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Jorge Lorenzo: «Wir haben eine Saison geopfert»

Von Isabella Wiesinger
Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo spricht offen über seine misslungene Saison, seine Fehler und Schwächen. Aber der Yamaha-Star weiss, dass er in Topform kaum zu besiegen ist.

Jorge Lorenzo, MotoGP-Weltmeister 2010 und 2012, hat eine missratene Saison 2014 hinter sich. Beim WM-Finale in Valencia hat er am Sonntag auch noch den dritten WM-Rang um satte 32 Punkte gegen seinen Teamkollegen Valentino Rossi verspielt.

Am Montag gelang Jorge Lorenzo (27) eine Testbestzeit in Valencia, heute wird der Test abgeschlossen, es ist trocken und sonnig, morgen beginnt für die Yamaha-Asse die Winterpause.

Gestern am verregneten Dienstag nahm er sich in der Yamaha-Hospitality noch Zeit für ein ausführliches Interview.

Jorge, die Saison 2014 ist vorbei. Kannst du deine Performance beschreiben?

Es war bestimmt nicht eine meiner besseren Saisonen, seit ich in die MotoGP gewechselt habe. Es war meine schlechteste, nicht weit entfernt von 2008. Damals war ich nicht so konstant, ich bin gut in die Saison gestartet, aber war am Ende ziemlich schlecht. Jetzt ist es eher das Gegenteil: Am Anfang des Jahres hatte ich wirklich zu kämpfen, aber ich habe mich allmählich gesteigert. Während der Saison hat sich entweder meine Performance oder mein Motorrad verbessert. Seit dem Sachsenring-GP wurden die Ergebnisse besser und besser.

Was war der schlimmste Moment in der ganzen Saison?

Die Austin-Katar-Argentinien-Periode, ohne Zweifel. Da habe ich den Druck gespürt und ich musste ein gutes Resultat erzielen, weil ich in den ersten zwei Rennen zu kämpfen hatte und wir ein paar grosse Fehler gemacht haben.

Und der glücklichste Augenblick?

Das waren die Siege in Aragón und in Japan. Der Erfolg in Aragón kam unerwartet, weil wir während all der Rennen so weit weg waren vom Gewinnen. Das Rennen wurde wegen des Regens ziemlich chaotisch und so konnten wir endlich siegen. Es gab aber auch ein paar Rennen, bei denen wir auf Platz 2 gelandet sind, wie in Mugello oder Silverstone. Auch das haben wir sehr genossen.

Die Saison 2013 war hart für dich und du musstest dir nach den zwei Schlüsselbeinbrüchen besonders viel Mühe geben. Hat diese Situation den Start der diesjährigen Saison beeinflusst?

Ich glaube nicht. Ich liebe harte Arbeit, hartes Training und den Rennsport. Manchmal braucht man ein paar ruhige Momente, um sich zu erholen.
Das Problem letztes Jahr war womöglich, dass die Ruhepause zu lang war. Ich hatte einige Operationen, um ein paar Metallteile aus der Vergangenheit zu entfernen, die einigen meiner Körperteile Probleme bereitet hatten. Ich hatte drei Operationen mit Vollnarkose. Deshalb hatte ich nicht so viel Zeit, fit zu werden. Wenn man bedenkt, dass das Motorrad am Anfang nicht so wettbewerbsfähig war, wachsen die Probleme.

Gibt es irgendwas, das du bedauerst?

Ich bedaure ein wenig, dass ich nicht besser geplant habe, wie die Operationen das Training beeinflussen würden, da ich in guter Form in die Saison starten sollte.

Dann war es dir eine Lehre?

Wir können sagen, dass wir eine Saison dafür geopfert haben, um in Zukunft erfolgreich zu sein.

Können wir sagen, dass dein grösster Feind Jorge Lorenzo war?

Ja, aber das ist immer so. Jeder Fahrer hat seinen grössten Feind in sich selber. Du musst immer gegen dich selber kämpfen, um deine Probleme zu besiegen. Wenn du dich nicht die ganze Zeit verbessern willst, wirst du nie gegen die anderen gewinnen, weil wir hier über die besten Motorradfahrer der Welt sprechen. Jeder hier ist stark und jeder gibt sein Bestes. Wenn du dich nicht genügend anstrengst, verlierst du.

In der zweiten Hälfte der Saison hast du gezeigt, dass es schwer ist, gegen dich zu gewinnen, wenn du in Form bist. Was können wir von der nächsten Saison erwarten, wenn du 100-prozentig fit bist?

Der Level im Moment ist sehr hoch; vor allem die ersten vier Fahrer in der WM, betreffend Geschwindigkeit, konstantes Tempo und Fokus. Noch einen Schritt weiter zu gehen ist wirklich schwer. Es ist aber auch klar, dass, je besser du physisch und mental in Form bist, du umso einfacher mit dem Motorrad umgehen kannst. Bei mir ist das der Fall; wenn es mir gut geht und ich fokussiert bin, kann ich um die Siege kämpfen.

Wie im wahren Leben hörst du auch im GP-Sport nie auf zu lernen und du musst dir immer mehr Mühe geben, um deine Ziele zu erreichen. Weißt du, wo dein Limit ist?

Jedes Mal hast du mehr Wissen, mehr Erfahrung und du weißt genau, was du machen musst und was nicht.
Aber auch wenn es schwierig ist all dein Können beizubehalten, musst du fokussiert bleiben, die Motivation aufrecht erhalten und deine Schwächen besiegen. Es ist immer schwer, mit all dem umzugehen. Ich weiss nicht wirklich, wo mein Limit ist, aber ich glaube, ich habe noch ein bisschen Spielraum.

Wie weit kannst du dich als Fahrer noch verbessern?

Wenn man auf dem Motorrad schnell ist, ist das eine Mischung aus frühem Bremsen, dann wieder an Geschwindigkeit zu gewinnen und beim  Rausfahren aus der Kurve keine Zeit zu verlieren.
Vielleicht bin ich im Vergleich zu meinen Mitstreitern nicht der Beste auf der Bremse und auch nicht der Beste, wenn es ums Rad-and-Rad-Duelle geht. Daran muss ich noch arbeiten. Ich bin offensichtlich ein besserer Fahrer, als ich es noch 2008 oder 2009 war, aber ich lerne und steigere mich immer noch.

Was sagst du zur M1?

Momentan haben wir ein wirklich gutes Bike. Wir haben die Beschleunigung verbessert, der Top-Speed ist sehr gut und unser Chassis kann sehr gut mithalten. Vielleicht können wir uns die Elektronik betreffend noch steigern und an der Bremsstabilität arbeiten, was unser schwächster Punkt ist.

Was würdest du deinen Rivalen wegnehmen?

Von Valentino würde ich die Weltmeisterschaftstitel stehlen (Er lacht). Nein, das war ein Witz. Ganz im Ernst, ich würde ihm sein Improvisations-Können im Rennen stehlen oder seine Intelligenz, mit der er arbeitet, während er auf dem Bike sitzt. Bei Dani bewundere ich, wie gut er technisch ist und ich beneide seinen Vorteil betreffend der Beschleunigung, den er wegen seines Gewichts hat. Auch wie er aus den Kurven rausfährt, ist genial. Von Marquez hätte ich gerne die Mentalität. Er gibt nie auf und versucht immer zu gewinnen, sogar unter schwierigen Umständen. Manchmal geht er dabei zu viele Risiken ein, aber er versucht es immer.

In Assen hast du im Regen gesagt, dass du Angst gehabt hast. Wie ist es, so etwas zuzugeben, wenn du einer der Top-Fahrer bist?

Das war nicht das erste Mal. 2008 bin ich oft gestürzt und hatte viele Verletzungen. Ich erinnere mich, dass ich damals in Donington zugegeben habe, dass ich Angst hatte, weil ich sie überwinden musste. Vielleicht ist es etwas, das niemand zugeben will, weil es dir später im Weg stehen könnte.
In dieser Saison war es in Assen ähnlich, aber das war logisch nach dem schlimmen Sturz letztes Jahr, bei dem ich mich verletzt habe. Aber damals habe ich ein grossartiges Rennen hingelegt und wurde dann Fünfter. Ein Jahr später hatte ich Angst, aber ich musste es zugeben und viele Leute haben sich für meine Ehrlichkeit bedankt. Vielleicht haben mir solche Aussagen für die Zusammenarbeit mit dem Team nicht geholfen, da wir inmitten der Verhandlungen für die Zukunft waren.

Dieses Jahr liess der erste Sieg bis Ende September auf sich warten. Wie hast du dich in Aragon gefühlt?

Ja, das war mental eine Erleichterung für mich. Ich war nie in Eile, einen Sieg mit nach Hause zu nehmen, weil ich wusste, dass er kommen würde, wenn die Zeit reif war. Aber es ist wahr, es hat lange gedauert und Valentino hat vor mir ein Rennen gewonnen. Ja, im Nachhinein muss ich sagen, dass der Sieg in Aragón eine Befreiung für mich war.

Wie hast du deinen Fahrstil für dieses Jahr verändert und warum?

Er hat sich nicht komplett verändert, aber es stimmt, dass ich ein paar Dinge anders mache. Ich trainiere mit meinem Vater und wir versuchen ein paar kleine Details zu verändern, weil wir immer noch schneller werden müssen.

In welcher Hinsicht beinflusst dich der Marquez-Einstieg in die MotoGP?

Marc ist stark und hat grosses Talent. Eines davon ist, dass er schnell lernt und einen speziellen Fahrstil hat, der es ihm erlaubt, mit dem Motorrad zu spielen. Das Honda-Bike erlaubt ihm diesen Stil, vielleicht wegen des Chassis’, aber es schaut auf jeden Fall flexibler aus. Er hat einen Fahrstil wie beim Supermoto.
Er ist natürlich ein starker Gegner, wenn es ums Kämpfen von Angesicht zu Angesicht geht. Er will immer und überall dominieren. Das ist stimulierend für uns, weil es uns anspornt, besser zu werden, damit wir ihn besiegen können.

Auf der anderen Seite gibt es Valentino, 35 Jahre alt, der sich sehr verbessert hat. Inwiefern hat er dir geholfen?

Valentino ist unglaublich und er verdient seinen Erfolg. Wir werden nie erfahren, wie Valentino es macht, dass er gegen drei oder vier verschiedene Generationen gekämpft hat und immer noch so konkurrenzfähig ist. Es ist nicht nötig, dass wir über seine Statistiken sprechen, weil wir wissen, dass diese eindrucksvoll sind. Nach zwei wirklich schlechten Jahren bei Ducati und einem normalen Jahr bei Yamaha wieder dauernd aufs Podium zu fahren, sogar zweimal als Erster, ist unglaublich. Noch nie zuvor hat jemand das geschafft.
Ich glaube, er ist ein gutes Beispiel für junge Fahrer, um ihnen zu zeigen, wie man sich verbessern kann und dass man nie aufgeben, sondern sich den modernen Zeiten anpassen soll. Letztes Jahr habe ich ihn regelmässig besiegt, aber dieses Jahr musste ich dafür kämpfen. Er war also auch eine Motivation für mich!

Du stehst vor einer grossen Herausforderung: Mit Kenny Roberts oder Wayne Rainey mithalten zu können, die drei Titel auf der Yamaha geholt haben. Auch musstest du gegen drei Generationen von grossartigen Champions, wie Rossi, Stoner und Marquez kämpfen. Wie viel Mühe planst du dir zu geben, damit du mit ihnen mithalten kannst?

Ich bin mir immer im Klaren, was ich mache, und versuche, mein Bestes zu geben. Egal ob auf oder neben der Rennstrecke. Ich gebe bei allem, was ich mache 100 Prozent. Deshalb will ich möglichst fit werden, an mein Limit gehen und mich von Tag zu Tag verbessern. Den dritten MotoGP-WM-Titel zu gewinnen wäre wunderbar. Ich freue mich darauf, um den Titel zu kämpfen!

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