FIM-Stewards: Wer ambitioniert fährt, wird bestraft
Die Verantwortlichen von Yamaha Motor Racing (YMR) haben den wieder einmal stark unter Beschuss geratenen Spitzenfunktionären des Motorradweltverbands FIM unmittelbar nach dem GP von Spanien in Jerez in einer schriftlichen Stellungnahme unmissverständlich mitgeteilt, dass sie für die sinnlosen Bestrafungen von Franco Morbidelli (er war in den Startcrash im Sprint verwickelt) und Fabio Quartararo nicht das geringste Verständnis haben.
Bei Morbidelli lautete das erste Urteil, er habe sich einer unverantwortlichen Fahrweise befleissigt und deshalb andere Piloten in Gefahr gebracht- Und als das Yamaha Factory Team dagegen Einspruch erhob, wurde er von den Appeals Stewards Ralph Bohnhorst und Mario Solana mit der Begründung abgelehnt, der Italiener sei beim Überholversuch von Alex Márquez «ambitioniert» ans Werk gegangen, er habe zu wenig Platz dafür gehabt, dadurch habe er einen «collective Crash» ausgelöst.
Naja, da stellt sich zuerst einmal die Frage: Wann darf man von einem Massencrash reden? Bei drei Fahrern (Morbidelli, Alex Márquez, Bezzecchi) würde ich diesen Ausdruck gerne vermeiden.
Denn wie soll ich dann die Massenkollision von Barcelona 2006 bezeichnen, bei der doppelt so viele Fahrer im Kiesbett gestrandet sind?
Der Katalonien-GP 2006 wurde kurz nach dem Start abgebrochen, weil Sete Gibernau, Loris Capirossi, Marco Melandri, Randy de Puniet, Dani Pedrosa und John Hopkins nach fürchterlichen Crashes in Kiesbett lagen.
Beim Anbremsen von Turn 1 waren damals die beiden Ducati-Werksfahrer Sete Gibernau und WM-Leader Loris Capirossi aneinandergeraten. Der Italiener berührte dabei aus Versehen den Bremshebel von Setes Motorrad… Bestraft wurde übrigens niemand.
Heute merken selbst die Stewards allmählich selbst, dass sie zu häufig, oft willkürlich und zu hastig Strafen verhängen, kaum Zeigen anhören und vor den Argumenten der Teilnehmer die Ohren verschliessen, weil sie so viele Kamera-Positionen zur Rate ziehen können und ihnen ein Wunderwerk von Technologie zur Verfügung steht.
Und offenbar fühlt sich das «FIM MotoGP Stewards Panel» bemüssigt, seine Abwesenheit bei den Grand Prix mit täglichen Bestrafungen zu rechtfertigen.
Dabei gilt im Fußball: Die besten Schiedsrichter sind jene, die gar nicht wahrgenommen werden.
Die Begründung der Appeal Stewards, Morbidelli sei in der zweiten Kurve beim Sprint zu «ambitioniert» gewesen, ist innerhalb von zwei Wochen zum «running gag» Fahrerlager geworden. Sollten die Teams ihre ambitionierten Fahrer künftig lieber daheim lassen?
Die Stegreif-Komödianten der FIM haben ihren Ruf wieder einmal alle Ehre gemacht.
«Diese Begründung war absurd», stellte Lin Jarvis im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. «Das stellt ja den Höhepunkt aller Absurditäten in diesem Fall dar. Denn zuerst wurde Franky diese ‚long lap‘ wegen seiner 'unverantwortlichen Fahrweise' aufgebrummt. Ja, wenn jemand gefährlich fährt, gebührt ihm eine Strafe. Aber wenn sie beim Appeal dieses Wort wegstreichen und stattdessen einem MotoGP-Fahrer seine ambitionierte Fahrweise zum Vorwurf machen – bitte, was soll das bedeuten?»
Lin Jarvis ärgert sich maßlos. «Jetzt darf ein Rennfahrer also nicht mehr ‚ambitious‘ sein? Was sagt man dazu? Wir haben uns in Jerez bei den Stewards gegen diesen neuen Vorwurf gewehrt und gefragt, warum der Begriff der gefährlichen Fahrweise eliminiert wurde? Das bedeutete ja, dass Franky also nicht auf gefährliche Art und Weise gefahren ist. Er hat aber trotzdem die Strafe bekommen! Die Antwort der Stewards war fadenscheinig; es blieb einfach beim Penalty...»
Viele MotoGP-Teammanager und Teamprinzipals wunderten sich in Le Mans auch, weil sie zum Meeting der Safety Commission mit den Fahrern und Stewards keinen Zutritt bekamen. «Das ist lächerlich», klagte einer von ihnen. «Klar, die Fahrer sind die Teilnehmer. Aber auch die Teambesitzer und Teammanager haben Interesse und einen intelligenten Überblick, was bei ihren jeweiligen Fahrern vor sich geht.»