Exklusiv: IRTA-Präsident Hervé Poncharal tritt zurück
Während des letzten Wüsten-GP von Katar feierte Hervé Poncharal seinen 68. Geburtstag. Den weitaus größten Teil seines Lebens verbrachte der Franzose davon im Fahrerlager der Motorrad-WM. Bereits 1990 gründete Poncharal gemeinsam mit dem begnadeten Techniker Guy Coulon den Rennstall Tech3. Mit 35 Jahren konstanter Präsenz, davon seit 2001 in der Königsklasse, ist Tech3 das älteste Team des Fahrerlagers.
Als brillanter Netzwerker und Kommunikator setzte sich Poncharal auch früh für die Interessen aller Teams im Fahrerlager ein. Banales Ziel in den 1990er-Jahren – die Arbeitsbedingungen für die Aktiven verbessern. Poncharal lag dem seit 1992 zuständigen Mastermind der Motorrad-Weltmeisterschaft, Carmelo Ezpeleta, oft in den Ohren – der Stellenwert der 1986 von Mike Trimby ins Leben gerufenen Vereinigung aller Teams, kurz IRTA, stieg deutlich an.
Aus Situationen mit viel Konfliktpotenzial wuchs über die Jahre eine starke gemeinsame Plattform, die heute zusammen mit der FIM und der Herstellervereinigung (MSMA) alle Geschicke der MotoGP lenkt. Bereits 2005 wurde der engagierte Poncharal zum obersten Repräsentanten der IRTA gewählt.
Seit der Wahl vor zwei Jahrzehnten gab es keine Debatten über den Amtsinhaber, der die Präsidentschaft selbst nicht überwertet. Poncharal: «Präsident – das klingt außergewöhnlicher, als es ist. Am Ende geht es nur darum, ein glaubwürdiger Repräsentant aller Teams zu sein.»
Wie SPEEDWEEK.com exklusiv im Gespräch mit Hervé Poncharal erfuhr, soll bereits in Kürze Schluss sein mit der zweiten Rolle im Fahrerlager der MotoGP. «20 Jahre sind eine sehr lange Zeit und es ist sehr außergewöhnlich, dass jemand so lange ein Amt bekleidet. Es ist in gewisser Hinsicht gut, wenn in demokratischen Strukturen immer auch Wandel herrscht. Daher habe ich mich nie an die Rolle als IRTA-Präsident geklammert. Bereits mehrmals habe ich in den Sitzungen meinen Posten angeboten und auch andere Mitglieder der Teamkommission motiviert. Die Antwort war immer die gleiche – Hervé – mach weiter. Und so tauchte auf den Wahllisten zur Präsidentschaft nie ein anderer Name auf.»
Dann erklärt der Tech3-Besitzer: «Während des Argentinien-GP gab es in Vorbereitung auf unsere Generalversammlung im Mai in Silverstone, bei der es auch um die Wahl des Präsidenten gehen wird, einen Austausch. Von Seiten der Hersteller wurde die Frage aufgebracht, ob nicht einmal ein anderes Gesicht die Rolle des IRTA-Präsidenten übernehmen sollte. Das war der richtige Moment für mich. Ich habe die Mitglieder um Vorschläge gebeten – und meine Posten angeboten.»
Der rührige Franzose zum entscheidenden Punkt: «Doch wieder gab es keine Initiativen. Daraufhin habe ich, nach einer Bedenkzeit und einer Abstimmung mit Carmelo Ezpeleta, der mich wie kein anderer Mensch in meinem Berufsleben begleitet und inspiriert hat, selbst einen Nachfolger vorgeschlagen: Lucio Cecchinello.»
Poncharal begründet seine Sicht: «Lucio ist, abgesehen davon, dass der nach Tech3 das zweitälteste Team im Fahrerlager hat und selber gefahren ist, in seiner Historie und Arbeitsweise sehr vergleichbar. Er hatte Strukturen in allen GP-Klassen und ist nicht minder gut vernetzt. Er kennt alle Facetten und ist ein Teambesitzer alter Schule.»
Und die Reaktion des Italieners auf den Vorstoß des Langzeitpräsidenten? «Zunächst war Lucio sehr zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Nach dem Gespräch mit mir und Carmelo hat er sein Ok gegeben. Und so habe ich meinen Namen auf der Kandidatenliste gegen seinen getauscht. Noch steht er da, alleine auf der Kandidatenliste. Aber vielleicht meldet sich bis zum Stichtag am 21. Mai noch ein weiterer Bewerber? Sicher ist, ich werde den Posten abgeben. Eine Träne werde ich dabei sicher verdrücken, aber es ist der richtige Zeitpunkt für diese Veränderung.»
Sollte sich in den kommenden Tagen innerhalb des Forums aus Teamvereinigung, Herstellern und GP-Kommission kein weiterer Kandidat als neuer Repräsentant der Teamvereinigung finden, könnte bei der anstehenden Hauptversammlung im Vorfeld des britischen GP Lucio Cecchinello zum neuen Präsidenten der IRTA gewählt werden.