Bartolini: «Concessions machen Werksfahrer langsam»
Der fünfte Grand Prix des Jahres brachte für das Yamaha-Werk den lange ersehnten Durchbruch auf dem Weg zurück an die Spitze. Fabio Quartararo brillierte erstmals im Training, in der Quali und im GP-Rennen – Platz 2 in Jerez bedeutete den ersten Podestplatz für Quartararo seit dem Indonesien-GP im Herbst 2023.
Für den heutigen Technik-Chef bei Yamaha war es sogar die erste Siegesfeier in Blau. Bis Anfang 2024 stand Massimo Bartolini noch bei Ducati Corse unter Vertrag. Der Italiener arbeitet eng mit Gigi Dall’Igna zusammen und kennt jedes Bauteil der seit 2022 überragenden Desmosedici.
Ein wesentlicher Teil der Yamaha-Aufholjagd ist ein ausgeweitetes Testprogramm. Man will die Vorteile des Regelwerks bestmöglich nutzen. Ein wichtiges Element der MotoGP-Concessions ist die unbegrenzte Anzahl an Privattests für Hersteller im letzten der vier Ränge, D. Nur Honda und Yamaha werden hier geführt, der Status basiert auf der Punktequote der letzten Saison (weniger als 35 Prozent der möglichen Gesamtpunktzahl). Begrenzt sind allerdings die zur Verfügung stehenden Reifen. D Hersteller können 260 Michelin-Slicks zum Einsatz bringen.
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com berichtete Technik-Chef Bartolini zum derzeitigen Testprogramm und ordnete die Situation zur Entwicklung der Yamaha M1 ein. «Grundsätzlich ist ein Vorteil, viel zu testen, wenn wir es rein aus der Entwicklung sehen – das ist ein Vorteil unserer Zugeständnisse. Zugleich ist es aber auch nicht immer sehr leicht, mit den Werksfahrern zu testen», erzählt Bartolini.
Der Italiener weiter: «Zumindest während der Saison ist es manchmal ein Konflikt und nicht so einfach, wie man es sich vorstellt. Fakt ist: Ein Tester ist ein Tester und ein Rennfahrer ist ein Rennfahrer. Wenn wir während des Jahres bei den Tests nur reine Testaufgaben stellen, dann macht das die Werksfahrer langsamer. Es ist nicht möglich einen doppelten Job zu 100 Prozent zu erledigen. Wir müssen sie immer wieder auch einfach frei fahren lassen und an ihrem Setting und ihrem Speed arbeiten lassen. In den Wintertests ist es einfacher. Aber Tests während der Saison verlangsamen den Entwicklungsprozess. Wir können theoretisch sehr viel testen, praktisch aber nicht alles für Testzwecke nutzen.»
Dem vergangenen Wochenende zu einem noch recht frühen Stand der Saison bescheinigte Yamaha-Aushängeschild jedenfalls ein hochkarätiges Renntempo. Von Testmüdigkeit keine Spur, und sollte es Yamaha gelingen, ähnliche Resultate nachzulegen, dann ist eine Veränderung des Concessions-Rangs für die zweite Saisonhälfte möglich.
Liegt das Werk zur Sommerpause über der Marke von 35 Prozent, folgt der Aufstieg in den Rang C. Neben der Reduzierung der Reifen auf 220 Stück dürfen auch die Werksfahrer nicht mehr an den Privattests teilnehmen. Diese dürften dann zudem nicht mehr auf allen, sondern nur noch auf drei GP Strecken folgen.
Sollte es Yamaha sogar gelingen, die Marke von 60 Prozent (in Bezug auf die mögliche Gesamtpunktzahl) zu überspringen, war man im Rang B angekommen. Neben einer weiteren Reduktion des Reifenkontingents auf 190 würden dann auch die möglichen Wildcard-Einsätze von sechs auf drei angepasst.
Durchaus ein relevanter Punkt – denn der neue V4-Antrieb soll laut Yamaha erst in der zweiten Saisonhälfte während eines GP-Rennens zum Einsatz kommen. Max Bartolini über die Situation der Neuentwicklung: «Es ist kein Geheimnis, wir haben das V4-Bike auf die Straße gebracht und sind in einer frühen Phase. Wir sehen es als internen Vergleich und Herausforderung. Es geht nicht darum, schnellstmöglich den V4 zu bringen. Es geht darum, das schnellste Motorrad einzusetzen, ganz gleich, ob es einen Reihen- oder einen V-Motor hat.»
Bartolini, der auch bereits in der Formel 1 arbeitete, ergänzt: «Noch ist es zu früh und wir werden auch nicht in Hektik geraten, aber wenn wir M1 mit V Motor für konkurrenzfähig halten, werden auch die Werksfahrer zum Einsatz kommen.»
Die ersten Versuche wurden bislang mit dem wieder einsatzfähigen Urgestein Cal Crutchlow sowie dem jungen Augusto Fernandez gefahren. Bartolini abschließend über den Testprozess: «Zunächst müssen wir mit den Testfahrern arbeiten, für die jetzigen Aufgaben muss kein Fabio damit fahren. Erst dann, wenn die Tester nur noch ´Ja´ und ´Okay´ sagen, dann wird es Zeit.»
Nach der Sensationsfahrt des Franzosen am vergangenen Sonntag in Jerez gibt es wenig Grund, in Eile die Entwicklungsprioritäten zu wechseln. Doch bereits beim kommenden Event in Le Mans, das speziell für Quartararo höchsten Stellenwert einnimmt, könnten die Forderungen nach einem schnellen Schwenk seitens der Piloten wieder aufkommen.
Kein Vorteil ohne Nachteil: Je länger Yamaha bei den Rennen schlecht abschneidet, desto intensiver kann das Testprogramm ausfallen. Bleibt Yamaha wie in Jerez auf der Erfolgsspur, verzögert sich die Entwicklung.
WM-Stand nach 10 von 44 Rennen:
1. A. Marquez, 140 Punkte. 2. M. Marquez 139. 3. Bagnaia 120. 4. Morbidelli 84. 5. Di Giannantonio 63. 6. Quartararo 50. 7. Zarco 43. 8. Ogura 37. 9. Bezzecchi 35. 10. Acosta 33. 11. Binder 32. 12. Marini 32. 13. Bastianini 28. 14. Aldeguer 25. 15. Viñales 24. 16. Miller 19. 17. Rins 17. 18. Mir 11. 19. R. Fernandez 5. 20. A. Fernandez 3. 21. A. Espargaro 2. 22. Oliveira 2. 23. Savadori 1. 24. Chantra 0. 25. Martin 0.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 185 Punkte. 2. Yamaha 62. 3. KTM 58. 4. Honda 56. 5. Aprilia 53.
Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team, 259 Punkte. 2. BK8 Gresini Racing 165. 3. Pertamina Enduro VR46 Racing 147. 4. Monster Energy Yamaha 67. 5. Red Bull KTM Factory Racing 65. 6. Red Bull KTM Tech3 Racing 52. 7. LCR Honda Castrol 43. 8. Honda HRC Castrol Team 43. 9. Trackhouse MotoGP Team 42. 10. Aprilia Racing 36. 11. Prima Pramac Yamaha Racing 24.