Erinnerungen: Daijiro Kato, Japans Antwort auf Rossi
Es gehörte zur guten Tradition, dass die japanischen Werke während der Hochphase der Zweitakt-Ära stets ihre größten Talente mit einer Wildcard in den Japan-GP schickten. Um den Stammfahrern ordentlich einzuheizen, saßen Japans nationale Helden meist auf messerscharfen Werksmaschinen, die den Rennern in der Weltmeisterschaft nicht nur ebenbürtig, sondern nicht selten überlegen waren. Wenn dazu enormes Talent in Aktion trat, mussten sich die GP-Stammfahrer warm anziehen.
Vor allem in den 1990er-Jahren war den fest eingeschriebenen Fahrern bei der Reise nach Suzuka klar, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen eine Horde ultramotivierter Locals auf perfekt vorbereiteten Raketen kämpfen müssen. Die Strategie zog sich durch alle Klassen und machte selbst vor der Halbliter-WM nicht Halt. Stichwort: Norifumi Abe, der die Weltelite 1994 auf der Honda NSR 500 durcheinanderwirbelte.
Zwei Jahre später sahen die Fans in Suzuka dann die Ankunft eines neuen GP-Superhelden. Der damals 19-jährige Daijiro Kato, bereits in den kleinen Klassen ausgebildet, wurde von Honda mit einer NSR 250 aufgestellt. Kato lieferte und landete bei seinem Debüt hinter Max Biaggi und Landsmann Numata auf Platz 3.
Honda wiederholte das Spiel zwei weitere Jahre. Honda-Juwel Kato gewann 1997 und 1998 als Wildcard-Ass den Suzuka-GP. In beiden Jahren war das Podium ausschließlich mit Japanern bestückt. Wie stark die Nation in Suzuka agierten, zeigt ein Blick in die Ergebnisliste von 1997: Der erste Nicht-Japaner tauchte auf Platz 5 auf: Ralf Waldmann. Sechster wurde Yukio Kagayama. Die Ränge 8, 9 und 10 gingen an Aoki, Numata und Matusdo.
Trotz seiner überragenden Wildcard-Bilanz fand Honda erst zur Saison 2000 einen Platz für Daijiro Kato als Stammfahrer in der Viertelliter-WM. In der Mannschaft von Fausto Gresini klinkte sich der auffallend stille Kato in die Weltmeisterschaft ein und bedankte sich zum Einstand mit Platz 3 in der Endabrechnung. Nur Tech3-Yamaha-Pilot Olivier Jacque und dessen Teamkollege Shinya Nakano waren im Millenniumsjahr schneller.
2001 erlebten die Motorrad-Fans einen Durchmarsch der Startnummer 74. Kato gewann den Titel mit haushoher Überlegenheit. Elf Siege gingen an den Japaner, dazu kamen zwei dritte Plätze – wobei die Saison aus lediglich 16 Events bestand.
Daijiro Kato hatte damit auch das Ticket für die Königsklasse in der Tasche. Honda und Gresini mussten nicht mehr von den Ausnahme-Rennfahrern überzeugt werden. Bei seinem Aufstieg war sich das Fahrerlager einig: Wenn ein Pilot Valentino Rossi besiegen kann – dann Daijiroh Kato.
Mangels Verfügbarkeit startete der Japaner in seinem Debütjahr 2002 noch auf der Zweitakt-NSR. Rossi hingegen, der 2001 dominant wie Kato die Krone bei den 500ern geholt hatte, saß bereits auf der Fünfzylinder-Überwaffe RC211V. Bei seinem dritten Rennen auf der etablierten NSR hielt Kato im winkligen Jerez etliche der innovativen Viertakter in Schach. Mit Platz 3 war der nun 25-Jährige endgültig in der Elite angekommen.
Nach dem finalen Aus der Zweitakt-Prototypen wurde für Kato bei Gresini Racing zur Saison 2003 ebenfalls die überlegene Viertakt-Honda vorbereitet. Das Schicksal ließ es nicht zu, dass Daijiroh Kato seine Fähigkeiten endgültig beweisen konnte, der Wettkampf gegen Rossi auf gleichem Material dauerte nur drei Runden.
Beim Saisonauftakt in Suzuka, jener Rennstrecke, die nur wenige Fahrer besser kannten als die «74», stürzte der Gresini-Pilot bei der Anfahrt zur Zielschikane fatal. Dreizehn Tage nach dem Unfall, in der Nacht auf den 20. April 2003, verstarb Daijiro Kato mit 26 Jahren im Krankenhaus von Yokkaichi.
Am heutigen 4. Juli hätte der in jeder Hinsicht außergewöhnliche Daijiro Kato seinen 49. Geburtstag gefeiert. Die MotoGP kehrte nie wieder nach Suzuka zurück.