Superbike-WM in Misano: Leidenschaft und Wehmut
Als im Winter die Reiseplanung für die Superbike-Saison 2025 auf dem Programm stand, kam bei mir die Vorfreude auf ein besonderes Rennwochenende auf: Misano! Auf dem weltberühmten Kurs an der Adria haben sich in der Motorradsport-Geschichte schon viele legendäre Duelle abgespielt. Die Stimmung dort ist jedes Mal fantastisch.
Allein beim Namen «Misano World Circuit Marco Simoncelli» kommt bei Motorsportfans Gänsehaut auf. Marco Simoncelli, der viel zu früh sein Leben lassen musste, ist in unmittelbarer Nähe der Rennstrecke aufgewachsen. Tavullia, wo MotoGP-Legende Valentino Rossi zu Hause ist, liegt gerade einmal 20 Autominuten entfernt. Dazu kommt die Nähe zum Meer. Viele, die nach Misano zu den Rennen kommen, verbinden den Trip mit einem Urlaub.
Für mich, als relativ neuem Redakteur bei SPEEDWEEK.com, sind die Einsätze bei den Rennen noch mit vielen neuen Erfahrungen verbunden. Für die Anreise entschied ich mich standesgemäß für das Motorrad. Mit meiner alten Yamaha R1 ging es zunächst über den höchsten Berg Österreichs, den Großglockner, über den Plöckenpass nach Italien. Über Udine und Bologna fuhr ich nach Cattolica, wo sich unser Hotel befand. Der direkte Weg über Schnellstraßen und Autobahnen wäre zu einfach und eintönig gewesen – wer gerne Motorrad fährt, weiß wovon ich spreche. Natürlich habe ich einen Zwischenstopp eingelegt und den Trip unter zwei Tagen gemacht – mit meinem Superbike wäre die lange Strecke an einem Tag zur Folter geworden.
Im Gegensatz zu manch anderen Events in der Superbike-WM sind in Misano viele Zuschauer vor Ort. Klar, bei weitem nicht so viele, wie an einem MotoGP-Wochenende, aber 76.000 Menschen auf drei Tage verteilt sind dennoch ganz ordentlich. Auch viele Piloten aus anderen Fahrerlagern kommen zum Rennwochenende nach Misano. Weshalb? Nicht nur weil die Rennen spektakulär sind, sondern weil einfach jeder da ist – vor allem viele Italiener aus der Rennsportszene. So traf man zwischen den Team-Hospitalitys die MotoGP-Piloten Fabio Di Giannantonio (VR46 Ducati), Marco Bezzecchi (Aprilia) und Luca Marini (Honda), in der Box des Ducati-Werksteams saßen Ducati-Corse-CEO Gigi Dall’Igna und Lenovo-Teammanager Davide Tardozzi. Auch der zweimalige MotoGP-Weltmeister Pecco Bagnaia war neben der Ducati Panigale V4R von Nicolo Bulega anzutreffen.
Kommt man an den ersten beiden Tagen am Donnerstag und Freitag noch relativ zügig durchs Fahrerlager, muss man sich am Samstag und Sonntag seinen Weg durch die Menge bahnen. Das tolle an der Superbike-WM ist, dass die Fans mittendrin im Geschehen sind. Neben den obligatorischen VR46-Kappen mischten sich unter die Besucher zahlreiche Anhänger von Dominique Aegerter. Die Schweizer nahmen die mehrstündige Fahrt gerne in Kauf, um ihren Helden zu unterstützen. Leider hatte Domi einen Crash in Lauf 1 und bekam aufgrund einer tiefen Schnittwunde am Hals für den Sonntag Startverbot. Am meisten los war jedoch vor den Trucks und der Hospitality des BMW-Werksteams, wo viele Fans auf Weltmeister Toprak Razgatlioglu warteten. In Italien würde man denken, dass sich alle auf die heimischen Fahrer stürzen. Vor der Aruba-Ducati-Hospitality hat sich auch eine beachtliche Menschenmenge versammelt, bei Go Eleven, wo Andrea Iannone fährt, herrschte jedoch gähnende Leere.
An was man sich als Journalist bei einem Rennen im Juni in Italien gewöhnen muss: das Schwitzen im Mediacenter. Die Klimaanlage ist zwar in Betrieb, doch ist diese schier überfordert. Da helfen nur genügend Wasser trinken und keine überflüssigen Bewegungen – aufgrund des dichten Programms mit den Klassen Superbike, Supersport, Supersport 300, etc. ist man quasi eh an seinen Laptop gefesselt.
Als wir am Samstagmorgen auf den Parkplatz fuhren, kam uns Superbike-Weltmeister Toprak Razgatlioglu am Steuer eines weißen Mietwagens entgegen – nein, es war kein BMW, sondern ein Skoda. Vermutlich waren keine Sportwagen der bayerischen Marke verfügbar. Toprak war es dann auch, der am Misano-Wochenende dominierte. Der 28-Jährige gewann alle drei Rennen – er konnte den Hattrick aus dem Vorjahr wiederholen.
Die Fans bekamen an den drei Tagen in Misano viel spektakuläre Rennaction geboten, wir Journalisten hatten viel zu schreiben. Wenn es im kommenden Winter an die Planung für 2026 geht, werde ich meinem Chef nahelegen, dass bei mir unbedingt wieder Misano dabei sein muss. Als Motorradsport-Fan, der sich auch beruflich damit beschäftigen darf, sind die Rennen an der Adria ein Highlight.
Ein Wermutstropfen hat das Ganze: nächstes Jahr wird im Superbike-Paddock ein großer Name fehlen: Toprak Razgatlioglu. Dieser wird 2026 in der MotoGP-WM auf der Yamaha M1 unterwegs sein und dort seine beliebten Stoppies vorführen. In Misano war der Wechsel des zweifachen Weltmeisters ins GP-Paddock das Gesprächsthema. Für die seriennahe Weltmeisterschaft ist dies ein herber Verlust, der sich vermutlich auch auf die Zuschauerzahlen auswirken wird.