Abgesang auf einen Marathon
Eine Reise mit Bildern aus dem Anfang der Zeit
Eigentlich hätten die Piloten einen ziemlich majestätischen Kringel fahren sollen, 215 Kilometer lang, durch Dünen am Meer im Westen von Copiapo und wieder hinauf ins Küstengebirge. Hätten ihre Geräte ordentlich schinden sollen. Eigentlich hätten die Copiloten dort Meisterprüfungen ablegen sollen. Es durfte nicht sein. Nachdem gestern schon wegen des über den Dünen wabernden Küstennebels der Start dauernd verschoben werden musste, weil die lebenserhaltenden Hubschrauber nicht starten konnte, wollte der Veranstalter Ähnliches nicht wiederholen. Auch eine Kürzung der Sonderprüfung mochte man nicht ins Auge fassen – das hatte man bei dieser Dakar schon allzu oft exerziert. Und das Risiko, weitere Autos zu verlieren und mit einem angeschlagenen Mini-Feld am Ziel in Buenos Aires einzuziehen, das mochte die ASO erst recht nicht. Also wurde abgesagt. Die Fahrer schickte man auf eine rund 490 Kilometer lange Liaison, mit unendlich gutmütigen Sollzeiten. Matthias Kahle brauchte sechs Stunden, hätte deren zehn nehmen können - und neben dem TV-Truck von Wige-Fernsehen, dem Flammen aus dem Auspuff geschossen waren, die zu einer Überreaktion der Besatzung geführt hatte, sah Matthias heute keinen Hilfsbedürftigen am Straßenrand. Nicht einmal einen gestürzten Motorradpiloten. Der gestern schwer verunglückte Zweiradler Cristobal Guerrero lag heute noch im Koma in Copiapo.
Marathon- Etappe: Das bedeutet, das die Fahrer nur mit selbst mitgeführten Teilen oder mit jenen, die ihr Race-Truck bei sich hat, reparieren dürfen. Nach Streichung der Etappe und dem Asphalt – Tourismus gab's nichts Ernstes zu reparieren.So schaute es aus.
Die Querung des 4764 Meter hohen Andenpasses von San Francisco - jawohl, 4764 Meter laut unserem GPS-Gerät, obwohl nur 4726 Meter auf allen Landkarten angegeben sind- machte ebenso wenig Probleme wie das zügige Passieren Grenzen zwischen Chile und Argentinien. Nicht mal die schöne Sauerstoffanlage, die unseren herrlichen Reise- Touareg höhentauglich macht, wurde gebraucht: Sorroche, die berüchtigte Höhenkrankheit des Altiplano mit allerlei Symptomen von Erbrechen bis hin zum Dünnschiss, verschonte unsere Besatzung. Wir waren vielleicht zu schnell. Die Beschreibung des unsäglichen Wüstencamps in Fiambala am Rande der Feld-Flugpiste im Sandsturm - die ASO entwickelt seit Jahren ein Händchen für Höllenplätze – erübrigt sich. Samt den Musikanten am Ortseingang und der Rotte erstaunlich zahnloser Gauchos auf Pferden. Zur Entschädigung ein paar Eindrücke der großartigen Natur-Landschaften, die wir heute durchfuhren.
Die schottrige Piste Nr. 31 führt von der Nationalstrasse Nr.5 nach Nordost. Sie beisst sich anfangs durch rundliche, völlig vegetationslose, düsterbraune Berge.. Nach 66 Kilometer stehen Lehm-Ruinen neben Höhlenwohnungen von Indios. Zur Laguna Santa Rosa geht's rechts ab, wir ersparen sie uns, da uns die Laguna Verde mit ihren Thermen weiter oben erwartet. Der Himmel steht hoch und blau, ein Schild weist auf die Anwesenheit von Condoren hin. Wir sehen keinen, in der Frühe baut sich noch keine für seine Flüge notwendige Thermik auf. Die erste weite Hochfläche liegt auf über 3000 Meter, eine Starkstromleitung begleitet uns.Schilder weisen auf Erzminen hin, Menschen sehen wir keine, auch nicht im Flecken Inca de Oro. Alles ist leer unter rosafarbenen Bergflanken. Wir klettern weiter, montieren auf 4350 Anschlüsse an das Sauerstoffgerät, man weiß ja nie. Ein Platz am Berg heißt «Totes Pferd» - wir stellen uns die früheren Karawanen der Mulitreiber vor und freuen uns, dass unser Auto in der Höhe nur 30 Prozent Leistung verliert. Die Abfahrt ins Argentinische – nichts als eindrucksvoll. Die kleinen grünen Inseln am Rio Lama, mitten in der salzigen, felsigen Feindlichkeit. Zwei Wildesel weit weg im Kamelgras, gelbliche Flechten auf glasig wirkenden Bergflanken. Null Verkehr – einmal überholt und das Duo Marc Coma und Jordi Viladoms auf ihren KTM.
Wir waren sechseinhalb Stunden unterwegs, es war eine Reise mit Bildern aus dem Anfang der Zeit. Im Camp ratterten Kompressoren. Carlos Sainz kam rein in seiner Nummer 301, verzog verächtlich