Sandro Wassermann (27): «Ich kam mir verarscht vor»

Sandro Wassermann will nicht mehr
Mit Sandro Wassermann wirft der nächste deutsche Speedwayfahrer das Handtuch. Während für Michael Härtel, Max Dilger und Marius Hillebrand der Rückzug nach Verletzungen zwangsläufig erfolgte, entschied sich Wassermann aus freien Stücken, nach seinem letzten Auftritt beim Bundesligarennen in Wittstock mit sofortiger Wirkung hinzuschmeißen. SPEEDWEEK.com sprach mit dem 27-jährigen Bayer über seine Gründe und was das Fass zum Überlaufen brachte. Der ehemalige 250-ccm-Weltmeister nimmt kein Blatt vor den Mund.
Sandro, dein Rücktritt kam plötzlich und mitten in der Saison. Was hat dich zu diesem Schritt getrieben? Wie lange spieltest du schon mit dem Gedanken?
Ich spiele schon seit mehreren Wochen und Monaten mit dem Gedanken. Ich war schon Ende letzter Saison so weit aufzuhören, habe mich dann aber nach drei Wochen noch mal anders entschieden. Ich konnte damals noch nicht aufhören und fuhr weiter, weil mein Ziel noch immer eine Profikarriere war. Ich habe noch mal einen Haufen Kohle in mein Material investiert. Über den Winter habe ich mein Fitnessprogramm und meine gesamte Ernährung umgestellt und konnte so 10 Kilogramm Muskelmasse gezielt aufbauen. Zu Beginn der Saison lief es dann noch nicht so gut, weil ich die Motoren aus dem Vorjahr gefahren bin und musste sie wegen zu vieler Leistung nach und nach anpassen lassen. Der Sturz in Slowenien mit dreifachem Mittelfußbruch sorgte dann für eine siebenwöchige Pause. In Meißen fuhr ich dann wieder, wurde von einem jungen ausländischen Fahrer zu hart attackiert und ich bin in den Airfences gelandet, was mit Prellungen glimpflich ausging. Olching hat dann Spaß gemacht und auch für die SEC bin ich extra als Reserve nach Güstrow gefahren.
Im Rahmen deiner Möglichkeiten hast du versucht so viele Rennen wie möglich zu bekommen?
Ich habe mir immer das Ziel gesteckt Profi zu werden und dazu brauche ich Rennen, denn ich kann ja nicht einfach sagen, ich bin jetzt Profi und fahre dann nur Training und lege drauf, weil ich keine Verträge habe. Ich war immer arbeiten, um den ganzen Sport zu finanzieren, und da hat es mich immer mehr aufgeregt, wenn ich zu Rennen gefahren bin und nur draufgelegt habe, weil das Geld immer weniger wurde. Gerade im Ausland gibt es Clubs mit Zahlungsschwierigkeiten und da habe ich weiter gezögert, denn wenn ich zu so einem Club gehe, meinen Job aufgebe und mich selbst versichern muss, ist mir das Risiko zu groß.
Und dann kam dein letztes Rennen in Wittstock in der Bundesliga?
Genau. Ich hatte im Winter für Stralsund unterschrieben, weil ich schnell einen Vertrag wollte. Dann wurden von Stralsund nach und nach die Fahrer veröffentlicht und ich war nicht dabei. Auf Rückfragen hieß es, für das Geld können sie mich nicht fahren lassen, weil die Liga neu gestaffelt wurde und es nur noch ein Einheitsgeld für die Fahrer gibt. Sie müssen das Geld reduzieren und ich habe dann mit Wittstock einen Vertrag gemacht, weil der Weg für mich für die Ligarennen kürzer ist. Eine Woche später wurde mir von Frank Mauer mitgeteilt, dass wir den Vertrag doch nicht machen können, weil die Fahrer vom DMSB zu den Vereinen zugeteilt werden. Ich habe dann ewig mit Bernd Sagert vom MC Nordstern telefoniert und es hieß, entweder ich fahre für Stralsund oder gar keine Rennen. Also habe ich dann für einen schmalen Taler unterschrieben, da ich sonst noch weniger Rennen gehabt hätte.
Was war in Wittstock der Auslöser für deine plötzliche Entscheidung?
Man hat das Gefühl, dass die Fahrer aus dem Ausland bevorzugt werden. Ich war ursprünglich in der Mannschaftsaufstellung auf Position 4 und wurde dann auf die 5 gesetzt, wodurch ich jedes Mal von den äußeren Plätzen losmusste. In einem Lauf wurde ich rausgenommen und von außen ging einfach gar nichts in Wittstock. In meinem letzten Lauf habe ich dann noch einen Punkt geholt und auf der Heimfahrt viel nachgedacht. Einen Tag später habe ich zu Hause Nägel mit Köpfen gemacht. Es wären noch vier Rennen zur Deutschen Meisterschaft, ein Zweitligarennen und der Paar-Cup, bis die Saison gelaufen wäre. Da hätte ich in keinem der Rennen was verdient und in jedem Geld mitbringen müssen.
Mit einer Perspektive von festen Starts in der ersten und zweiten Liga sowie mehreren Rennen um die Deutsche Meisterschaft, was in Summe mit offenen Rennen so um die 20 Einsätze in Deutschland bedeuten würde, hätte das deine Entscheidung beeinflusst?
Vor einer Woche hätte ich noch darüber nachgedacht, wenn das ordentlich bezahlt wäre und man zumindest irgendwo mit einer Null rauskommt. Ich habe aktuell nicht vor, jemals wieder auf einem Speedwaybike ein Rennen zu fahren. Der Kostenaufwand ist inzwischen enorm hoch und auch im Ausland kommt man nur schwer rein. Wenn man zu wenig auf dem Bike sitzt, ist der ganze Aufwand zu hoch.
Du hast die Thematik einer Zuteilung der Fahrer und festen Gagen angesprochen. Gibt es da ein verbrieftes Regelwerk dazu?
Ich habe das nur mündlich gehört und ich komme mir tatsächlich etwas verarscht vor, weil ich von anderen gehört habe, dass sie nicht eingeteilt wurden. Ich weiß nicht, was da schief lief und mir wurde das immer von Bernd Sagert so gesagt. Er hat auf der Aussage bestanden und in Wittstock habe ich dann bei der Auszahlung mitbekommen, dass das alles gar nicht so wäre.
Du warst 250er-Weltmeister und hast zu den größten Talenten gehört. War der Sprung aus dem U21-Bereich ein Problem? Warum schaffen es so wenige, nach der U21-Zeit den nächsten Schritt zu machen?
Wenn man aus der U21 rauskommt, ist man U24 und da wird es schon schwieriger. Und wenn man da raus ist, wird es noch schwieriger. Wenn man sieht, wie teuer der Sport inzwischen schon in den Schülerklassen ist, da braucht man Eltern, die einem den Sport ermöglichen können. Wir haben zu wenige Rennen und dann setzen wir auch noch auf die falschen Fahrer.
Hast du Sorgen um den Sport? Du bist ja nicht der erste Fahrer mit Potenzial, der dem Sport den Rücken kehrt.
Ich habe große Sorgen um den Sport. Wenn ich zurückdenke, wie viele in meiner Schülerzeit gefahren sind und wie viele davon noch übrig sind. Früher war es nicht einfach, weil viele gute Gegner da waren. Von klein auf hatte ich es nicht leicht und habe mich trotzdem durchgekämpft. In der 250er-WM musste ich mich über zwei Tage gegen 30 andere Fahrer durchsetzen und einige davon fahren jetzt Ekstraliga in Polen.
Kannst du dir ein Comeback vorstellen?
Ich kann es mir aktuell nicht vorstellen und glaube nicht, dass ich zurückkommen werde, zumal ich gerade mein Material verkaufe. Ich habe den Sport 18 Jahre lang betrieben, bin in dem Sport aufgewachsen und es war eine wahrlich schöne Zeit, aber irgendwann sind die Zeiten vorbei und dann ist das halt so. Ich hatte viele schöne Rennen, wie zum Beispiel mit Landshut in der Bundesliga, als wir Meister wurden. Die U24-Liga in Breslau war ein geiles Jahr und es gab immer wieder geile einzelne Rennen, wie mein Sieg beim Störtebeker-Pokal in Norden.
Du hattest immer großen Rückhalt, ohne den das Ganze auf dem Niveau nicht möglich gewesen wäre?
Ohne meine Familie wäre es die ganzen Jahre nicht gegangen. Auch nicht ohne die Mechaniker, die ich dabeihatte, speziell meinen Vater muss ich herausheben, der immer dabei war. Ich habe mit ihm auch sehr ausführlich über meine Entscheidung gesprochen und wusste, er steht hinter mir. Egal, wie ich mich entscheide. Meine Familie, meine Sponsoren, Gönner und mein Mentor Jan Hertel waren immer für mich da.