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Aegerters Teammanager: «Besser nichts unternommen»

Von Ivo Schützbach
Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos (li.) mit Domi Aegerter

Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos (li.) mit Domi Aegerter

Die Disqualifikation von Supersport-Weltmeister Domi Aegerter für das zweite Rennen war das Thema in Most. Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos erlebte einen der stressigsten Tage seines Lebens.

Nach seinem unverschuldeten Sturz im ersten Supersport-Rennen in Most wurde Dominique Aegerter am Samstag um 16.37 Uhr von den Rennärzten für nicht fit erklärt, nachdem er im Kiesbett liegen geblieben war und sich auf einer Trage ins Medical-Center abtransportieren ließ, obwohl ihm nichts fehlte.

Am Sonntagmorgen um 10 Uhr erhielt der Schweizer von den Ärzten die Freigabe für das zweite Rennen, nachdem er zugegeben hatte, dass er am Vortag alle mit einer Schwalbe zum Narren gehalten hatte, um den Rennabbruch zu provozieren, und mit MRT-Aufnahmen nachweisen konnte, dass er keine Gehirnerschütterung hat.

Eine Stunde später disqualifizierte das FIM WorldSBK Stewards Panel den Weltmeister und WM-Führenden wegen «unsportlichem Verhalten» für das zweite Rennen.

Damit endeten für Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos 24 der stressigsten Stunden seines Lebens. Dem Team kann das Verhalten seines Fahrers nicht angelastet werden, der Niederländer unternahm natürlich alles, um sein Aushängeschild im zweiten Rennen an den Start bringen zu können.

Als SPEEDWEEK.com mit Bos sprach, hatten sich die Gemüter beruhigt und der 35-Jährige konnte die Ereignisse analytisch rekapitulieren.

«Die Stewards wollten, dass Dominique eine Erklärung unterschreibt, was passiert ist», begann Bos. «Das war eine für alle sehr seltsame Situation, aus vielerlei Hinsicht liefen Dinge schief. Die Einschätzungen der Ärzte zusammen mit der Enttäuschung von Dominique führten zu einem absoluten Desaster. Dominique ist unser Fahrer, ich unterstütze ihn in allen Belangen. Wir haben alles unternommen, um ihn in der Startaufstellung zu haben. Das klappte nicht, so ist es jetzt halt.»

Auf der Rundstrecke ist Liegenbleiben im Kiesbett nach einem Sturz verpönt, sofern der Fahrer unversehrt ist. Weil er damit nicht nur sich und die Gegner auf der Strecke, sondern auch die Streckenposten und medizinischen Helfer in Lebensgefahr bringt.

«Dominique wurde von einem anderen Motorrad getroffen und war in diesem Moment extrem emotional», versuchte der Teammanager Aegerters Verhalten nachzuvollziehen. «Ich verstehe, dass er zuerst aufstand und versuchte aus der Linie zu kommen.»

Nachdem er wieder auf den Füßen war, schaute sich Aegerter um und legte sich wieder hin. Er unternahm auch in den folgenden Minuten nichts, um die Ärzte von seiner Unversehrtheit zu überzeugen, sondern ließ sich abtransportieren.

«Das war natürlich nicht gut», räumte Bos ein. «Aber solche Dinge passieren in der Hitze des Gefechts. Anschließend haben in dieser verrückten Situation alle überreagiert – Dominique und die Dorna. Es hat zum Beispiel niemand die Frage gestellt, weshalb er nicht fit sein soll. Warum war er nach so einem Sturz nicht mehr renntauglich? Es gab null Einwirkung auf seinen Kopf, seine Lederkombi hat nicht mal Kratzer. Er wurde bereits für nicht fit erklärt, als ich mit ihm im Medical-Center war – keine Ahnung warum.»

Aegerter galt in seiner Karriere als tadelloser und fairer Sportsmann sowie hervorragender Botschafter, einen schmutzigen Fleck hatte seine Weste aber bereits vor Most. Im Vorjahr war der 31-Jährige im siebten und letzten MotoE-Weltcup-Rennen auf dem Misano World Circuit in der letzten Runde bei einem ziemlich optimistischen Überholmanöver mit dem spanischen Weltcup-Leader Jordi Torres kollidiert.

Aegerter rauschte innen mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kurve 14, konnte seine Linie nicht halten, Torres richtete seine Maschine auf, konnte die Kollision mit Aegerter aber nicht vermeiden und ging zu Boden. Der Rohrbacher aus dem Dynavolt Intact GP-Team donnerte zwar als Sieger über den Zielstrich, bekam aber später eine Strafe aufgebrummt, womit Torres Champion war, obwohl er nach dem Sturz nur drei Punkte zusammenklaubte. Der Weltcup-Sieg ging mit 100 zu 93 Punkten an Torres.

Was damals einige vergaßen: Der Rennsieg hätte Aegerter nicht zum Champion gemacht, wenn Torres auf Platz 2 gelandet wäre. Er hätte damit nur den Rückstand von 8 auf 3 Punkte verkürzt. Domi hatte nur eine Titelchance, wenn er Torres in der Zielkurve aus dem Weg räumt. Ob er das vorsätzlich tat, weiß nur er selbst – im Zweifel für den Angeklagten.

Während des für ihn katastrophalen Most-Wochenendes ist sein Vorsprung von 64 auf 14 Punkte geschrumpft, denn sein stärkster Widersacher Lorenzo Baldassarri nutzte die Situation bestmöglich aus und gewann beide Rennen.

«Natürlich versuchen unsere Mitbewerber jetzt, Domi vor den Bus zu schmeißen», umschrieb Bos die Reaktionen auf Aegerters Fehlverhalten. «Wir als Team haben alles unternommen, um ihn im zweiten Rennen an den Start zu bringen. Rückblickend wäre es besser gewesen, hätten wir nichts unternommen. Wir setzten alles auf eine Karte und waren uns dessen bewusst.»

Das Team Ten Kate Yamaha hatte am Sonntagmorgen zwei Möglichkeiten: Akzeptieren, dass Aegerter rennuntauglich ist. Oder den Beweis erbringen, dass er fit ist und die Schwalbe zugeben, was die Disqualifikation wegen Unsportlichkeit nach sich zog. So oder so: Zweimal null Punkte für die Nummer 77. Jetzt allerdings mit der Folge, dass sein Ruf erheblichen Schaden nahm.

«Und genau das ist nicht richtig», unterstrich Kervin Bos. «Dominique machte einen Fehler und entschuldigte sich dafür. Er ist nach wie vor ein großartiger Sportler. Jetzt bin ich froh, dass es in Magny-Cours weitergeht, dort werden wir zurückschlagen und Rennen gewinnen.»


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