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Pit Beirer (KTM): «Motor muss Punktlandung werden»

Von Günther Wiesinger
KTM-Rennchef Pit Beirer über die Ursachen des schwachen Moto3-Saisonstarts und über die mühselige Kleinarbeit auf dem Weg zu einem konkurrenzfähigen MotoGP-Motorrad.

Das KTM-Werk kehrt 2017 in die MotoGP-WM zurück, die Saison 2016 soll als Testsaison dienen, ein erstes Roll-out ist für September oder Oktober 2015 geplant. Bei dieser Gelegenheit wird die RC16 von Alex Hofmann gefahren, für 2016 wird dann ein Fulltime-Testfahrer engagiert.

Pit Beirer, Head of Motorsport bei KTM, hat einen engen Zeitplan, die ersten Prüfstandtests waren ursprünglich für Mai vorgesehen, dieser Termin kann wohl nicht gehalten werden.

Pit Beirer will das aber nicht bestätigen. «Ich habe schon mehrmals erklärt, dass ich nicht dauernd im Detail über unsere Zeitpläne reden will. Es läuft alles so, wie es laufen soll. Wir liegen im Fahrplan, es wird alles seinen Gang gehen», betont der erfolgreiche Stratege.

Der ehemalige Motocross-Star hat im Gespräch SPEEDWEEK.com einige aktuelle Fragen beantwortet.

Pit, was ist momentan die schwierigste Aufgabe für KTM beim MotoGP-Projekt, wo drückt der Schuh am meisten?

(Er lacht). In der Moto3-Klasse...

Du hast einmal erwähnt, dass durch den Aufbau des MotoGP-Projekts Kapazitäten aus der Moto3-Abteilung abgezogen wurden. Ist euch das jetzt auf den Kopf gefallen? Es gab bei den ersten drei Moto3-Rennen 2015 keinen Podestplatz?

Ja, wir müssen jetzt sicherlich eingestehen, dass uns das schnelle Wachstum von unserem normalen Weg ein bisschen abgebracht hat. Das geht bei ganz kleinen Dingen los. Zum Beispiel damit, dass die wichtigsten Leute in Vorstellungsgesprächen mit neuen Technikern sitzen statt dass sie ihrer regulären Arbeit nachgehen.
Das war im Winter eine schwierige Phase, als neben der üblichen Vorbereitung auf die Moto3-Saison eine neue MotoGP-Mannschaft aufgebaut werden musste. Das hat uns sicher von unserer Kernaufgabe, die Moto3-WM erfolgreich weiter zu betreiben, abgelenkt. Das hat einfach Zeit gekostet, die uns dann irgendwann gefehlt hat. Den Preis dafür haben wir bei den ersten Rennen täglich auf der Strecke bezahlt.

Wenn du von einer Verdoppelung der Technik-Mannschaft im Road-Racing-Bereich sprichst: Was heisst das in konkreten Zahlen?

Wie viele Techniker waren vor einem Jahr beschäftigt, wie viele jetzt?
!Ich mag keine Zahlen nennen, was den genauen Mitarbeiterstamm betrifft. Das schnelle Wachstum der letzten Monate war schwierig. Du musst neue Arbeitsplätze einrichten, du musst Computer einrichten, du musst die Werkzeuge besorgen. Und natürlich sind da die gleichen Leute damit belastet, mit denen wir die Moto3-Abteilung von Null aufgebaut haben, weil das meine Road-Racing-Häuptlinge im Haus sind. Wir werden auch den nächsten Schritt gemeinsam mit ihnen gehen.
Aber das ?soll jetzt nicht die grosse Entschuldigung für die fehlenden Moto3-Erfolge sein.
Wir haben in der Chassis-Entwicklung ein paar kleine Fehler gemacht und wollen uns mit dem neuen Chassis, das ?zum Mugello-GP kommt, extrem verbessern. Wir werden den Weg zurück wieder finden.

Wenn du über die Mitarbeiterzahl nicht reden willst: Es ist ja kein Geheimnis, dass man mit 30 Technikern kein MotoGP-Projekt stemmen kann.

Ja, richtig, so viel kann ich sagen: 30 sind wir jetzt schon.
Und ?wird ?bis zum ersten Rennen 2017 ein beständiges weiteres Wachstum bestehen. Bei uns kommt in der Rennabteilung in Munderfing auch eine Gebäude-mässige Veränderung dazu, damit wir alle Mitarbeiter unterbringen. Das wird jetzt mit Sicherheit eine schwierige, aber auch extrem spannende Zeit.
Es macht ja wahnsinnig Spass, wenn du in einem Konzern wie bei uns wachsen darfst. Wir sind nicht nur mit Schwierigkeiten konfrontiert, sondern auch mit Freuden, wenn du siehst, was aus der ganzen Motorsport-Abteilung geworden ist, angefangen mit dem ganzen Offroad-Sport.
Wir werden uns definitiv stabilisieren und dann wieder in ein ruhigeres Fahrwasser kommen.

Ing. Kurt Trieb hat vor mehr als zehn Jahren den 990-ccm-V4-Motor gebaut, der noch heute als PS-stärkstes Triebwerk dieser Ära gilt. Aber es mangelte an der Fahrbarkeit, daran dürfte auch die unbrauchbare TAG-Heuer-Elektronik des Team Roberts schuld gewesen sein. Über PS-Mangel muss sich also KTM für 2017 keine Sorgen machen? Und die Einheits-Elektronik kommt für KTM zur rechten Zeit?

Ja, du stellst mir da jetzt viele Fragen zu einem sehr frühen Zeitpunkt... Denn wir müssen in der momentanen Phase eigentlich jede Unterlagsscheibe in Frage stellen. Wir haben bei diesem Fahrzeug noch in keiner Weise irgendeinen Bereich, bei dem wir sagen können, wir fühlen uns da jetzt wohl, das passt schon sicher.
Aber ich habe auf jeden Fall sehr viel Vertrauen in unseren Motor und unsere Techniker.
Aber es fängt an mit der ersten kleinen Welle, die sich innen drin dreht, darum herum entsteht ein Motorrad. Wenn es irgendwo beim Gewicht oder bei der Balance nicht stimmt, kannst du aussen rum machen, was du willst, du wirst ein Problem haben.
Dass der V4-Motor eine Punktlandung werden muss, das ist das Um und Auf für das ganze Projekt. Weil wenn du nachher im Motor irgendetwas mitschleppst, was dir zum Beispiel beim Handling Sorgen bereitet, kannst du nachher rundherum basteln, was du möchtest.
Darum liegt der Fokus jetzt in erster Linie auf dem Motor. Da bin ich  sehr zuversichtlich, weil jene Ingenieure, die den ersten MotoGP-Motor vor mehr als zwölf Jahren gebaut haben, jetzt mittlerweile ?noch zwölf Jahre mehr Rennsporterfahrung in verschiedensten Bauarten von Motoren haben. Wenn dieses gesamte Wissen in den RC16-Motor einfliesst, bin ich schon sehr zuversichtlich, dass unser Motorrad funktionieren wird.

Wie viele PS hat heute ein 250-ccm-Einzylinder-Moto3-Werksmotor bei KTM?

Naja, da reden wir von 56 PS oder so.

Wenn man diesen Output mit vier multipliziert, kommt man beim 1000-ccm-V4-Motor auf 224 PS. Aber die Moto3 hat ein Drehzahllimit von 13.500/min; in der MotoGP drehen Suzuki und Yamaha zum Beispiel 16.500/min. Also kann man sagen: 250 oder 260 PS sollen für die KTM-Ingenieure keine Zauberei sein?

Ja, ich glaube jetzt nicht, dass Kurt Trieb die Motorleistung so hergeleitet hat, wie wir zwei gerade das getan haben... Aber die Technologie in den Moto3-Motoren ist mittlerweile eine extrem hohe. Du hast da in vielen Bereichen tatsächlich eine kleine Einheit vom MotoGP-Motor drin.
Wenn ich nur daran denke, was da für Ventile, Pleuel und Kolben verwendet werden... Da brauchst du dich nicht schämen, wenn du das 1:1 in einen MotoGP-Motor einbaust. Von dem her ist am kleinen Motor viel passiert, bei uns und bei Honda. Da wird viel an MotoGP-Technologie hin und her gespielt.
Beim Motor wissen wir schon sehr genau, was wir vorhaben und was wir erreichen wollen.

Ist die Chassis-Entwicklung die einfachere Aufgabe im Vergleich zum Motor? Oder ist in erster Linie das Gesamtpaket ausschlaggebend? Kann man auch beim Gitterrohrstahlrahmen Anleihen aus der Moto3 nehmen? Oder sind die Anforderungen völlig anders?

Ja, optisch ist es machbar, aber von der Umsetzung her ist es natürlich eine Illusion, weil das Motorrad so kompakt und gross ist, es sind so viele Teile dran, dass du sehr sorgfältig überlegen musst: Wo werde ich grösser, wo werde ich breiter?
Natürlich sind die Steifigkeiten im Chassis der Schlüssel zum Erfolg. Die Frage ist: Wo muss ich wie steif und wo muss ich wie flexibel sein?
Du kannst nicht einfach einen Moto3-Rahmen aufblasen, sondern musst genau erforschen und wissen, warum du an welcher Stelle härter oder weicher gehst.

KTM baut einen Gitterrohrstahlrahmen, die Kontrahenten verwenden Alu-Deltaboxrahmen. Er könnt also nichts kopieren. Erschwert das die Aufgabe? Oder habt ihr euch die Ducati von 2007 und 2008 genau angeschaut?

Haben wir uns angeschaut. Es waren aber sehr wenig tragende Stahlteile zu sehen, sehr viel Motor, dazu und Karbon- und Aluteile, die das Ganze aufgefangen haben. Aus den Ducati-Zeiten werden wir also wenig übernehmen können.
Natürlich ist das eine Schwierigkeit. Wir können kein Alu-Chassis als Benchmark kopieren und hoffen, dass es irgendwann funktioniert. Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Aber den haben wir bisher bei allen schwierigen Projekten für uns gefunden. Wir sind mit KTM Motorsport jetzt nicht durch Abkupfern stark geworden, sondern mit eigenen Ideen. Jedes Projekt mit Charakter geht seinen eigenen Weg.
Wenn du anfängst, andere zu kopieren, kannst du bestenfalls Zweiter werden.
Das ist nicht unser Stil. Deshalb haben wir beim MotoGP-Projekt um eine gewisse Zeit gebeten, wir mussten nachdenken und unseren eigenen Weg finden.
Man kann nicht am Reissbrett theoretisch ein Motorrad planen, das dann rausfährt und perfekt ist.

Suzuki zieht sich als Neueinsteiger prächtig aus der Affäre. Aleix Espargargó stand in Argentinien in der ersten Reihe, er war schon einmal Achter und zweimal Neuner, er ist WM-Achter. Ein vorbildlicher Einstieg? Eine Messlatte für KTM?

Was Suzuki seit dem Test in Valencia im November geleistet hat, wie fahrbar das Motorrad geworden ist, das ist genial. Die haben einen Superjob gemacht.
Solche Ergebnisse dürfen wir im ersten Jahr bei KTM nicht erwarten. Das sind Ziele, die sind zu hoch gegriffen.
Wenn du siehst, wie viele MotoGP-Fahrer heute innerhalb einer Sekunde fahren können, sind alle Antworten gegeben. Du darfst nicht viele schwache Bereiche haben, wenn du in dieser Liga mitspielen und irgendwann in dieser letzten Sekunde unterwegs sein willst.

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