Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Eklat vor dem Start in Ernée: «Dann geht doch Golfen»

Von Thoralf Abgarjan
Serienvermarkter Infront Moto Racing will den Fans maximale Qualität bieten

Serienvermarkter Infront Moto Racing will den Fans maximale Qualität bieten

Der Fahrerboykott vor dem MXGP Qualifikationsrennen in Ernée hat hohe Wellen geschlagen. Die Piloten fühlten sich von der Rennleitung nicht respektiert. Der Grund des Eklats war aber in Wahrheit nicht das Wetter.

Vor dem Qualifikationsrennen am Samstag eskalierte die Situation. Während des EMX125-Rennens begann es in Ernée stark zu regnen. Die Strecke verwandelte sich in eine Schlammwüste. Nach dem Start zum MX2-Qualifikationsrennen kam es am Ende der schlammigen Startgeraden zu einem Crash, in den auch Titelfavorit Jago Geerts (Yamaha) verwickelt war. Geerts musste das Rennen angeschlagen aufgeben. Die Untersuchungen danach ergaben glücklicherweise keine Brüche. Geerts konnte am Sonntag unter Schmerzen fahren und belegte mit einem 2-2-Ergebnis den zweiten Rang.

Obwohl die Streckenbedingungen schwierig waren, ging das MX2-Rennen ohne Probleme über die Bühne. Simon Längenfelder demonstrierte eindrucksvoll, wie man auf Weltniveau ein Dirtbike durch tiefen Schlamm navigiert. Natürlich hatten sich im MX2-Rennen auch tiefe Spuren herausgefahren. Das war einigen MXGP-Piloten zu gefährlich. Vor dem Start kam es zu Diskussionen zwischen einigen Fahrern und den Offiziellen.

In der Hitze der Diskussion flogen die Fetzen: «Dann geht doch Golfen», soll ein Offizieller zu den Fahrern gesagt haben. Einige Piloten fühlten sich mit ihrem Anliegen nicht respektiert, verließen das Startgatter und boykottierten das Rennen. Auslöser war der Wunsch einiger Fahrer, wenigstens die tief zerfurchte Startgerade besser zu präparieren. Die Piloten fühlten sich in dieser Angelegenheit nicht gehört. Die Situation eskalierte.

HRC sah sich sogar veranlasst, eine Pressemitteilung herauszugeben, dass unter den herrschenden Streckenbedingungen die Sicherheit der Fahrer nicht gewährleistet sei. Einen solchen Boykott hat es in der jüngeren Geschichte der Motocross-WM nur ein einziges Mal gegeben. 2012 streikten beim Qualifikationsrennen in Mexiko ebenfalls mehrere Fahrer – damals wegen zu starker Staubentwicklung.

Sind die WM-Piloten nun Schönwetterfahrer, oder hat die Kritik einen ernsten Hintergrund? Klar ist: Motorsport ist gefährlich. Motocross gehört zu den Extremsportarten mit dem höchsten Risiko – auch bei gutem Wetter. Müssen die Fahrer bei Schlamm ein höheres Risiko eingehen als sonst? Nein. Ist die Fairness durch schlammige Bedingungen beeinträchtigt? Nein.

Hätte es den plötzlichen Regenguss am Sonntag gegeben, wäre kein einziger Fahrer auf die Idee zu kommen, das Rennen zu boykottieren.

Das zeigt: Es geht hier um etwas ganz anderes: Es geht um den Sinn des Qualifikationsrennens. Erstens hat sich durch die Startgebühr jeder Fahrer fast automatisch qualifiziert, denn er muss nur ein paar Trainingsrunden absolvieren, um zu den Wertungsläufen zugelassen zu werden. Zweitens stehen bei jedem Rennen ohnehin viel zu wenige Fahrer hinter dem Startgatter, so dass es für die Teilnehmer keinerlei Qualifikationshürden mehr gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass das Quali-Race de facto nicht das ist, was es vorgibt zu sein, denn jeder Teilnehmer ist bereits qualifiziert. Sportlich geht es bei diesem Rennen um die Startaufstellung, die aber im Motocross eine viel geringere Rolle spielt als beispielsweise auf der Straße. Jorge Prado, der in Ernée als Streikender von der vermeintlich schlechtesten Startposition ins Rennen ging, zog zweimal den Holeshot.

Rein sportlich ist das Qualifikationsrennen also nahezu bedeutungslos. Tatsache ist aber auch, dass sich in der Vergangenheit mehrere Fahrer während des Qualifikationsrennens verletzt und teilweise um ihre Titelchancen gebracht haben. Eines der prominentesten Beispiele ist Max Nagl, der 2015 mit einem Vorsprung von 30 Punkten zum Deutschland-Grand-Prix anreiste, sich im Qualifikationsrennen den Fuß brach und damit um seine Titelchancen gebracht wurde. Das zeigt: Für die Fahrer gibt es in einem Quali-Race wenig zu gewinnen aber extrem viel zu verlieren.

Es gibt nur einen Grund, weshalb es die Qualifikationsrennen überhaupt gibt: Der zahlende Zuschauer. Serienvermarkter Infront Moto Racing möchte den Zuschauern an der Strecke und im TV auch am Samstag bereits Rennen der höchsten Klassen anbieten. Das ist im Grundsatz ein lobenswerter Ansatz, denn man möchte dem Zuschauer die maximale Qualität anbieten, die man hat. Dafür müssen aber die Supportklassen auf zwei Tage verteilt werden.

Während der Covid-Zeit fanden beide Supportrennen am Samstag statt, was nicht nur mir selbst viel besser gefallen hat, sondern noch einen ganz anderen objektiven Nebeneffekt hatte: Es konnte unter diesen Umständen in der Presse viel mehr über die EMX- und WMX-Rennen berichtet werden. Jetzt stehen am Samstag wieder die WM-Qualifikationsrennen im Fokus. Über «Zwischenergebnisse» der ersten Samstagsläufe der Supportklassen zu berichten, macht wirklich kaum Sinn. Der Sonntag, der Tag der Entscheidung auch für die Supportklassen, ist dann aber mit den 4 Wertungsläufen der WM-Klassen so vollgepackt, dass es erst recht keine Möglichkeit mehr gibt, über die Supportklassen zu berichten. Wenn es gut läuft und ansonsten nicht viel passiert, werden die Supportrennen unter der Woche vielleicht noch einmal ausgewertet – aber nur vielleicht, denn als Sportler schaut man lieber nach vorn als nach hinten und das nächste Rennen kommt bestimmt. Das ist schade, denn 2021, als SPEEDWEEK.com über diese Rennen berichtet hat, wurden diese von den Lesern auch mit Interesse angenommen. Dazu hat die Berichterstattung über diese Rennen viel mehr Farbe und Vielfalt ins Geschehen gebracht, kurz gesagt: Mehr Abwechslung.

Mit Trainings-Sessions am Samstag könnten die WM-Protagonisten sich trotzdem dem Publikum präsentieren - ohne das Risiko eines Massenstarts und eines Rennens einzugehen. Die Zuschauer könnten schon am Samstag in den Supportklassen die ersten Siegerehrungen erleben, nicht erst am Sonntagmorgen zu einem Zeitpunkt, an dem viele Fans entweder noch anreisen oder nach der Festzeltnacht noch nicht einmal an der Strecke sind.

Diskutieren Sie mit. Was meinen Sie? Sollten die Qualifikationsrennen abgeschafft werden oder wie bei den ADAC MX Masters zu Wertungsläufen aufgewertet werden? Fänden Sie es besser, beide Läufe der Supportklassen wieder am Samstag zu erleben, wie es während der Covid-Zeit war? Brauchen die Fans die WM-Qualifikationsrennen am Samstag wirklich, oder würde eine Startaufstellung nach dem Zeittraining genügen?

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