KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Marc Márquez und das Glück des Teufels

Kolumne von Michael Scott
Ist Glück nur die Abwesenheit von Pech? Wie wichtig ist Glück in einem Sport, der von Talent, Technik und Entschlossenheit bestimmt wird?

What’s luck, what’s luck got to do with it? Vielleicht ist Glück nicht alles, aber es ist entscheidend. Selbst der begabteste und eigensinnigste Fahrer wird zugeben, dass Talent nur die Grundlage für Erfolg ist. Man braucht all das: ein gutes Bike, ein gutes Team plus viel Glück oder zumindest die Abwesenheit von Pech.

In dieser Hinsicht ist der Grand-Prix-Sport wie jeder Sport oder sogar wie jedes Kartenspiel. Man braucht eine gute Hand, bevor man sie einsetzen kann, um zu gewinnen. Das klingt nicht sonderlich überraschend, aber man sollte sich von Zeit zu Zeit daran erinnern.

Marc Márquez wurde in kurzer Zeit mehrmals daran erinnert. Eine Umkehr seines Glücks könnte den Kurs der MotoGP-WM verändern, die vielversprechend mit viel Abwechslung und Spannung in die neue Saison startete. Im letzten Jahr war das Gegenteil der Fall, als er die ersten zehn Rennen in Folge gewann.

Der bisher größte Rückschlag in diesem Jahr, der bereits vielen anderen Fahrern widerfuhr, ereignete sich während einer Motocross-Einheit. Es ist das ideale Training für MotoGP-Fahrer, denn es verlangt nicht nur kreativen Einsatz der Körpergewichts, sondern auch große Finesse im Umgang mit dem Gasgriff. Und es macht Spaß – bis etwas schief geht.

Márquez’ Sturz war harmlos. Das kann passieren. Das Problem war sein Freund hinter ihm, der den gestürzten Fahrer erwischte. War das Pech? Oder extremes Glück? Die Folgen hätten viel schwerwiegender sein können als der Bruch des kleinen Fingers. Auf eine gewisse Art kam er glimpflich davon.

Das war immer wieder der Fall – bei zahlreichen Stürzen. Im letzten Jahr waren es elf… Nicht so viele wie bei Rekordhalter Bradely Smith mit 16. Márquez hat die Gabe, sein Glück bis an und über das Limit hinaus auszureizen. Meist verlässt er das Kiesbett ohne einen Kratzer. Zumindest bis jetzt…

Eigentlich ist das nicht ganz wahr. Ein anderer Motocross-Unfall im letzten Jahr hatte zur Folge, dass er sich ein Bein brach. Doch er hat bewiesen, dass diese Verletzung weniger Probleme macht als ein gebrochener Finger.

Eine Frage des Glücks

Viele Weltmeister mussten sich genauso auf Glück verlassen wie auf harte Arbeit. Einige von ihnen mussten ihre Karriere beendet, weil das Glück ihnen nicht mehr hold war. Besonders Wayne Rainey und Mick Doohan.

Wenn man von einem schnellen Motorrad fällt, ist es egal, wie gut die Schutzkleidung oder wie groß die Auslaufzone ist, es ist eine Sache des Glücks, ob man sich verletzt oder nicht.

Wenn es um Glück geht, dann hat wohl niemand mehr davon als Valentino. Mein oft wiederholtes Lieblingsbeispiel stammt aus Brünn während seiner glorreichen Jahre.

Es war Hochsommer mit einer ernsthaften Wespenplage. Dr. Costa war rund um die Uhr damit beschäftigt, allerigsche Schocks zu behandeln. Fahrer um Fahrer wurde gestochen. Ich denke, es war James Whitman, aber vielleicht spielt mir mein Gedächtnis auch einen Streich, der einen dramatischen Stopp mitten auf seiner Runde hinlegte, um seinen Stiefel herunterzureißen, in dem sich das unangenehme Insekt auslebte.

Im Rennen schlugen sie auch bei Rossi zu. Er führte, als eine Wespe in seinen Helm flog. Er öffnete das Visier, sie flog weg, ohne ihn zu berühren.

Wie wir wissen, wurde Rossi in Mugello 2010 vom Glück verlassen, als er sich sein Bein brach. Es war die erste ernsthafte Verletzung nach 15 Jahren im GP-Sport. Bis dahin hatte er kein Rennen verpasst – 230 Rennstarts in Folge. Danach hat er keinen Titel mehr gewonnen. Diese Situation wurde natürlich durch seinen romantischen, aber fehlgeleiteten Wechsel zu Ducati beeinflusst.

Ist dies nun die dramatische Wendung des Glücks von Marc Márquez? Tatsächlich war er auch bisher nicht so gesegnet wie Rossi. Er verlor den Moto2-Titel 2011 wegen eines Augenproblems nach einen Sturz in Malaysia, der in diesem Fall nicht seine Schuld war. Da er über lange Zeit doppelt sah, hätte dies beinahe seine Karriere beendet.

Nun startete sein Versuch eines Hattricks in der MotoGP-Klasse nicht nach Plan. In Katar patzte er in der ersten Kurve, verlor einen seiner fünf Motoren in Texas und stürzte in Argentininen nach einer Berührung mit Rossi. Die Europa-Rennen startete er mit einem gebrochenen Finger, was das Fahren seiner Honda zu einer Nervenprobe machte. Trotzdem wurde er Zweiter!

Was er verloren hat, ist sein Schwung und Spielraum. Wenn er mit einem weiteren Motor Probleme bekommt, wie durch einen Sturz, dann ist die Gefahr groß, dass er aus der Boxengasse starten muss. Da er ohnehin bereits zurückliegt, könnte das ausschlaggebend sein. Genauso wie eine weitere Verletzung.

Doch ich sage euch etwas. Ich würde trotzdem nicht gegen ihn wetten, ihr solltet es auch nicht. Auch wenn ein bisschen Glück nötig ist, damit das Wirklichkeit wird.

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