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Pol Espargaró: «Mehr Rennen bedeuten mehr Risiko»

Von Günther Wiesinger
Pol Espargaró hat durch seinen Portimão-Unfall im März rechts 60 % an Muskelkraft verloren. Jetzt unterbricht er seine Karriere als Stammfahrer, zeigt Wehmut und betrachtet das neue Konzept mit gemischten Gefühlen.

Pol Espargaró hat sich in Valencia nach genau zehn Jahren als Stammfahrer aus der MotoGP-WM verabschiedet, er tat dies in wehmütiger Stimmung und im Bewusstsein, in der Königsklasse noch ein «unfinished business» zu hinterlassen. Denn der 32-jährige Spanier (er wird bei KTM jetzt Test- und Ersatzfahrer) kam im Winter nach zwei Repsol-Honda-Jahren zur Pierer Mobility zurück. Motorsport-Direktor Pit Beirer bezeichnete ihn vor der Saison als eigentlichen Teamleader, da Brad Binder erst drei MotoGP-Jahre bei KTM hinter sich hatte und Jack Miller sowie Augusto Fernández gar keines. Pol hingegen hatte die KTM RC16 in den vier Jahren 2017 bis 2020 von null weg entwickelt und zu zwei Pole-Positions und sechs Podestplätzen gesteuert.

Aber das unerledigte Geschäft hat mit der Tatsache zu tun, dass Binder inzwischen zwei MotoGP-Rennen für KTM gewonnen hat, Miguel Oliveira sogar fünf – Pol Espargaró aber in zehn Jahren keinen MotoGP-Sieg errungen hat.

Die GP-Saison 2023 hat für Pol Espargaró Ende März in Portimão verhängnisvoll begonnen. Denn er erklärte in der Vorsaison, er habe bei Honda gelernt, dass die Wintertests nur der Vorbereitung dienen, er werde deshalb erst bei den Grand Prix ins Risiko gehen und sein Können ausspielen.

Das Ziel des neuen GASGAS-Tech3-Piloten: Er wollte in diesem Jahr als bester der vier KTM-MotoGP-Fahrer abschneiden.

Doch dann kühlten in Portugal am Freitag im 2. Training beim Warten auf einen schnellen Vordermann und einem Geplänkel mit Miguel Oliveira die Reifen zu stark ab. Pol Espargaró stürzte in der ominösen Kurve 10 schwer und zog sich nicht zuletzt wegen des illegalen Zustands des Kiesbetts (Hühnerei-große Steinbrocken statt Kies) schwere Verletzungen zu.

«Bei mir ist damals das Kiefer in zwei Teile zerbrochen, außerdem gingen die drei Wirbel Nr. 3, 6 und 8 entzwei, wobei die Nr. 8 auf ihre halbe Größe dezimiert wurde, deshalb bin ich jetzt einen Zentimeter kleiner als vor dem Unfall», fasste Pol für SPEEDWEEK.com noch einmal zusammen. «Dazu kam ein Rippenbruch, eine kleine Fraktur an einem Mittelhandknochen an der rechten Hand sowie eine Lungenquetschung. Was für mich am schlimmsten war – es wurden die Nerven im rechten Teil meines Körpers sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, nämlich Infraspinatus, Supraspinatus und Teres Minor. Im Grunde sind dadurch alle Muskeln in meiner rechten Schulter beeinträchtigt, so habe ich in diesem Bereich ca. 60 Prozent an Muskelkraft verloren.»

Trotz dieses Zustands schwang sich Pol Espargaró am ersten August-Wochenende 2023 in Silverstone wieder auf seine MotoGP-Maschine. Und er bekam keine lange Schonfrist, denn beim nächsten Grand Prix in Österreich hieß es bei der Pierer Mobility, als keine zusätzlichen zwei MotoGP-Slots zugesagt wurden: Pol muss bei den restlichen Rennen gegen Augusto Fernández um den zweiten Platz neben Pedro Acosta bei GASGAS-Tech3 für 2024 kämpfen. Der kampfstarke Pol Espargaró erstaunte die Gegner in Österreich mit einem sechsten Platz im Sprint!

Dabei hatte der 15-fache GP-Sieger (10x Moto2, 5x 125 ccm) in den ersten Wochen nach dem Portimão-Crash sogar an Rücktritt gedacht, als sein gebrochener Kiefer nach der Operation drei Wochen lang blockiert werden musste, er nur flüssig ernährt werden konnte – und 10 kg Körpergewicht verlor.

«Wenn du 20 Jahre alt bist, kannst du dich leicht von Verletzungen erholen. Wenn du um die 30 bist, ist es nicht mehr so einfach. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen», räumt Pol Espargaró ein.

Dazu kommt das neue Konzept mit 22 Grand Prix und insgesamt 44 Rennen im kommenden Jahr, die Belastungen und das Risiko steigen. Dabei fand schon 2023 kein einziger Grand Prix statt, bei dem kein einziger Stammfahrer fehlte. Mindestens einer war immer verletzt.

«Man darf es sicher als Zufall bezeichnen, dass kaum ein MotoGP-Fahrer in diesem Jahr unverletzt geblieben ist», sagt der Moto2-Weltmeister von 2013. «Man kann sich ausrechnen, dass es gefährlicher ist, zwei Rennen pro Wochenende zu bestreiten als eines, und die Statistik hat es 2023 bewiesen. Aber wir alle wollen mehr Fans an den Strecken und vor den TV-Bildschirmen, wir möchten alle mehr Follower auf den Social-Media-Kanälen. Deshalb ist es schwierig, die richtige Balance zwischen Action und vernünftiger Belastung für die Athleten zu finden. Wir können nicht erwarten, dass wir diesen attraktiven Sport noch aufregender machen, aber trotzdem keine Verletzungen passieren. Das ist eine knifflige Situation, eine Gratwanderung. Es ist schwierig, hier den perfekten Kompromiss zu finden. Wir haben jetzt die erste Saison mit den Sprint Races erlebt. Nach zwei, drei Jahren wird man eine Bilanz ziehen und vielleicht Veränderungen vornehmen müssen. Aber wir müssen auch sehen: Wir erreichen mit dem neuen Konzept viel mehr Leute – und das ist schön.»

MotoGP-WM-Endstand nach 39 Rennen:

1. Bagnaia, 467 Punkte. 2. Martin 428. 3. Bezzecchi 329. 4. Binder 293. 5. Zarco 225. 6. Aleix Espargaró 206. 7. Viñales 204. 8. Marini 201. 9. Alex Márquez 177. 10. Quartararo 172. 11. Miller 163. 12. Di Giannantonio 151. 13. Morbidelli 102. 14. Marc Márquez 96. 15. Bastianini 84. 16. Oliveira 76. 17. Augusto Fernández 71. 18. Nakagami 56. 19. Rins 54. 20. Raúl Fernández 51. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 26. 23. Pol Espargaró 15. 24. Savadori 12. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 700 Punkte. 2. KTM 373. 3. Aprilia 326. 4. Yamaha 196. 5. Honda 185.

Team-WM:

1. Prima Pramac Racing, 653 Punkte. 2. Ducati Lenovo Team 561. 3. Mooney VR46 Racing 530. 4. Red Bull KTM Factory Racing 456 5. Aprilia Racing 410. 6. Gresini Racing 328. 7. Monster Energy Yamaha 274. 8. CryptoDATA RNF 134. 9. Repsol Honda 122. 10. LCR Honda 116. 11. GASGAS Factory Racing Tech3, 95.

 

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