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Stefan Bellof: Eine Verkettung unglücklicher Umstände

Von Gerhard Kuntschik
Stefan Bellof mit seinem Tyrrell 1984 im Monaco-Grand Prix

Stefan Bellof mit seinem Tyrrell 1984 im Monaco-Grand Prix

​Der Deutsche Stefan Bellof galt als kommender GP-Star, als potenzieller Formel-1-Champion. Aber das Schicksal meinte es anders an jenem dunkeln 1. September 1985 in Spa-Francorchamps.

Es war das abrupte Ende einer vorgezeichneten Glanzkarriere, als Stefan Bellof am 1. September 1985 im Sportwagen-WM-Lauf in Spa-Francorchamps in der Eau Rouge tödlich verunglückte.

Der Senkrechtstarter der Formel 1 im unterlegenen Tyrrell mit Saugmotor, der Sportwagen-Weltmeister von 1984, war schon mit Vorvertrag auf dem Weg zu Ferrari. Nach Spa hätte es den fixen Abschluss geben sollen …

Nach den Kart-Jahren begann der Gießener, Jahrgang 1957, Ende 1979 bei Walter Lechner seine Rennfahrerkarriere: 1980 wurde er Meister der Formel Ford 1600 mit acht Siegen und neun Podestplätzen in zwölf Rennen.

Der Salzburger Lechner (1949–2020) war von Beginn an beeindruckt: «Aus dem wird einmal was», urteilte er über seinen Schüler, der damals von Arno Zensen, dem späteren Rosberg-Teamchef, betreut wurde: «Stefans Talent war unübersehbar. Er war das, was man heute einen Überflieger nennt.»

Ende 1981 wurde ein Achtjahres-Vertrag mit Willy Maurer als Manager abgeschlossen.

1982 gewann Bellof in dessen Team das erste Rennen, die BRDC Trophy in Silverstone, vom neunten Startplatz im Regen mit 21 Sekunden Vorsprung auf den Japaner Satoru Nakajima.

Darauf folgte der Sieg im Jim Clark-Rennen in Hockenheim, am Ende wurde Vierter der Formel-2-EM. 1982 kam auch das Debüt in der Sportwagen-WM mit Rolf Stommeln in den 1000 Kilometern von Spa im Kremer CK5.

1983 wurde Bellof Porsche-Werksfahrer. Mit Derek Bell siegte er im 956 in den 1000 Kilometern von Silverstone. Auf dem Nürburgring gelang die Pole-Zeit von 6:11,13 min (202 km/h Schnitt), die schnellste Nordschleifenrunde, im Rennen die Rekordrunde in 6:25,91 (die bis zu Timo Bernhards privater Bestleistung 2018 im Porsche 919 hielt). Nach Siegen in Kyalami und Fuji wurde er WM-Vierter.

1984 begann mit dem Sieg in Monza mit Bell im Werks-956, dem folgten erste Plätze in Imola mit Stuck (Brun), auf dem Nürburgring, Spa und Sandown (mit Bell) und Fuji mit John Watson. Bellof war Weltmeister, Porsche Marken-Champion.

Nach einem Formel 1-Test mit McLaren in Silverstone kam es zum Vertrag mit Tyrrell und Teamkollegen Martin Brundle im Ford-Sauger, mit 150 PS-Defizit zu den Turbos. Erste WM-Punkte folgten in Zolder und Imola.

In Monaco pflügte Bellof vom 20. und letzten Startplatz bis auf Platz 3 hinter Prost und Senna im Regen vor, ehe der Abbruch in Runde 31 kam. Nach dem GP in Detroit wurden Bleikugeln im Tank bei beiden Autos entdeckt, Tyrrell wurden alle WM-Punkte gestrichen – Ausschluss aus der WM, Berufung verworfen.

1985 blieb Bellof bei Tyrrell, wurde in Estoril wieder im Regen von Platz 21 Sechster, sein erster realer WM-Punkt. Die letzten Zähler holte er als Vierter in Detroit.

Das reduzierte Sportwagen-WM-Programm bestritt Bellof 1985 im Brun-956 und Partner Thierry Boutsen. In Spa gab es Startplatz 3 durch Boutsen. Teammanager Peter Reinisch erinnert sich: «Stefans Schwager Horst, der Bruder von Lebensgefährtin Angelika, hatte Geburtstag, und Stefan wollte ihm ein Gaudi-Geschenk machen – die ausgebaute Halbwelle aus seinem Auto. Da konnten wir noch lachen. Stunden später hatten wir Tränen in den Augen.»

Vor Runde 78 kamen die Fahrerwechsel, Bellof für Boutsen, Ickx für Mass im Werks 962. Reinisch erzählt: «Der Wagen sprang nicht gleich an, Ickx fuhr vor Bellof die Boxengasse hinunter und hatte grün, bei Stefan sprang die Ampel auf Rot. Das muss ihn erzürnt haben.»

Kurz später hinunter zur Eau Rouge versuchte Bellof, Ickx außen zu überholen, es kam zum Kontakt von Ickx’ Heck links mit Bellofs Front rechts.

Beim Crash flog Bellofs Auto ohne Verzögerung frontal in die Leitplanken, durchbrach sie und prallte gegen den Erdwall. Ickx konnte selbst aussteigen, Bellofs Auto fing Feuer, Ickx versuchte mit Streckenposten, Bellof zu evakuieren. Nach mehr als zehn Minuten wurde er geborgen, im Streckenspital aber für tot erklärt wegen innerer Verletzungen.

Gerhard Berger war Bellofs Konkurrent in der Formel 1 1984/85. «Wir fuhren nicht nur in der Formel 1, sondern einmal auch in Hockenheim in der Gruppe C gegeneinander. Er schaffte dort spielend einen Doppel-Einsatz, ich war nach einem fertig. Er war auch körperlich in Top-Form», sagt der Tiroler heute.

Und er fügt an: «Für mich war Stefan eines der größten Talente, die die Formel 1 jemals hervorbrachte. Ich denke, er hätte auch Senna die Stirn bieten können. Ich rede da nicht nur vom Talent, das einige hatten. Er war etwas Besonderes, und ich kann sagen, dass ich so nur wenige Andere einschätze.»

«Ich werde oft nach den besten Rennfahrern aller Zeiten gefragt. Ich sage dazu: Der Walter Röhrl im Rallyesport, Senna und Bellof auf der Rundstrecke. Stefans Risikobereitschaft war extrem hoch. Klar, es hätte deswegen auch in der Formel 1 für ihn schiefgehen können.»


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