KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Jack Miller (KTM): Warum er Marc Márquez kritisierte

Von Günther Wiesinger
Red Bull-KTM-Werkspilot Jack Miller kritisierte jene Fahrer, die sich dauernd über ihre lahmen Bikes beschweren. Er nannte keine Namen, aber er meinte wohl Márquez und Quartararo.

Zum Thema Techniker, Ingenieure und Crew-Chiefs beim momentan etwas holprigen Repsol-Honda-MotoGP-Projekt lieferte am Sonntag beim Sachsenring-GP auch Red Bull-KTM-Star Jack Miller einen Beitrag, der unsere Aufmerksamkeit verdient. Denn der 28-jährige Australier verfügt über wertvolles Insider-Wissen. Er bestritt nämlich seine ersten drei MotoGP-Jahre 2015 bis 2017 mit einem HRC-Werksvertrag bei LCR und dann bei Marc VDS, ehe er zu Pramac-Ducati und dann 2021 ins Lenovo-Ducati-Werksteam wechselte. Bei Pramac und Lenovo war Miller jeweils Teamkollege von Pecco Bagnaia.

Bei Honda wurde Miller als MotoGP-Neuling 2015 und 2016 vom legendären Crew-Chief Cristian Gabarrini betreut, der jetzt mit Bagnaia erfolgreich ist, bereits die MotoGP-WM 2007 bei Ducati mit Casey Stoner gewonnen und ihn dann zu Repsol-Honda begleitet hat, wo Stoner 2011 abermals Weltmeister wurde.

Nach dem Rücktritt von Stoner Ende 2012 sollte Gabarrini bei Repsol-Honda den neuen Moto2-Weltmeister Marc Márquez betreuen. Doch Marc und sein Manager Emilio Alzamora, der das Moto2-Team für die Nummer 93 betrieb, pochten auf eine Übernahme der Moto2-Technikmannschaft mit Crew-Chief Santi Hernandez, dem deutschen Daten-Ingenieur Gerold Bucher und so weiter, denen jedoch jegliche MotoGP-Erfahrung bei Honda fehlte.

Gabarrini durfte im Grunde ein Jahr spazieren gehen, warf aber immer ein Auge auf die Geschehnisse bei Repsol-Honda. So durfte er betroffen zusehen, wie die Hernandez-Márquez-Truppe in Australien mit der schwarzen Flagge aus dem Rennen genommen wurde, weil sie den Pflichtstopp für den Wechsel des Bridgestone-Hinterreifens (durch den neuen Belag hielten die Reifen die Renndistanz nicht durch) als einzige verschlafen hatten.

Ab 2015 betreute Gabarrini (er kümmert sich bei Ducati längst um Weltmeister Pecco Bagnaia) dann Jack Miller bei LCR-Honda und im folgenden Jahr bei Marc VDS-Honda. 2016 gewann das Duo den Regen-GP in Assen.

Am vorletzten Sonntag nach dem sechsten Platz auf dem Sachsenring wetterte Jack Miller, ganz offenbar an die Adresse von Honda und von Marc Márquez gerichtet: «Sie haben 99 Prozent ihrer Ingenieure rausgeschmissen. Denn er wollte seine eigenen Ingenieure dort haben. ‘Now they are fucked.’ Jetzt sind sie am Arsch und bringen nicht einmal mehr eine komplette Runde zusammen. Alle jammern über ihre Bikes, aber keiner tut was dagegen. Meine Empfehlung: ’Halte den Mund und mach’ deinen Job. Du wirst bezahlt, um ein Motorrad zu fahren und nicht, um eine verdammte Prinzessin zu sein und dich über dein Bike zu beschweren.’»

«Thriller Miller» nahm in Deutschland die Worte Márquez und Honda und ließ dann vier Tage später in Assen bei der Pressekonferenz am Donnerstag durchblicken, seine Aussagen sei nicht nur auf Marc Márquez gemünzt gewesen.

SPEEDWEEK.com fragte unter vier Augen noch einmal bei Jack Miller nach, der üblicherweise das Herz auf der Zunge trägt.

Jack, du hast doch auf Marc Márquez angespielt, der als Moto2-Weltmeisrer in der ersten MotoGP-Saison bei HRC unbedingt Santi Hernandez statt Gabarrini als Crew-Chief haben wollte?

Miller: Da hängt einiges zusammen. Da geht es um verschiedene Dinge, ganz sicher.

Aber ich will da nicht mehr weiter darüber reden. Es ist nicht meine Position, zu diesem Thema mehr zu sagen.

Ich bin nach dem Rennen in Deutschland gefragt worden, weil einige Fahrer schlechte Motorräder haben. Ich habe dann erwidert: «Ja, sie haben schlechtes Bikes.» Näher will ich mich dazu nicht äußern.

Du wolltest dann in Assen keine Namen nennen. Aber du hast in Sachsen gesagt: «Halte den Mund.» Du hast da nicht in der Mehrzahl gesprochen; es ging offensichtlich um Marc Márquez. Denn kein anderer Topfahrer hat «99 Prozent der Ingenieure aus der Box entfernt».

Miller: Nein, es ist nicht nur er. Es sollen auch andere den Mund halten. Es geht auch um Fahrer von anderen Herstellern.

Du spielst auf Fabio Quartararo und Yamaha an? Er hat in der MotoGP-WM 2019 mit Crew-Chief Diego Gubellini begonnen – und hat ihn immer noch. Nur Márquez hat bei HRC die Technikcrew mit Gabarrini nicht übernommen.

Miller: Du musst entscheiden, wen ich gemeint habe… Das musst du tun. Wenn du sagst, es ginge um ihn, dann ist das deine Interpretation. Und ich habe Verständnis dafür.

Am Ende des Tages sollte es auch so sein, dass du überlegst, wer gemeint war.

Es steht mir nicht zu, irgendwem Ratschläge zu geben, wie sie es machen sollen. Ich habe nur meine Meinung zur Situation geäußert. Das ist alles.

Ich bin um meine Meinung gefragt worden und habe sie kundgetan. Ich habe nicht nur meine Gedanken zur Situation von Honda geäußert, sondern über die Situation des gesamten MotoGP-Paddocks gesprochen.

Denn der Grund, warum wir hier sind, sind die vielen unterschiedlichen Hersteller. Wenn wir so weitertun und die Werke schlecht machen, werden wir bald keine Meisterschaft mehr haben. So einfach ist das.

Marc Márquez erklärte im Juni, Honda habe unter der Pandemie gelitten und während Corona nicht so entwickeln können wie üblich, weil die Japaner strengen Reisebeschränkungen unterlagen. Aber Suzuki gewann die WM 2020 und Yamaha 2021.

Miller: Ja, die Kräfteverhältnisse haben sich verlagert, diese Phase hat sich seit einiger Zeit abgezeichnet. Jetzt kommen die Ergebnisse zum Vorschein. Ducati hat acht Bikes auf dem Grid – und sie sind alle stark. 

Deshalb sprach sich Ducati in Assen gegen die Änderung des Formats aus. Ducati willigte nicht ein, als abgestimmt wurde, dass das erste Freitag-Training ab August nicht mehr über den Einzug ins Q2 entscheiden soll. 

Miller: Ja, sie haben genug Bikes und Fahrer in jedem Training. Für mich spielt es keine Rolle, ob diese FP1-Vorschrift jetzt geändert wird oder nicht. Das Reglement wurde vor der Saison so festgelegt. Wir sind sieben Grand Prix so gefahren. Es funktioniert. 

Klar, ein ganz freies erstes Freitag-Training würde weniger Stress bedeuten. Aber wenn wir uns darüber beklagen, sind wir wieder bei den Beschwerden... 

Manchmal bist du vielleicht froh, wenn das FP1 über den Einzug ins Q2 mitentscheidet, weil es im FP2 regnet und du dann im Nassen nicht so viel riskieren musst.  

Miller: Ganz sicher. Es ist ausgerechnet worden, dass nur in 2 Prozent der Fälle das FP1 schneller ist als das FP2. Das heisst: Das passiert zweimal bei 100 Grand Prix.  

Sicher – der Level der Jobs in der MotoGP und der Stress sind höher als früher. Aber wir werden bezahlt, um diesen Job zu machen. 

MotoGP-Ergebnisse, Assen (25. Juni):

1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn in 40:37,640 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 1,223 sec
3. Aleix Espargaró, Aprilia, + 1,925
4. Brad Binder*, KTM, + 1,528
5. Martin, Ducati, + 1,934
6. Alex Márquez, Ducati, + 12,437
7. Marini, Ducati, + 14,174
8. Nakagami, Honda, + 14,616
9. Morbidelli, Yamaha, + 29,335
10. Augusto Fernández, KTM, + 33,763
11. Savadori, Aprilia, + 35,084
12. Raúl Fernández, Aprilia, + 39,622
13. Bradl, Honda, + 42,504
14. Folger, KTM, + 45,609
– Di Giannantonio, Ducati, 8 Runden zurück
– Lecuona, Honda, 12 Runden zurück
– Oliveira, Aprilia, 14 Runden zurück
– Bastianini, Ducati, 20 Runden zurück
– Viñales, Aprilia, 23 Runden zurück
– Quartararo, Yamaha, 24 Runden zurück
– Zarco, Ducati, 24 Runden zurück
– Miller, KTM, 25 Runden zurück

*= ein Platz zurück («track limits»-Vergehen)

Ergebnisse MotoGP-Sprint Assen (24. Juni):

1. Bezzecchi, Ducati, 13 Rdn in 20:09,174 min
2. Bagnaia, Ducati, +1,294 sec
3. Quartararo, Yamaha, +1,872
4. Aleix Espargaró, Aprilia, +2,245
5. Brad Binder*, KTM, +4,582
6. Martin, Ducati, +5,036
7. Viñales, Aprilia, +5,876
8. Bastianini, Ducati, +10,102
9. Alex Márquez, Ducati, +10,525
10. Marini**, Ducati, +10,556
11. Miller, KTM, +11,191
12. Nakagami, Honda, +11,473
13. Zarco, Ducati, +15,439
14. Augusto Fernández, KTM, +17,754
15. Morbidelli, Yamaha, +19,508
16. Savadori, Aprilia, +19,664
17. Marc Márquez, Honda, +19,916
18. Raúl Fernández, Aprilia, +20,583
19. Oliveira, Aprilia, + 24,269
20. Lecuona, Honda, +24,727
21. Folger, KTM, +32,056
22. Bradl, Honda, +35,372
– Di Giannantonio, Ducati, 10 Runden zurück
*= erhielt 3 sec Strafe
**= erhielt 0,5 sec Strafe

WM-Stand nach 16 von 40 Rennen:

1. Bagnaia, 194 Punkte. 2. Martin 159. 3. Bezzecchi 158. 4. Binder 114. 5. Zarco 109. 6. Marini 98. 7. Miller 79. 8. Aleix Espargaró 77. 9. Quartararo 64. 10. Alex Márquez 63. 11. Morbidelli 57. 12. Viñales 56. 13. Rins 47. 14. Augusto Fernández 42. 15. Nakagami 34. 16. Di Giannantonio 34. 17. Oliveira 27. 18. Bastianini 18. 19. Marc Márquez 15. 20. Pedrosa 13. 21. Savadori 9. 22. Folger 9. 23. Raúl Fernández 8. 24. Pirro 5. 25. Petrucci 5. 26. Mir 5. 27. Bradl 5.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 285 Punkte. 2. KTM 153. 3. Aprilia 121. 4. Honda 89. 5. Yamaha 82.

Team-WM:
1. Prima Pramac Racing, 268 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 256. 3. Ducati Lenovo Team 222. 4. Red Bull KTM Factory Racing 193. 5. Aprilia Racing 133. 6. Monster Energy Yamaha 121. 7. Gresini Racing 97. 8. LCR Honda 84. 9. GASGAS Factory Racing Tech3, 51. 10. CryptoDATA RNF 39. 11. Repsol Honda 20.

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