Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer (GASGAS): «Es gibt kein B-Material mehr»

Von Günther Wiesinger
Die Pierer-Gruppe scheut keinen Aufwand, um in der MotoGP-WM endlich um den Titel fighten zu können. KTM und GASGAS setzen gleichwertige Werksmaschinen ein, für 2023 sind drei Siegfahrer unter Vertrag.

Die Pierer Mobility AG beliefert jetzt das fünfte Jahr das Tech3-Team mit MotoGP-Maschinen, und obwohl die Tech3-Mannschaft von Hervé Poncharal bei der Dorna offiziell als Kundenteam eingeschrieben ist (wie Pramac, LCR, Mooney VR46, Gresini Racing und RNF Aprilia) wird die neue GASGAS-Truppe als Factory Racing Team bezeichnet, und dieser Teamname soll 2023 auch halten, was er verspricht. GASGAS wird als zweites echtes Werksteam aus Österreich behandelt.

Obwohl die GASGAS-RC16-Bikes technisch mit den KTM RC16 identisch sind, gilt das neue MotoGP-Fabrikat in der Konstrukteurs-WM als separater Hersteller. Das wird auch in der Moto3-WM seit Jahren so gehandhabt und war auch in der Piaggio Group-Ära in der 125er-WM- und 250er-WM so, als dort die Aprilia-Bikes auch als Derbi 125 oder Gilera 250 eingesetzt wurden. Und der indische Mahindra-Konzern hat jahrelang mit Peugeot eine Zweitmarke in der Moto3-WM betrieben.

Der Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer hat die MotoGP-Kosten gegenüber SPEEDWEEK.com im Vorjahr mit ca. 70 Millionen Euro pro Saison beziffert. 2023 kann die Pierer-Gruppe die MotoGP-Kosten erstmals auf zwei Marken aufteilen. Eine separate Motorradentwicklung ließe sich im Konzern hingegen finanziell nicht rechtfertigen.

«Ein MotoGP-Team hat einen unglaublichen Wert», versichert Pit Beirer, der Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG. «Unser Nr.-1-KTM-Team ist seit 2017 im Einsatz, das Tech3-Kundenteam kam 2019 dazu. Doch irgendwann haben wir uns gefragt, wie wertvoll das zweite KTM-Team für unser Unternehmen ist. Klar, es ist ein Wert vorhanden. Aber das zweite MotoGP-Team mit GASGAS zu betreiben, macht auf jeden Fall mehr Sinn. Es war ja immer unser Bestreben, alle vier MotoGP-Fahrer mit identischem Material auszurüsten, auch wenn das manchmal extrem schwierig ist, wenn während der Saison neue Teile entwickelt und getestet werden.

Beirer weiter: «Wir mussten in der MotoGP-Klasse einiges lernen. Wir mussten wachsen, bis wir alles auf eine hochrangige Qualitäts-Plattform bringen konnten. Jetzt sind wir bereit für diesen letzten Schritt. Wir fühlen uns in der Lage, zwei Teams in diesem Fahrerlager mit ebenbürtigen Bikes auf höchstem Level auszustatten. Wir können jetzt für alle vier Fahrer fantastische 2023-Motoren homologieren lassen. Es gibt kein B-Material und kein Downgrading mehr. Wir meinen, das ist fair, das sollte normal sein.»

«Auch in anderen Disziplinen, zum Beispiel im Rallye Sport und im Motocross, geben wir allen Mannschaften, die wir als Factory Team bezeichnen, das gleiche Material. Das ist leicht gesagt, aber die wahrhaftige Umsetzung gestaltet sich nicht so einfach», räumt Pit Beirer ein, der bei Red Bull KTM mit Brad Binder und Jack Miller und bei GASGAS mit Pol Espargaró und Augsto Fernández zwei vielversprechende Fahrerduos unter Vertrag hat.  

Die Pierer-Gruppe treibt jedenfalls einen Aufwand, der sich hinter jenem des Giganten Honda (die Japaner verkaufen 17 Millionen motorisierte Zweiräder im Jahr) nicht verstecken muss. «Wir haben für KTM 15 Tonnen Material zum Sepang-Test verfrachtet», hält Beirer fest. «Dazu kamen noch einmal 15 Tonnen auf der Seite von GASGAS. Der Aufwand für unsere vier Fahrer ist riesig.»

Doch die Österreicher, die 2020 mit Pol Espargaró in der MotoGP-Fahrer-WM Platz 5 erreicht und Brad Binder in den letzten zwei Jahren auf den sechsten Gesamtrang gebracht haben, wollen 2023 endlich um den Titel fighten. Oder zumindest konstant aufs Podest fahren und keine langen Schwächephasen mehr erleben – wie 2021 und 2022.

«Der Grund für unsere täglichen Anstrengungen ist klar. Wir wollen unsere Fahrer glücklich machen», erklärte Pit Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wenn wir zufriedene und zuversichtliche Fahrer haben, werden wir auch die gewünschten Resultate erreichen. In der MotoGP gibt es keine Abkürzung zum Erfolg. Du kannst die Resultate nicht kaufen; du kannst nicht einfach ein Team übernehmen und damit Erfolg haben. Ein konkurrenzfähiges Motorrad ist die Basis. Wir sind noch nicht zu 100 Prozent dort, wo wir sein wollen, denn es gibt ausgezeichnete Hersteller in dieser Kategorie. Aber wir rücken der Spitze näher und sind bereit, den letzten Schritt zu machen, um ein wirklich konkurrenzfähiger Hersteller zu werden.»


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