Streit über Spritreduktion: Algorithmus im Fadenkreuz

Ärger bei BMW über die Spritreduktion (v.l.): Michael van der Mark, Sven Blusch, Toprak Razgatlioglu und Christian Gonschor
Die Balance-Regel in der Superbike-WM basiert auf zwei Fundamenten: Für die großen Schritte soll die Konzessionsregel sorgen, welche strauchelnden Herstellern Verbesserungen am Motor und/oder Chassis erlaubt, die gemäß normalem Reglement verboten sind. Die Reduktion der Kraftstoffdurchflussmenge ist lediglich für die Feinabstimmung, hat aber ebenfalls einen großen Effekt.
Ducati und BMW wurden vor den Rennen in Most am kommenden Wochenende zum zweiten Mal mit der Verringerung von einem halben Kilogramm Spritdurchfluss pro Stunde bestraft, inzwischen haben sie ein Kilogramm weniger als zu Saisonbeginn und als ihre Gegner Bimota, Honda, Kawasaki und Yamaha. Die Konsequenz: Die Motoren von Ducati und BMW wurden in ihrer Leistung weiter beschnitten.
«Wir sind mit der Situation nicht glücklich», hielt BMW Motorsport Direktor Sven Blusch im persönlichen Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. «Es ist knifflig. Wir bringen uns stark ein, um immer an der Spitze zu sein, auch technisch. Wir respektieren die Entscheidung, mit dieser klarzukommen ist aber nicht einfach. Egal, wie es sich entwickelt, unsere Techniker pushen immer 100 Prozent.»
BMW investiert mehr als jeder andere Hersteller in die Superbike-WM und bringt ungefähr alle zwei Jahre in neues Homologationsmodell. Die Basis der aktuellen Ducati Panigale V4R stammt aus dem Jahr 2019, ebenso die Honda Fireblade. Die Yamaha und Kawasaki sind in ihrer Basis plus/minus ein Jahrzehnt alt.
Daraus resultiert, dass die Regelmacher einen Weg finden müssen, um diese sehr unterschiedlichen Motorräder auf ein ähnliches Niveau zu bringen, um ausgewogene und spannende Rennen zu haben.
Mit dem Balance-Instrument der maximal erlaubten Kraftstoffdurchflussmenge haben die Hersteller kein Problem, innerhalb der Motorcycle Sports Manufacturer’s Association (MSMA) haben sie diesem zugestimmt. Doch wie genau der komplizierte Algorithmus arbeitet, welche Werte in ihn einfließen und wie diese gewichtet werden, ist Bestandteil andauernder Diskussionen, weil nie alle mit ihm zufrieden sind. Aus diesem Grund trafen sich die Vertreter des Herstellerbündnisses am späten Donnerstagnachmittag in Most, um über Anpassungen zu diskutieren.
«Das Wichtigste ist, die Serie so interessant wie möglich für die Zuschauer zu machen», so Blusch. «Daran arbeiten alle Marken zusammen mit der FIM und Dorna. Dafür müssen wir den Idealpunkt finden, sodass es alle genießen. Für uns ist das im Moment aber knifflig, weil wir über den Winter viel in unsere Entwicklung investiert haben. Wir machten viele Schritte in eine Richtung, die wir für die richtige halten. Dann gab es im Januar den ersten Schritt zurück (durch das Verbot des Super-Concession-Chassis’ – der Autor), der uns über die Gesamtstrategie nachdenken ließ. Es wird immer schwieriger, die verrichtete Arbeit und das ausgegebene Geld gegenüber unserem Geschäftsführer zu erklären, weil die Situation immer schwieriger zu verstehen ist. Alle wollen eine gute Show – über diesen Punkt diskutieren wir im Moment.»
«Wir werden viele Gespräche führen, wie es weitergehen soll», unterstrich Blusch. «Wir stecken viel Budget rein, die letzten zweieinhalb Jahre haben wir diesem Projekt einen großen Schub verpasst, um dorthin zu kommen, wo wir sind. Es ist schwer zu sagen, wohin das in der Zukunft führt. Wir sind im Moment nicht glücklich mit der Situation und müssen alle zusammenarbeiten, um das in den Griff zu bekommen – vor allem für die Fans. Wir wollen eine Serie, die man genüsslich im Fernseher anschauen kann. Und wir wollen eine weitere Meisterschaft gewinnen, das ist unser Ziel für dieses Jahr.»
«Ich habe verstanden, dass es unmöglich ist, irgendetwas zu ändern», bemerkte Weltmeister Toprak Razgatlioglu resigniert, der vor den Rennen in Tschechien mit 34 Punkten Rückstand auf Nicolo Bulega (Ducati) WM-Zweiter ist. «Deshalb konzentriere ich mich auf meine Aufgabe, versuche das Fahren auf dem Motorrad zu genießen und zu gewinnen – das ist mein größtes Ziel. Ich bin nur ein Fahrer, Sven und Chris (Gonschor, der Technische Direktor von BMW – der Autor) machen bei der Dorna viel Druck und ich gebe alles auf dem Bike. Mal sehen, ob wir so wieder den Titel schaffen oder nicht. Es sieht so aus, als wäre die jetzige Situation zum Vorteil von Ducati. Ich sah die neuen Regeln, als ich nach Most kam, aber sie kümmern mich nicht mehr.»