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Beefy Bourguignon: Er traut Stefan Bradl viel zu

Von Günther Wiesinger
Crew-Chief Christophe Bourguignon

Crew-Chief Christophe Bourguignon

LCR-Honda-Crew-Chief Christophe «Beefy» Bourguignon sieht bei Stefan Bradl deutliche Fortschritte. Der Belgier über die Wintertests und die Chancen für 2013.

Stefan Bradl (23) schloss den IRTA-Test in Jerez als Gesamtfünfter ab, er blieb Cal Crutchlow und Valentino Rossi am Montag mit der drittbesten Zeit des Tages dicht auf den Fersen: Mit 0,4 sec hielt sich der Rückstand auf die Bestzeit in überschaubaren Grenzen. Wir haben uns mit LCR-Honda-Crew-Chief Christophe «Beefy» Bourguignon über die Wintertests und die Aussichten für 2013 unterhalten.



Wie sieht dein Resümee nach den 14 Testtagen in Valencia (2), Sepang (6), Austin (3) und Jerez (3) aus? In welchen Bereichen hat sich Stefan Bradl seit dem Herbst verbessert – und wie stark?

Gut, wir haben uns im Winter ein paar Ziele gesetzt. Da ging es zum Beispiel um den Fahrstil. Wir haben gesagt, Stefan könnte den Gasgriff noch mehr nützen, um das Hinterrad mehr zum Rutschen zu bringen. Dann liesse sich die Maschine rascher einlenken. Ausserdem dachten wir, im Vorjahr war der Unterschied bei den Rundenzeiten in den Rennen mit neuen und gebrauchten Reifen, also mit einem 15 Runden alten Hinterreifen, ein bisschen zu gross.
Dazu hielten wir Stefans körperliche Verfassung für ausbaufähig. Er hat sich im Winter entschieden, in diesem Bereich mehr zu machen.
Technisch haben wir das Motorrad in diesem Winter verstärkt für konstante Rundenzeiten abgestimmt, wir haben nicht mehr so stark auf einzelne schnelle Zeiten geschaut. Dass Stefan diese vorlegen kann, haben wir 2012 ausreichend gesehen.
Wir haben dieses «Renn-Setup» den ganzen Winter beibehalten. Sonst hätten wir öfter dichter an der Spitze sein können.
Um Stefan zu helfen, ein besseres Gefühl für den Gasgriff zu bekommen, haben wir das Mapping für den Motor ein bisschen verändert. Dadurch steht ihm im unteren Drehzahlbereich ein besseres Drehmoment zur Verfügung.
Letztes Jahr haben wir Stefan mit Hilfe der Elektronik geholfen. Dieses Jahr muss er lernen, den Gasgriff selber mehr zu kontrollieren. In diesem Bereich haben wir in diesem Winter deutliche Fortschritte erzielt.

Letztes Jahr wurden bei euch in Sepang keine Long-runs gefahren, diesmal bei beiden Tests in Malaysia. Auch ein klarer Fortschritt?
 
Ja, bei jedem Sepang-Test. Wir haben bei Stefan sichtbar konstantere Rundenzeiten gesehen als 2012. Leider konnten wir in Texas keinen Long-run fahren, weil am dritten Tag seine Hand lädiert war. In Jerez hat es auch nicht geklappt, weil das Wetter an zwei Tagen zu regnerisch war.
Aber wir haben beim Rennspeed sicher einen Schritt nach vorne gemacht.
Konditionell sieht es auch besser aus. Ich bin überzeugt, dass Stefan jetzt ein besserer Athlet ist als vor einem Jahr. Er ist sicher besser in Form als letztes Jahr; das sieht man. Wir werden da noch weitere Fortschritte sehen. Auf diesem Gebiet sieht alles gut aus.

Deshalb habt ihr trotz der Hitze in Malaysia Long-runs absolvieren können?
Ja, es war immer der Plan, bei beiden Sepang-Tests eine Rennsimulation zu absolvieren. Letztes Jahr haben wir zuerst einmal geschaut, wie es mit dem Speed und schnellen Rundenzeiten aussieht.
Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Verbindung vom Gasgriff zum Hinterreifen, wir reden von der «throttle connection». Stefan reisst das Gas manchmal immer noch kräftiger auf als nötig. Wir müssen ihn manchmal ermahnen, nicht so aggressiv zu sein, wenn er sich auf einer schnellen Runde befindet.

Ist er da noch die müden 128 PS aus der Moto2-Klasse gewöhnt?

Ja, mag sein. Es fehlt auch noch etwas Erfahrung. Jedenfalls ruft Stefan manchmal mehr Power und Drehmoment ab, als der Hinterreifen verkraften kann. Wenn du den Hinterreifen so stark beanspruchst, geht das ein bisschen auf Kosten der Lebensdauer. Dann geht die Performance runter.
Es sieht so aus, als hätte Stefan letztes Jahr öfter unter «arm pump» im rechten Unterarm gelitten, als er zugegeben hat. Schlimm war es in Estoril und Motegi, aber es sind auch in Katar, Jerez, Sachenring, Phillip Island und so weiter Schmerzen aufgetreten. Das hat er erst nach der Saison gestanden...
Ja, er hat wahrscheinlich insgeheim gehofft, dass die Beschwerden von selber verschwinden werden. Es ist gut, dass er sich im November zur Operation entschlossen hat. Jetzt ist er dieses Problem los und muss ich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen.

Teamchef Lucio Cecchinello hat gesagt, Stefan könne 2013 überall unter die ersten fünf fahren. Aber dazu darf er sich keine Minute ausruhen, weil hinter den vier Stars Lorenzo, Pedrosa, Rossi und Márquez hartnäckige Gegner wie Crutchlow und Bautista lauern. Auch Dovizioso wird immer stärker.

Während der Saison 2012, als Casey fehlte, wurde uns ein Platz geschenkt. Aber Stoner kam bald wieder zurück. Jetzt hat Márquez die  Position von Casey übernommen, da müssen wir uns nichts vormachen. Valentino ersetzt Ben Spies und ist deutlich schneller als dieser; dann hast du Cal, der wirklich aggressiv ist. Ich will nicht sagen, dass er jede Woche auf dem Podest stehen wird. Aber er wird grimmig darum fighten.
Unser Ziel ist es, regelmässig unter die ersten fünf zu fahren und manchmal die Gelegenheit für Top-3-Plätze zu packen. Wir wollen jedenfalls vor Crutchlow und Bautista sein. Wir wollen einfach so schnell wie möglich fahren...
Das Team und Stefan werden wahrscheinlich besser sein als 2012. Gleichzeitig wird die Konkurrenz stärker sein.
Top-Five ist wirklich ein vernünftiges Ziel. An guten Wochenenden können wir um Podestplätze fighten. Oder wenn ein anderer ein schlechtes Wochenende erlebt.

Wird die Chance auf Podestplätze bei feuchter oder nasser Fahrbahn grösser sein als im Trockenen?
Stefan ist sicher gut im Regen. Aber Lorenzo, Rossi und Pedrosa haben da auch nichts zu befürchten. Márquez ist auch stark im Nassen, Crutchlow sowieso.

Marc Márquez hat viele Experten verblüfft. Er fühlt sich auf der MotoGP-Honda so wohl wie eine Ente im Wasser. Überrascht?

Ja, seine Lernkurve ist sehr eindrucksvoll verlaufen. Ich dachte zuerst, mit seiner Aggressivität auf der Strecke muss er aufpassen, dass er den Hinterreifen nicht dauernd überstrapaziert. Ich meinte, er muss sich da eine sanftere Fahrweise aneignen. Aber es sieht so aus, als habe er dafür bereits das richtige Rezept gefunden.

Lucio Cecchinello hat Márquez in Texas auf der Strecke beobachtet. Es sieht so aus, als würde er mehr riskieren als Stefan, erzählt er. Stimmst du zu?
Hm, Marc wird vielleicht in den Rennen manchmal Fehler machen. Aber er hat alle beeindruckt und bisher keine grossen Fehler gemacht. Ich denke, er hat jetzt mehr als 2500 Kilometer ohne riesige Fehler abgespult. Fehler wären gefährlich gewesen. Aber er war bei allen Tests schnell, er war überall vorne dabei, sehr oft in den Top-3.

Wer wird am Jahresende mehr Punkte gesammelt haben: Márquez oder Bradl?
Ich habe schon erwähnt, dass wir meiner Meinung nach punkto  Rennspeed besser dastehen als man uns ansieht. Aber das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.
Sicher werden wir uns bemühen, mit ihm um die Wette zu fahren.

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