hayden
2011
Valentino Rossi, Nicky Hayden
2012
Valentino Rossi, Nicky Hayden
2013
Andrea Dovizioso, Nicky Hayden
2014
Andrea Dovizioso, Cal Crutchlow
2015
Andrea Dovizioso, Andrea Iannone
2016
Andrea Dovizioso, Andrea Iannone
2017
Andrea Dovizioso, Jorge Lorenzo
2018
Andrea Dovizioso, Jorge Lorenzo
2019
Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci
2020
Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci
2021
Pecco Bagnaia, Jack Miller
2022
Pecco Bagnaia, Jack Miller
2023
Pecco Bagnaia, Enea Bastianini

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