«Den Rallye-Dakar-Spirit gibt es bis heute»
Anne Mühlemeier, Schwester der Autorin Suse Mühlemeier, war als Fahrwerkstechnikerin im Auftrag von alpha Racing unterwegs und begleitete unter anderem Markus Reiterberger zu seinen Einsätzen bei der Asiatischen Superbike Meisterschaft ARRC. Im Sommer 2023 verlor sie bei einem Motorradunfall ihr Leben – und ihre Schwester machte sich auf, hinter die Kulissen der Motorsport-Welt zu blicken. Mit dem Fokus auf Frauen.
Exklusiv bei SPEEDWEEK.com werden schon vor dem offiziellen Starttermin des Buches erste Kapitel veröffentlicht.
Sabine – offen, neugierig, ehrlich und immer freundlich…
Als mein ehemaliger Chef in den Ruhestand gegangen ist, habe ich nach 20 Jahren als Assistentin der Geschäftsführung von Porsche Inter Auto-Österreich noch einmal komplett gewechselt und bin in die Elektrobranche gegangen. Kürzlich habe ich einen ehemaligen Kollegen getroffen und als er gehört hat, was ich seitdem alles gemacht hab, meinte er nur: «Also im Vergleich zu dir, sind wir echt stehengeblieben.» Ich bin eben sehr wissbegierig. Und stur. Mein Chef bei Porsche meinte einmal: «Unsagbar, was du für an Vogel hast, aber i kann di eh ned stoppen».
Neben meinem Realitäts-Job als Geschäftsführungsassistentin bin ich an den Wochenenden Technical Scrutineer auf nationaler Ebene für die FIM Mini-GP Austria und anderen Veranstaltungen wie Formel 1, MotoGP, DTM etc. Auf internationaler Ebene bin ich Technikerin für die Rallye Dakar, Rallye du Maroc als auch F1 Academy. Ich checke immer, ob alles reglementskonform ist und alle Sicherheitsaspekte stimmen. Airbag an, Helm zu und vieles mehr.
Wie es ist im Rallye-Bereich zu arbeiten, das kann man nicht erklären, das muss man mal erlebt haben. Viele Leute sprechen vom Dakar-Spirit und den gibt es auch heute noch. Du bist da mehrere Tage gemeinsam in der Wüste unterwegs und alle fiebern gemeinsam mit. Man hilft sich gegenseitig aus und abends übernachtet man Zelt an Zelt im gleichen Biwak oder in einem sogenannten Whisky, das sind LKWs mit Stockbetten. Alle wissen, dass sie am nächsten Tag gemeinsam wieder in die Wüste rausmüssen. Auch die Original by Motul-Fahrer, die ohne Team alles selbst machen, schrauben, Zelt aufbauen, fahren. Manch ein Fahrer erzählt dir dann auch um zwei Uhr in der Nacht so seine ganze Familiengeschichte. Über die Jahre lernt man sich kennen und wird zu einer Familie.
Während der Rallye kommst du aber kaum zum Schlafen. Da schellt morgens zwischen 02:30 und 4:00 Uhr der Wecker, anziehen, Zähne putzen, schnell einen Kaffee, dann machst du den Start, gehst anschließend schnell frühstücken, steigst in den Bus, fährst zum Flughafen, fliegst in die nächste Destination, Bus, wieder Biwak. Zwischendrin machst du ein bisschen Büroarbeit und dann kommen die Fahrer schon wieder und du machst die Runde, um alles zu kontrollieren bei allen Fahrern. Nach dem Abendessen wartest du, bis auch der letzte sagt, «okay, ich mache den Motor zu», verplombst den Motor, gehst duschen und haust dich ins Bett. Dann kommen aber alle halbe Stunde die anderen Mädels rein, denn wir schlafen dann da zu acht in einem Whisky. Du schläfst nie wirklich ein. Irgendwann geht der Wecker und du bist wieder da.
Für die Rallyefahrer bin ich ein bisschen so etwas wie die Mama und der Glücksbringer zugleich. Vor dem Start rede ich noch kurz mit den Jungs und Mädels, und wünsche ihnen alles Gute. Und wenn ich mal morgens nicht am Start im Biwak stehe, bekomm ich abends zu hören, dass sie mich vermisst hätten. Ich glaube, es gibt den Fahrern ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich da bin. In der Mini-GP würde ein Bild von mir am Ende der Boxengasse reichen und die Kids würden sich automatisch an den Helm fassen, ob der wirklich zu ist.
Natürlich ist es ein langer Weg, bis man sich gerade in der Rolle des technical scrutineers ein solches Standing erarbeitet hat, aber es geht einfach darum, dass man ehrlich und offen ist, vertrauenswürdig und dass man Verständnis hat. Ich will keinen ‚aufzwicken‘, weil er irgendwas nicht hat, sondern wir brauchen eine Lösung, dass er starten kann. Wir wollen ja alle Motorsport machen. Ich bin sehr direkt, und zu allen gleich, aber immer auch mit a bisserl am Charme unterwegs.
Wer mehr über die Frauen im Motorsport erfahren möchte, kann sich auf der Website von Suse Mühlemeier umsehen oder gleich die Bestellung fürs Buch abgeben.