Twitter? Redet lieber mit den Leuten!

Der MotoGP-Paddock in Jerez 2013
Twitter ist der Ventilator in der Revolution der Kommunikation. Es bringt die Leute näher zusammen und näher an die Wahrheit heran. Und all das in Echtzeit. Man muss nur schauen, welche Rolle Twitter im Arabischen Frühling gespielt hat.
Es ist ein Vehikel für triviale Dinge, lose Disziplin und Verantwortung – ein Schmelztopf für dumme Leute, die einfach nicht ihren Mund halten können.
Beide Aussagen sind wahr. Ich neige mehr zur letztgenannten, weil ich ein alter Mann bin, der seine Privatsphäre schätzt und gern Geld für die Dinge bekommt, die er schreibt.
Diese Gedanken entspringen der überraschenden Nachricht, dass Yamaha für all seine Racing-Mitarbeiter Grundsätze für deren Tweets festlegen möchte. Wenig überraschend aus drei einfachen Gründen:
1. Jede große Firma muss kontrollieren können, welche Informationen über sie selbst im Umlauf sind, dafür haben sie PR-Leute.
2. Das Rennteam von Yamaha hat mehr Twitterer als andere Firmen.
3. Der letzte Grund: Es ist einfach nur eine weitere Krankheit, die den Rennsport (wie auch jede andere kommerzielle Sportart) beeinflusst.
Ich hasse es, an die alten Tagen zu erinnern, aber in diesem Fall ist es notwendig. Als ich anfing, über die GP-Rennen zu berichten, war Kenny Roberts kurz davor aufzuhören. Wayne Gardner war kurz davor, seine Karriere zu beginnen. Kevin Schwantz und Wayne Rainey schossen über den Horizont hinaus.
Echte Menschen und ihre Rivalen. Du weißt, dass diese Rennfahrer real und echt waren, denn um mit ihnen reden zu können, musstest du sie gewissermaßen jagen, in ihre Motorhomes gehen, eine Beziehung aufbauen. Professionell, aber dennoch menschlich.
Hattest du etwas zu sagen, dann von Angesicht zu Angesicht.
Moderne Fahrer sind auch reale Menschen, aber in vielen Fällen ist dies sehr gut verborgen. Jorge Lorenzo ist das perfekte Beispiel für den modernen Roboter: Alles was er auf oder neben der Strecke tut, ist auf das kleinste Detail durchgeplant. Nichts kommt aus dem Bauch heraus. Bei jedem Termin oder bei jedem Interview wird er von einem PR-Mann begleitet, immer bereit einzuspringen, unangenehme Fragen zu unterbinden oder unangebrachte Wahrheiten im Verborgenen zu belassen.
Das trifft auf alle MotoGP-Werksfahrer zu. Bei Honda wird Dani Pedrosa in allen Belangen geführt. Marc Márquez ist noch ein junger Fahrer, doch schon ein Produkt des Herstellers. Selbst der oftmals vermisste Casey Stoner, der auch mal über andere Fahrer oder das MotoGP-Management sprach, sang im Endeffekt ein und dieselbe Honda-Hymne.
Am meisten hängen die Ducati-Fahrer am Team-Knigge fest. Man hört etwas von Untersteuern und anderen technischen Problemen, doch niemals auch nur einen Hauch von Kritik am Team oder anderen Dingen.
So ist es auch bei Twitter. Lorenzo konzentriert sich auf Werbung, am besten für sich selbst; Rossi halt sich an Fußball und ähnliche Themen. Und so weiter.
Es gibt eine erwähnenswerte Ausnahme. Das ist wohl auch der Hauptgrund, warum Yamaha einige Grundsätze einführt: Cal Crutchlow. Größtenteils ist er einer der alten Garde. Er hat Twitter genutzt, um sein Team oder Yamaha zu kritisieren, dass sie ihm nicht das beste Material gegeben hätten oder jene Leute zu beschimpfen, die seinen Weg gekreuzt haben. Sein größter Vorteil ist sein Humor – bis jetzt. Yamaha hat es bisher nicht unterbunden, aber wir sollten nicht auf weitere gepfefferte Kommentare von ihm warten.
Um auf den Punkt zu kommen: Eigentlich hat sie die Situation nicht so sehr geändert im Vergleich zur angeblich guten, alten Zeit, bis auf einen ganz wichtigen Punkt. Selbst der lautstärkste Fahrer vergass nur selten, dass er einen Vertrag mit Yamaha, Honda, Suzuki und weiteren Sponsoren hatte. Sie mussten und durften aber selber entscheiden, wie diskret sie sein wollten. Kevin Schwantz posierte einst stolz mit einem «Nicht-Rauchen-Schild» vor seinem neuen Haus. Das Problem: Sein Sponsor Lucky Strike fand dies nicht sonderlich lustig. Ich sollte danach das Team beraten und mir 20 Gründe überlegen, warum Schwantz das Recht der Menschen respektieren sollte, Zigaretten zu kaufen und sie auch zu rauchen. Er machte so etwas nicht wieder.
Ein großer Teil der Menschlichkeit im Renngeschäft wurde hinter gläsernen VIP-Schiebetüren aus Glas in den vornehmen Hospitalitys weggeschlossen.
Weniger Motorhomes. Junge Fahrer in kleineren GP-Klassen dürfen nicht mehr ihre eigenen Motorhomes mitbringen, da es dafür keinen Raum im Fahrerlager mehr gibt. Sie nächtigen in den Hotels. Daraus resultierend reden die Fahrer so selten miteinander, wie sie übereinander reden. Die Kameradschaft geht hinter einem maßgeschneiderten Vorhang von digitalen Sound-Bites verloren.
Twitter und andere Social Media haben diese Barrieren ein Stück weit aufgebrochen. Es wurde eine Cyberwelt geschaffen, wo die persönliche Kameradschaft nicht mehr länger zählte. Kein Wunder, dass es kontrolliert gehört.
Das ist ein Weg.
Aber geht auch einen einfachen Weg: Twittert nicht, redet lieber mit den Leuten!