Vertrag endet: Bekennt sich der BMW-Vorstand zu SBK?
Am 11. Juli berichtete SPEEDWEEK.com, weshalb dem Superbike-WM-Werksteam von BMW in den Fahrerverhandlungen für die nächsten zwei Jahre derzeit die Hände gebunden sind. Weltmeister Toprak Razgatlioglu verlässt den deutschen Hersteller nach dieser Saison und wechselt mit Yamaha in die MotoGP. Sämtliche potenziellen Nachfolger fragen nach einem Zweijahresvertrag, doch diesen kann das ROKiT-Team derzeit nicht bieten. Der Grund: Es fehlt ein Vorstandsbeschluss von BMW, der den Verbleib in der Superbike-WM über 2026 hinaus absegnet und damit ermöglicht.
SPEEDWEEK.com traf sich mit BMW Motorrad Motorsport Direktor Sven Blusch zum Exklusiv-Interview, um über die Agenda für die kommenden Wochen und die Wünsche für die Zukunft zu reden.
Sven, im Fahrerlager wird seit Monaten getuschelt, dass ihr nach dieser Saison zusperrt. Ist das möglich?
Die Frage kommt immer wieder auf, aber von unserer Seite ist 2026 fix. Ich weiß, dass die Gerüchteküche grad ziemlich stark hochkocht, weil unsere Strategie noch nicht klar ist. Wir würden gerne früher etwas verkünden, sind aber leider noch nicht so weit. Das ist eine schwierige Situation, dadurch entstehen immer mehr Gerüchte.
Derartige Gerüchte sind sogar bei BMW in München zu hören, es gibt also auch intern Zweifel an eurem Verbleib. Es wird geredet, dass ihr aussteigt, wenn Razgatlioglu dieses Jahr die Weltmeisterschaft erneut gewinnt.
Das stimmt so nicht.
Ob ihr nach 2026 noch dabei seid, hängt von einem Vorstandsbeschluss ab?
Wir haben eine Strategie aufgebaut, in welche Richtung wir gerne gehen wollen, aber es zieht sich. Wir würden gerne seit einem Zeitpunkt vor ein paar Monaten nach außen tragen, in welche Richtung es geht, aber wir haben noch nicht die endgültige Bestätigung.
Dass dieser Zeitpunkt kommt, wusstet ihr, seit ihr 2024 euren Vertrag mit Shaun Muir Racing für 2025 und 2026 verlängert habt, mit Option für 2027. Warum dauert es intern so lange? Der Vorstand hätte seinen Beschluss auch im April fassen können.
Es gibt viele Themen, die auf deren Prioritätenliste stehen. Wir versuchen natürlich, dafür zu pushen. Aber in der jetzigen Zeit ist es etwas schwerer, den Fokus auf dieses Thema zu legen.
Weshalb ist das ein Vorstandsthema und keines vom Leiter BMW Motorrad, von Markus Flasch?
Wir wollen die Ausrichtung für den Motorsport langfristig fix machen und dafür eine Strategie aufsetzen. Wir wollen nicht von Jahr zu Jahr entscheiden, wie wir es jetzt gerade machen. Wir wollen verhindern, dass wir immer wieder an den Punkt kommen, an dem es eine Entscheidung braucht und diese dann im September oder Oktober gefällt wird.
Macht dieses Warten dein Leben nicht unfassbar schwer?
Es ist gerade keine einfache Phase. Auf der einen Seite zeigen wir, was für eine gute Leistung wir zurückgebracht haben. Nach dem Beginn der Saison war vielen nicht klar, wo wir zum Ende der Saison stehen werden. Wir haben immer an uns geglaubt und haben ein unglaublich gutes Technikteam, das uns in den vergangenen Monaten dorthin gebracht hat, wo wir jetzt wieder sind – an der Spitze der WM. Das ist die positive Seite. Andererseits würden wir bezüglich Zukunft gerne langfristig wissen, wie wir unterwegs sind. Das macht die Gefühlswelt gerade etwas schwieriger.
Und auch deine Verhandlungsposition?
Wenn ein Fahrer die Marke wechselt, sprichst du normalerweise nicht über einen Einjahresvertrag. Wenn wir jemanden holen, möchten wir auch gerne länger mit ihm zusammenarbeiten. Das ist eine schwierige Situation für uns, definitiv. Wir gehen von unserer Seite gar nicht in Verhandlungen, um einen Zweijahresvertrag zu besprechen, nur weil wir glauben, dass es in diese Richtung geht. Wir brauchen die Bestätigung und wollen mit offenen Karten spielen. Auf der Fahrerseite muss bald etwas passieren, sonst brechen uns Optionen weg.
Jegliche großen Erfolge seit dem dritten WM-Rang von Marco Melandri 2012 hat Toprak Razgatlioglu für BMW eingefahren. Wie lässt sich so ein herausragender Fahrer ersetzen?
Toprak ist ein Ausnahmetalent, der mit unserer Maschine extrem gut zusammen funktioniert. Wir haben über den Winter gesehen, dass er etwas gebraucht hat, um sich an die neue Konfiguration zu gewöhnen. Aber er ist jemand – man kann schlecht in Worte fassen, was er für ein Gefühl für ein Motorrad hat. Das haben ganz wenige so wie er. Wir versuchen nicht, Toprak 1 zu 1 zu ersetzen, weil wir wissen, dass das nicht geht. Wir müssen einen Weg finden, Fahrer zu finden, bei denen wir der Meinung sind, dass das passen kann. Und wo wir intensiv über den Winter arbeiten müssen, um den Fahrer mit dem Bike so zusammen zu bekommen, dass es funktioniert.
Seit eurer werksseitigen Rückkehr 2019 war kein anderer Fahrer in der Lage, auch nur annähernd solche Leistungen wie Razgatlioglu mit der M1000RR zu erbringen. Liegt das auch am Motorrad?
Das ist genau der Punkt, weshalb ich unbedingt eine langfristige Strategie bei uns haben möchte. Damit wir die Zeit haben uns zu konzentrieren und das in eine Richtung zu bringen, dass das Motorrad für unsere Fahrer grundsätzlich fahrbarer wird.
Toprak ohne unser Bike hat auch nicht immer nur gewonnen, es kommt auf die Kombination an. Aber er bringt einen ganz großen Anteil am bisherigen Erfolg mit. Unsere Aufgabe ist, es so umzusetzen, dass es für andere Fahrer in der Zukunft einfacher sein wird, vorne zu fahren.