Hervé Poncharal (GASGAS): «Pol hat Lektion gelernt»
Pit Beirer, Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, Husqvarna und GASGAS, betont zwar, dass die Rundenzeiten auch beim kommenden MotoGP-Test in Portimão (Samstag und Sonntag, 11./12. März) nicht im Vordergrund stehen werden, weil es immer noch neue Teile zu testen gibt. Aber man kann sich ausmalen, dass die Pierer-Asse Brad Binder und Jack Miller (Red Bull KTM) sowie Pol Espargaró (GASGAS) bei der ersten günstigen Gelegenheit am Wochenende eine «time attack» veranstalten werden, denn jeder Spitzenfahrer will eine Standortbestimmung haben, bevor er zum Saisonauftakt in Portimão (24. bis 26. März) kommt.
Der Franzose Hervé Poncharal, Besitzer des neu formierten GASGAS Factory Racing Tech3 Teams mit Pol Espargaró und Moto2-Weltmeister Augusto Fernández, ist gespannt auf das Abschneiden seiner Schützlinge – und der KTM-Mannschaft.
Pol Espargaró ließ beim Sepang-Test mit Platz 13 seine KTM-Kollegen hinter sich, dabei hatte er am dritt en und letzten Tag früher eingepackt. «Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass man bei den Rennen vorne sein muss, nicht bei den Wintertests», erklärte der 31-jährige Routinier. «Ich wollte keine Verletzung mehr riskieren beim Versuch, mit einem frischen Reifensatz noch ein paar Zehntel herauszukitzeln.»
«Was Pol in Sepang gesagt hat, ist richtig und wahr. Aber ich will nicht leugnen, dass wir mit einem dritten oder fünften Platz beim Test glücklicher gewesen wären. Das ist klar», räumte Hervé Poncharal im Gespräch mit SPEEDWEEK.com ein. «Aber was mir gefallen hat: Pol war an siebter Stelle, als er in Malaysia vom Motorrad gestiegen ist. Paul Trevathan sagte ihm dann: ‘Wir haben einen Satz neuer Reifen bereit.’ In der Vergangenheit hätte Pol immer sofort zugegriffen. Dieses Mal hat er erklärt: ‘Wir haben alles durchprobiert, was wir zu testen hatten. Ich habe den Ingenieuren alle Kommentare gegeben. Sie können jetzt alle 2023-Bikes für den Portimão-Test und den Saisonstart vorbereiten.' Pol wusste, er hätte vielleicht 0,3 oder 0,4 sec schnell fahren können. Aber welchen Zweck hätte das gehabt? Er wollte das Motorrad nicht zerstören und keine Verletzung riskieren. Das wäre sinnlos gewesen. Viel wichtiger war, dass er alle neuen Komponenten und Spezifikationen durchgetestet hat; er hat seine Hausaufgaben erledigt. Jetzt werden wir am Wochenende in Portimão mit der neuen GASGAS genau sehen, wo wir genau stehen.»
Pol Espargaró hat 2018 mit der Red Bull -KTM im Regen in Valencia den ersten Podestplatz für die Österreicher erreicht. Insgesamt hat er in neun MotoGP-Jahren (drei bei Tech3-Yamaha, vier bei KTM, zwei bei Repsol-Honda) bereits drei Pole-Positions sichergestellt und acht Podestplätze. Nur der erste MotoGP-Sieg fehlt noch in seinem Repertoire.
Doch der kampfstarke Spanier lässt manchmal die Beständigkeit vermissen, die beispielsweise einen Brad Binder auszeichnet, der in zwei Jahren nur zwei Nuller verzeichnet hat.
Hervé Poncharal ist überzeugt, dass sich Pol Espargaró in diesem Punkt steigern wird. «Wir werden jedes Jahr älter und reifer», weiß der Franzose. «Das gilt für Pol und uns als Team. Pol steht an einem Punkt seiner Karriere, wo er sich nicht mehr als Anfänger fühlen darf. Er hat Erfahrung, er ist ein pfiffiger Bursche. Er kennt seine bisherigen Schwächen, er kann mit Kritik umgehen. Was er am Ende des Sepang-Tests gemacht hat, ist sehr interessant. Ich will nicht vorhersagen, was er in der Zukunft zustande bringen wird. Aber es sieht so aus, als würde sich der Pol Espargaró des Jahrgangs 2023 vom Pol der letzten Jahre unterscheiden. Er hat in den letzten zwei Jahren gelitten und hat eine Lektion gelernt.»
Poncharal weiß, dass durch das neue MotoGP-Format bei den Fahrern ein Umdenken erfolgen muss.
«Denn wir haben jetzt an jedem der 21 GP-Wochenende die Sprints am Samstag um 15 Uhr und die üblichen Rennen über die volle Distanz am Sonntag», rechnet der GASGAS-Tech3-Teamchef vor. «Es gibt maximal 37 Punkte pro Weekend zu gewinnen. Es wird also am Jahresende bei den Toppiloten eine riesige Punkteanzahl in der Tabelle stehen. Deshalb wird es manchmal besser sein, in einem Rennen eine Position zu verlieren als zu stürzen und keinen Punkt zu holen.»
Miguel Oliveira kündigte vor einem Jahr an, er müsse lernen, in den Rennen wegen der enormen Leistungsdichte auch mal durchschnittliche Ergebnisse zu akzeptieren, also Plätze zwischen 6 und 10. Durch diese Strategie schaffte er bei 20 Rennen nicht weniger als 149 Punkte, den zehnten WM-Gesamtrang – und leistete sich nur drei Nuller.
«Ja, wir haben mit Pol darüber gesprochen. Aber es ist natürlich immer leicht für uns, an einem Tisch zu sitzen, fachzusimpeln und gute Ratschläge zu geben», ist sich Poncharal bewusst. «In der Hitze des Gefechts sieht alles anders aus. Da kannst du manchmal als Fahrer etwas die Kontrolle verlieren. Aber Pol hat uns versichert, er möchte sich 2023 von einer anderen Seite zeigen. Wir werden sehen. Pol weiß, dass das neue Rennformat jene Fahrer favorisieren wird, die jeden einzelnen Wettkampf beenden. Wir werden jedenfalls am 25. März alle sehr aufmerksam auf die erste Kurve nach dem Sprint-Start blicken…»
Sepang-Test, kombinierte Zeiten (10. bis 12.2.):
1. Marini, Ducati, 1:57,889 min
2. Bagnaia, Ducati, + 0,080 sec
3. Viñales, Aprilia, + 0,147
4. Bastianini, Ducati, + 0,260
5. Martin, Ducati, + 0,315
6. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,418
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,455
8. Bezzecchi, Ducati, + 0,474
9. Alex Márquez, Ducati, + 0,496
10. Marc Márquez, Honda, + 0,777
11. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,812
12. Mir, Honda, + 0,895
13. Pol Espargaró, GASGAS, + 0,908
14. Brad Binder, KTM, + 0,923
15. Oliveira, Aprilia, + 0,950
16. Zarco, Ducati, + 0,963
17. Quartararo, Yamaha, + 1,008
18. Miller, KTM, + 1,012
19. Rins, Honda, + 1,043
20. Morbidelli, Yamaha, + 1,097
21. Nakagami, Honda, + 1,646
22. Augusto Fernández, GASGAS, + 1,771
23. Crutchlow, Yamaha, + 2,034
24. Bradl, Honda, + 2,546
25. Nakasuga, Yamaha, + 3,350