Ungarn-GP Hungaroring: Hitze-Rekord in der Formel 1?

Logan Sargeant in Katar 2023
Freitagtraining zum Grossen Preis von Ungarn Ende Juli 2021. Der damalige Haas-GP-Fahrer Mick Schumacher staunte: «Also eine Pistentemperatur von 63 Grad, das habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt.»
Der Hungaroring, in eine Mulde gelegt unweit des Dörfchens Mogyoród, machte seinem Ruf wieder mal alle Ehre: In zahlreichen GP-Saisons war der Grosse Preis von Ungarn der heisseste Grand Prix des Jahres, mit Postkartenwetter-Garantie.
Ich habe hier in fast 40 Jahren immer wieder erlebt, wie Fahrer nach einem Hitze-GP auf dem Hungaroring halb ohnmächtig aus dem Wagen taumelten, um Jahre gealtert. Da sind die knapp 30 Grad bei Ausgabe 2025 schon fast angenehm.
So mancher Formel-1-Fan kam 2021 wie Mick Schumacher ins Grübeln: 63 Grad, ist das für die Formel 1 ein Rekord?
Möglicherweise kann diese Frage nie zweifelsfrei beantwortet werden, weil zu Beginn der Formel-1-Geschichte keine genauen Messungen vorgenommen wurden und die Zeitungen oder auch Bücher unterschiedliche Werte in Druckerschwärze verewigten.
Das Paradebeispiel dafür ist der Argentinien-GP 1955: Die meisten Berichterstatter sprachen damals von 40 Grad im Schatten, anderen Berichten zufolge lag die Temperatur in Buenos Aires bei 37 Grad. Die Pistentemperatur betrug 52 Grad.
In Zeiten, als Fahrerwechsel noch erlaubt waren, wurden zahlreiche Autos von mehreren Piloten bewegt, weil die meisten Piloten mit der enormen Hitze nicht klarkamen – nur die beiden Argentinier Juan Manuel Fangio (Sieger) und Roberto Mieres (Rang 5) schafften es ohne Ablöse ins Ziel. Sie waren diese Temperaturen aus ihrer Heimat gewohnt.
Reims in Frankreich galt in den 1950er Jahren so sicher als Hitze-GP wie in der Formel-1-Neuzeit ein Rennen auf dem Hungaroring.
Im Juli 1959 wurde in Reims die 40-Grad-Marke mindestens gekitzelt, der US-Amerikaner Masten Gregory erlitt einen Hitzschlag. Es war so heiss, dass der Pistenbelag zu schmelzen begann – ein Effekt, den ich persönlich Ende der 80er Jahre in Phoenix (Arizona) beobachten konnte. Dort sollte noch heute ein Turnschuh-Abdruck von mir verewigt sein ...
Ich weiss nicht, wer für die GP-Premiere von Dallas 1984 die Schnapsidee absegnete, ausgerechnet im Monat Juli nach Texas auszurücken. Wir wissen hingegen, dass sich auch dort bei Temperaturen um die 40 Grad die Piste aufzulösen begann und in aller Eile und notdürftig repariert werden musste.
Schnellhärtender Beton war nur teilweise die Lösung. Reifentechniker von Goodyear trauten ihren Augen kaum, als sie die Pistentemperatur massen: 66 Grad!
Keke Rosberg trotzte der Hitze am besten und gewann. Es war das Rennen, in dem Nigel Mansells Lotus kurz vor Schluss stehenblieb, der Brite heroisch sein Auto Richtung Ziellinie schob – und dann neben seinem Wagen zusammenbrach.
Jahrelang inszenierte sich der Malaysia-GP werbeträchtig als «heissester Grand Prix des Jahres», die hohe Luftfeuchtigkeit verstärkte den Eindruck. «Es dauerte jeweils drei bis vier Tage, bis sich dein Körper an die Hitze gewöhnt hat», erklärte mir Valtteri Bottas, damals einer der fittesten Fahrer im Feld. «Du beginnst mit etwas Training draussen, damit dein Körper richtig ins Schwitzen kommt. Wir können der Hitze nicht wie die Einheimischen widerstehen, aber diese Tage zur Akklimatisierung machen einen Unterschied aus.»
NASCAR-Star Bobby Allison erzählte mir Anfang der 80er Jahre, wie er sich auf Hitzerennen im US-amerikanischen Süden vorzubereiten pflegte: Er stellte seine Rudermaschine kurzerhand in die Sauna! Und noch heute trainieren die Formel-1-Fahrer vor einem Hitzerennen in der Sauna.
Im Juli 2019 fühlte sich der Hockenheimring an wie eine riesige Bratpfanne: Der Formel-1-Tross schwitzte bei 39 Grad Lufttemperatur, die Bahn hat sich im zweiten freien Training auf 60 Grad aufgeheizt.
Der Rennrekord in Sachen Hitze geht freilich an Bahrain 2005: Die Temperatur sank während des gesamten Rennens nie unter 41,9 Grad! Fernando Alonso gewann im Renault, bei einer Pistentemperatur von vergleichsweise moderaten 56 Grad.
Und wer glaubt, dass Hitzerennen heute kein Thema mehr sind, dem rufe ich gerne Katar 2023 in Erinnerung: Der Amerikaner Logan Sargant wankte aus seinem Williams, unfähig, den Hitze-GP von Katar fortzusetzen oder sich auf den Beinen zu halten. Seine Mechaniker mussten ihn stützen, sonst wäre Sargeant zusammengebrochen.
Esteban Ocon musste sich während des Rennens übergeben.
George Russell glaubte, dass er das Bewusstsein verliert.
Lance Stroll beklagte sich über Sehstörungen.
Sieger und Weltmeister Max Verstappen sagte im Anschluss an den Grossen Preis von Katar 2023: «Das war eines der schlimmsten Rennen, das ich je erlebt habe. Diese Hitze! Diese Luftfeuchtigkeit! Das war grenzwertig.»
Dabei war das Problem in Katar aus zwei Gründen hausgemacht und teilweise vorhersehbar.
Erstens wurde das Rennen auf den frühen Oktober angesetzt. Jeder weiss, dass es dann in Katar schwül-heiss werden kann. Für 2024 wurde klugerweise das Rennen hinter Las Vegas versetzt und vor das WM-Finale von Abu Dhabi.
Das zweite Problem 2023 war schwieriger zu erkennen. Die neuen Randsteine am Losail International Circuit führten aufgrund von Hochfrequenz-Belastungen zu mikroskopisch-kleinen Beschädigungen der Pirelli-Reifen. Das Mailänder Unternehmen gab daher für den Grand Prix vor – die Piloten dürfen mit einem Reifensatz nicht mehr als 18 Runden zurücklegen.
Dies führte zu drei, teilweise zu vier Stopps im Rennen und zu einem strammeren Tempo als in anderen WM-Läufen, weil durch die kürzeren Segmente das übliche Reifen-Management wegfiel.
Max Verstappen bestätigt: «Das waren 57 Runden im Quali-Tempo. Ich bin echt fertig.»