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Niki Lauda: Unvergleichlich, unbeirrt, unvergessen

Von Mathias Brunner
Niki Lauda

Niki Lauda

​Am 20. Mai 2019 hat die Welt Niki Lauda verloren – Racer, Champion, Flugunternehmer, gute Seele des Mercedes-Rennstalls. Unglaublich, dass der charismatische Wiener schon sechs Jahre lang tot ist.

Die traurige Nachricht kam am 20. Mai 2019: Niki Lauda ist verstorben. Sechs Jahre später hat die Motorsportgemeinde den Welt-Star nicht vergessen. In zahlreichen Beiträgen in den sozialen Netzwerken sind Beiträge gepostet worden, die zeigen – Niki Lauda bleibt unvergessen.

Die meisten Menschen erinnern sich an Niki Laudas Feuerunfall auf dem Nürburgring 1976. Sie erinnern sich an drei WM-Titel (1975, 1977, 1984), an den Wechsel von Ferrari zu Brabham (der grosse Enzo nannte ihn einen Judas, der sich für eine Salami verkauft), an den ersten Rücktritt aus der Formel 1 in typischer Launda-Manier: Er drehte sich um und ging. Um knochentrocken festzuhalten: «Ich wollte nicht mehr im Kreis fahren.»

Die Leute erinnern sich an Lauda, den Flugunternehmer, an seine schwärzeste Stunde auch, als eine seiner Boeing 767-300ER im Westen von Thailand abstürzte. Niki wies in der ihm eigenen Hartnäckigkeit nach, dass während des Steigflugs etwas Unerwartetes passierte – die Schubumkehr in einem Triebwerk aktivierte sich. Boeing musste das Schubumkehrsystem in sechs Punkten ändern.

Niki Lauda war als Unternehmer wie der Rennfahrer Lauda: Zielgerichtet, auch Unschönes wurde gnadenlos auf den Tisch gebracht, in aller Konsequenz und entwaffnend ehrlich.

Die US-Amerikaner nennen solche Menschen «no bullshit guys». Blöd kommen musste Lauda niemand, da stand der Charme schnell im Schatten der Offenheit.

Die herzergreifendsten Momente im Leben von Niki Lauda sind wohldokumentiert, Höhen wie Tiefen. Ich möchte hier lieber eine kleine Geschichte erzählen, die viel über den Charakter des 25-fachen GP-Siegers aussagt.

Anfang der 1980er Jahre war ich ein Journalisten-Grünschnabel, der als Knirps in der Schweiz erste Bergrennen erlebt hatte, womit das Rennfieber entflammt war.

Und dann stand ich in einem Formel-1-Fahrerlager bei einem Test, umgeben von jenen Piloten, die ich noch Jahre zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Ich wusste nicht, welches Gefühl stärker war – Ehrfurcht, Faszination, Unglaube, Nervosität.

In den so genannt guten alten Zeiten war nicht alles gut. Aber es ging in der Formel 1 gewiss weniger kompliziert zu und her als heute.

Bei einem modernen Wintertest wie Anfang 2025 in Bahrain tauchen die Fahrer meist nur noch zu Gruppengesprächen auf, argwöhnlisch bewacht von einem Mediendelegierten.

Gespräche werden aufgezeichnet, Zeitfenster werden auf die Sekunde genau eingehalten. Kaum ein Pilot, der gegen diese Entmündigung mal aufmucken würde.

Die meisten Lenkrad-Artisten scheinen froh zu sein, sich wieder im Renntransporter verkriechen zu können, wenn diese Pflichtübungen absolviert sind.

Damals ging das ungefähr so: War eben ein Motor hochgegangen oder ein Getriebe zerbröselt (beides kam damals ziemlich häufig vor), dann zuckte der Fahrer mit den Achseln und stellte sich an die Boxenmauer – um den Gegnern bei der Arbeit zuzuschauen oder um mit einem Kollegen zu tratschen, der ebenfalls Zwangspause hatte.

Die Fahrer waren offen, nahbar, normal, kein Medienverhinderer weit und breit.

Mein ehrgeiziger Plan bestand darin, mit den Stars Niki Lauda und Alain Prost zu sprechen.

Der zweifache Champion Lauda in seiner zweiten Formel-1-Karriere, nun mit McLaren, und der aufstrebende Prost als Renault-Pilot und Hoffnung von ganz Frankreich.

Als Alain – ganz offensichtlich nicht übertrieben beschäftigt – bei der Box herumstand, näherte ich mich vorsichtig und sprach ihn an.

Ich stellte mich vor und fragte höflich, wann er vielleicht fünf oder zehn Minuten für mich hätte. In seinem nasalen Frenglisch antwortete Prost, nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte, so als wäre ich im Taucheranzug zur Oper gekommen: «Ich bin derzeit überaus beschäftigt. Ich habe gleich ein ganz wichtiges Meeting mit meinen Technikern. Schauen Sie doch später nochmals vorbei.»

Gut, dachte ich, ganz offensichtlich hat Monsieur Prost Wichtigeres zu tun als mit einem ihm unbekannten, jungen Berichterstatter zu sprechen, das verstehe ich.

Ich fragte bei McLaren nach Niki Lauda, aber niemand schien zu wissen, wo der Österreicher steckte.

Ich machte einen Rundgang und kam dreissig Minuten später um die Ecke gebogen, als ich Prost bei seiner wichtigen Sitzung ertappte: Er spielte unter der Markise des Renault-Campers (merke: keine Motorhomes damals) mit seinem Kumpels Karten. Ich war sehr enttäuscht und machte innerlich eine kleine Notiz punkto Charakter.

Kurz darauf kam Niki Lauda herbei. Ich versuchte mein Glück erneut. Antwort des Wieners: «Nun, ich muss jetzt in die Box, um am Wagen etwas zu prüfen, aber kommen Sie in dreissig Minuten nochmals vorbei.»

Das kam mir bekannt vor, aber ich war schon nach zwanzig Minuten zurück, da kann der Schweizer nicht aus seiner Haut.

Lauda trat auf die Sekunde pünktlich aus der Box, winkte mich herüber, und da waren wir wieder beim Camper, allerdings nicht unter Renault-Gelb, sondern unter Weiss-Rot von McLaren.

Wir setzten uns, jemand von McLaren bot ein Mineralwasser an, und ich war hin und weg, mit welcher Geduld und Ausführlichkeit Niki Lauda meine Fragen beantwortete.

Lauda war offen, tiefgründig, humorvoll, zwischendurch streute er eine Anekdote ein. Was zehn Minuten hätten werden sollen, wurde eine Stunde. Ich habe nie vergessen, wie viel Zeit sich ein Weltmeister für einen jungen Mann nahm.

Alain Prost von Renault gegenüber schaut ab und an von den Karten hoch, milde irritiert.

Die Formel 1 ist eine Welt, in welcher die Menschen in der Regel schnell vergessen sind. Viele Fachkräfte entscheiden, dass sie keine Lust mehr auf Wanderzirkus haben, oder ihre Frist auf Erden läuft ab, in aller Unergründlichkeit. Dieser Sport ist ein ständiges Taumeln nach vorne, Zeit zum Reflektieren bleibt selten.

Aber es gibt Momente, da halten selbst die Fachkräfte in der Formel 1 inne, etwa um einem ganz besonderen Menschen zu gedenken.

Niki Lauda bleibt unvergessen.


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