Technik erklärt: So funktioniert ein MotoGP-Airbag
Wer neu ist bei der MotoGP, der fragt sich vielleicht: Was haben die Fahrer denn alle für einen seltsamen Buckel auf dem Rücken? In diesem runden Behältnis unter dem Nacken verbirgt sich ein System, das Sicherheit schenkt und seit 2018 in der MotoGP verpflichtend ist.
Die runde Erhebung am oberen Rücken ist ein Teil elementarer des Airbag-Systems, das die Fahrer bei Unfällen schützt: In der kleinen «Rückenbeule» verstaut sind die Elektronik mit Sensoren und Gyroskop sowie ein bis zwei Gaskartuschen, die im Ernstfall den Airbag aktivieren.
Das Prinzip des Airbags ist ähnlich wie beim Straßenauto: Luft bläst sich in die Tasche, schützt so beim Aufprall. Anders als beim Sicherheitssystem im Pkw kann ein Motorrad-Airbag allerdings bis zu fünfmal ausgelöst werden. Mit zwei Gaskartuschen sogar theoretisch zweimal während derselben Session. In der MotoGP gehen Hersteller wie Alpinestars allerdings lieber auf Nummer sicher, tauschen die Airbags früher aus. Außerdem haben die Fahrer meist nur eine Kartusche dabei, um Gewicht zu sparen.
Aber woher weiß der Airbag im Ernstfall, dass er benötigt wird? Das am Rücken installierte Gyroskop registriert die Bewegungen, die Sensoren nehmen die Bewegungen wahr – und berechnen dann anhand eines komplexen Algorithmus selbst, ob der Fahrer verunfallt. Wird ein Sturz registriert, aktiviert sich das System, pumpt binnen 40 Millisekunden das Argon-Gas aus der Kartusche in den Airbag, der sich binnen 25 Millisekunden unter der Lederkombi aufpumpt. Dabei entsteht ein Knallgeräusch, das jedoch meist wegen der Geräusche vom Unfall im TV nicht zu hören ist. Zuschauer sehen dann nur, dass der Fahrer beim Aufprall etwas aufgeplustert wirkt, die Lederkombi unter Spannung steht – weil das schützende Luftkissen Raum braucht.
Drei Hauptbereiche werden mit modernen MotoGP-Airbags geschützt: Schultern, Rippen und Hüfte, das für beide Seiten. Entsprechend hat der Airbag, der wie eine Art Rucksack über den Rücken des Fahrers gelegt wird, sechs Hauptbereiche sowie den Rundumschutz um den gesamten Oberkörper.
Die Technologie, die den Airbag auslöst, ist nahezu fehlerlos, wird seit Jahren mit Daten gespeist und kann nahezu problemlos normale Rennszenen von Unfällen unterscheiden. Voriges Jahr am Sachsenring kollidierte Marc Marquez mit Franco Morbidelli. Marquez‘ System (von Alpinestars) nahm einen Unfall wahr, blies den Airbag auf. Doch Marquez schaffte es, sich auf dem Motorrad zu halten. Er konnte trotz ausgelösten Airbags weiterfahren (und fuhr sogar aufs Podium). Nach 20 bis 30 Sekunden fällt der Airbag nämlich wieder hin sich zusammen (die meisten Sturzsequenzen dauern in der MotoGP nicht länger als 5 Sekunden). Danach kann der Fahrer weiterfahren, sofern er nicht vom Sturz verletzt ist. Bei Franco Morbidelli (im Dainese-Dress) ging in Austin versehentlich der Airbag los. Das Problem hier: Morbidelli trägt seine Lederkombi für mehr Komfort lieber eine Größe größer. Dadurch kann oben Luft ins Leder kommen, diese Strömungen können dem System vorspielen, dass gerade ein Sturz passiert. Insgesamt sind solche Fehlauslösungen aber selten.
Damit der Airbag sich vernünftig öffnen kann und den Fahrer nicht zu sehr erdrückt, ist es wichtig, dass Lederkombi und Airbag aufeinander abgestimmt sind. Auch dafür gibt es in den Lederkombis besonders stretchbare Bereiche. Wie viele Verletzungen Airbags tatsächlich verhindert haben, ist schwer zu ermitteln. Die Zahl der Schlüsselbeinverletzungen ging zurück – die Zahl der Stürze allerdings eher nach oben, möglicherweise auch wegen einer empfundenen höheren Sicherheit beim Unfall.