Grand Prix der Tränen: MotoGP in Silverstone 2024
Wem es so vorkommt, als ob der spektakuläre Jubiläums-GP der MotoGP in ungewohnten Retro-Designs soeben erst über die Bildschirme gedonnert ist, der liegt nicht ganz verkehrt. Durch den gründlichen Umbau des MotoGP-Kalenders wurde die Runde auf der britischen Insel 2025 um fast drei Monate nach vorne geholt. Statt wie in den letzten Jahren Anfang August geht es nun bereits Mitte Mai in Silverstone zur Sache.
Zurecht herrscht bereits an allen Fronten Hochstimmung und Vorfreude auf die siebte MotoGP-Veranstaltung. Nach dem Chaos-GP von Le Mans, der die Siegesserie von Ducati beendete (und zugleich den Anlauf auf den alleinigen Rekord für die meisten Siege zunichte machte), muss Ducati Corse wieder bei Null ansetzen.
Die Chancen für einen erfolgreichen Neuanfang stehen bestens. Denn die laufende Saison hat die Ausnahmestellung der Maschinen aus Bologna eindrucksvoll herausgearbeitet. Unter regulären Bedingungen braucht es zur Besteigung des Podiums weiterhin eine Ducati Desmosedici. Mit den Marquez-Brüdern, Pecco Bagnaia sowie dem VR46-Duo Morbidelli und Di Giannantonio werden die Top-5 der WM-Tabelle von Ducati-Piloten gestellt. Auf Platz 6, mit gerade einmal fünf Zählern Rückstand auf «Diggia», Honda-Held Johann Zarco.
Auch im vergangenen Jahr gingen die Pokale ausschließlich an Ducati-Fahrer. Allerdings nur beim Großen Preis, der als Hommage an 75 Jahre Motorrad-Weltmeisterschaft in durchweg extrem aufwändigen Retro-Lackierungen bestritten wurde. Beim kurzen Sprint am Samstag hatte sich Aprilia-Pilot Aleix Espargaro als Dritter mit zur Siegerehrung eingeladen. Der Veteran büßte lediglich zwei Sekunden auf den Sieger ein – und hatte dazu bereits mit Startplatz 1 für eine kleine Sensation auf der Insel gesorgt.
Sportlich war der Silverstone-GP aber die große Bastianini-Party. Den Grundstein hatte der Pilot aus Rimini schon in der Qualifikation gelegt – «La Bestia» konnte beide Läufe von Startplatz 3 aus in Angriff nehmen und die schon nötige zeitraubende Aufholjagd fiel weg. In beiden Rennen bestimmte der Teamkollege von Pecco Bagnaia das Tempo. Das zum Zeitpunkt des 10. Events der Saison 2024 klar definierte Titelduell Bagnaia-Martin fand hinter der #23 statt. Nach seinem ersten Doppelsieg in der MotoGP lag Bastianini nur noch drei Punkte hinter Pecco Bagnaia. Aus dem Zweikampf war kurzzeitig ein Dreier-Match geworden.
Auch Marc Márquez hatte vor 9 Monaten auf dem Traditionskurs die Ducati GP23 noch nicht so gut im Griff, um Enea Bastianini gefährlich zu werden. Der aktuelle Dominator der MotoGP schmiss die Gresini-Ducati im Sprint zu Boden – im GP reicht es zu Platz 4.
Konkurrenzfähig zeigten sich die Österreicher. In ungewohntem Weiß als Reminiszenz an den ersten KTM-Straßenrenner des Chassis-Chefentwicklers Wolfgang Felber. Im Sprint waren Binder und Acosta auf den Rängen 4 und 5 in Schlagdistanz, der junge Spanier fuhr auch im GP auf Rang 9 – während Brad Binder bereits am Start mit Kupplungsschaden ausgefallen war.
Chancenlos vor einem die Vertreter der japanischen Werke. Fabio Quartararo schaffte es im GP auf Platz 11, verlor aber fast 25 Sekunden auf den entfesselten Enea Bastianini. Teamkollege Alex Rins war in England verletzungsbedingt nicht am Start. Ersatzpilot Remy Gardner wurde Letzter. Und Johann Zarco? Der Franzose war auch 2024 in England bester Honda-Fahrer, hechelte aber nur auf Platz 14.
Zu den Freudentränen über die einzigartige Jubiläums-Show auf der 5,9 km langen GP-Piste kam dann auch noch endloser Jubel über einen britischen Heimsieg. Jake Dixon gewann das Rennen der Moto2.
Eine klassische Moto3-Rauferei sahen die Zuschauer des Moto3-Rennens. In einem Knäuel aus sieben Piloten, das binnen einer halben Sekunde über die Ziellinie ging, hatte ausnahmsweise nicht David Alonso, sondern Ivan Ortola die Verkleidung vorne.